Weiß bleibt dennoch weiter im Landtag - AfD-Fraktionschef Gauland schließt Abgeordneten Weiß aus

Sa 27.09.14 | 08:09 Uhr
Brandenburg Aktuell | 26.09.2014 | Hanno Christ

"Das ist 'Stürmer'-Niveau. Das dulden wir nicht." Mit diesen Worten trennt sich AfD-Fraktionschef Alexander Gauland von Nachrücker Jan-Ulrich Weiß, nachdem dieser mit antisemitischen Facebookeinträgen aufgefallen ist. Für die anderen Fraktionsmitglieder mit Vergangeheit in einer Rechtsaußen-Partei bitte er um eine 2. Chance - und zeigt dabei auf die Linken.

Brandenburgs AfD steht vor einer Zerreißprobe: Wegen seines antisemitischen Facebook-Eintrags werde die AfD-Fraktion Jan-Ulrich Weiß aus ihren Reihen ausschließen. Das teilte Fraktionschef Alexander Gauland dem rbb am Freitag mit. Er zog damit die Konsequenzen aus einem Streit mit Weiß: Gauland hatte versucht, den Nachrücker davon zu überzeugen, sein Landtagsmandat und damit auch die Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion freiwillig niederzulegen. Doch Weiß erklärte am Freitag, er werde sein Landtagsmandat dennoch antreten.

Gauland: "Wir können nicht alle Mitglieder durchleuchten"

Im Inforadio des rbb sagte Gauland am Samstag, man habe vor der Wahl nicht alle Kandidaten auf der Landesliste bis ins letzte Detail überprüfen können. "Man muss sich natürlich die Leute der eigenen Partei näher anschauen, aber es gab keinerlei Hinweis dass hier jemand ist, der Dinge im Kopf hat, die nahe bei der NPD liegen."

Dass die AfD-Fraktion an ehemaligen Mitgliedern der Rechtsaußen-Partei "Die Freiheit" festhält verteidigte Gauland hingegen. Diese hätten sich "nichts vorzuwerfen", da sie sich von ihrer früheren Partei distanziert haben. Zudem habe jeder eine zweite politische Chance verdient. "Wir akzeptieren ja auch zweite Chance von Linken, die früher für Mauer und Stacheldraht verantwortlich waren."  

"Das ist Stürmer-Niveau"

Weiß hatte im Internet einen antisemitischen Facebook-Eintrag veröffentlicht und sich abfällig über den NSU-Prozess geäußert. Das Profil ist mittlerweile auf der Seite gelöscht. Weiß selbst äußerte sich nicht.

Nach dem Treffen mit Weiß sagte Gauland dem rbb: "Das kann ich überhaupt nicht akzeptieren, das ist 'Stürmer'-Niveau. Und das dulden wir nicht in der Partei und werden alles tun, dass solche Menschen nicht bei uns in der Partei sind." Damit schrumpft die AfD-Fraktion von elf auf zehn Sitze.

Weiß soll als Nachrücker für den zurückgetretenen AfD-Abgeordneten Stefan Hein ins Parlament einziehen. Hein hatte sich zurückgezogen, weil er dem "Spiegel" Material über angebliche Zerwürfnisse in der AfD-Fraktion geliefert hatte.

"Wir sind geschiedene Leute" - Landesvorstand berät über Parteiausschluss

Damit hat die Partei nur zwei Tage nach Heins Rücktritt ihr nächstes Problem. Bereits am 2. September war auf Weiß' Facebook-Seite der nun diskutierte Eintrag mit antisemitischen Verschwörungstheorien veröffentlicht worden: Links oben ein Foto des Bankiers Jacob Rothschild, rechts ein Bild der ihm ähnlich sehenden Zeichentrick-Figur Montgomery Burns aus der Serie "Die Simpsons". "Wir haben weltweit so gut wie jede Zentralbank in Besitz. (...) Wir steuern deine Nachrichten, Medien, Öl und deine Regierung...DU HAST WAHRSCHEINLICH NIE VON MIR GEHÖRT..." steht darunter. Inzwischen ist das Facebook-Profil gelöscht. Weiß wollte sich bis zum frühen Nachmittag zu dem Account nicht äußern.

Gauland deutete am Freitag im rbb an, dass Weiß nicht nur aus der Fraktion ausgeschlossen werde, sondern dass er - ginge es nach ihm - auch die AfD verlassen müsse: "Das dulden wir nicht in der Partei und werden alles tun, dass solche Menschen nicht bei uns in der Partei sind." Das ist aber noch nicht endgültig entschieden. Weiß werde jedenfalls nicht Teil der politischen Arbeit der AfD, betonte der Fraktionschef: "Wir sind geschiedene Leute." Weiß erklärte dem rbb, über einen möglichen Ausschluss von Weiss, der auch AfD-Kreisvorsitzender in der Uckermark ist, werde nun im Landesvorstand beraten.

NSU-Verfahren ein "Schauprozess"

Der Politikwissenschaftler Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam hält Weiß' Eintrag für gefährlich: "Der Text ist die Wiedergabe uralter, antisemitischer Verschwörungsmythen über ein jüdisch bestimmtes Weltkapital", sagte Botsch am Freitag dem rbb. "Es zeigt, was für Kräfte die AfD hier aufsammelt, mit ihren stetigen Beteuerungen sie sei ja keine rechtsextreme Kraft. Aber sie ist eben ein Anzugspunkt – und das zeigt sich offensichtlich auch im näheren Umfeld einiger ihrer Abgeordneter."

Weiß teilte auf seiner Seite auch einen Bericht über den Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin mit der Überschrift: "Ex-V-Mann schmäht NSU-Verfahren als Schauprozess". Den Prozess kommentierte Weiß auf seiner Seite mit den Worten: "Mehr ist es auch nicht."

In seiner Bewerbung um ein Mandat im Landtag beschrieb Weiß sich als "Familienvater einer Großfamilie, geborener Uckermärker, ehrlich, geradeaus und bodenständig". Was seine Arbeit im Landtag angehe habe er "nichts zu verlieren." Bereits am Freitagvormittag hatte der Templiner dem rbb erklärt, er wolle das Mandat annehmen.

Weiß wegen Verdachts auf Volksverhetzung angezeigt

Die Fraktionschefs der Parteien im Potsdamer Landtag verlangten unmittelbar nach Bekanntwerden der Facebook-Einträge Weiß' Ausschluss aus der AfD-Fraktion. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Axel Vogel zeigte Weiß am Freitag wegen des Verdachts auf Volksverhetzung an. "Wer Karikaturen in Stürmer-Manier verbreitet, ist im brandenburgischen Landtag fehl am Platz", sagte Vogel. Auch die Fraktionsspitzen von SPD und Linken im Potsdamer Landtag forderten Gauland auf, dafür zu sorgen, dass Weiß sein Abgeordnetenmandat nicht antritt.

Das Gespräch mit Jan-Ulrich Weiß ist bereits Gaulands zweites Krisentreffen innerhalb weniger Tage. Zuvor bewegte er den AfD-Abgeordneten Stefan Hein dazu, auf dessen Mandat zu verzichten. Hein ist der Sohn seiner Lebensgefährtin. Er hatte eingeräumt, dem "Spiegel" heimlich Informationen für eine AfD-kritische Geschichte gegeben zu haben. Am Donnerstag erklärte er seinen Rücktritt. "Es ist Ausdruck eines persönlichen menschlichen Versagens. Es gibt Menschen, die plötzlich in einer bestimmten Situation politisch und charakterlich versagen", kommentierte Gauland das Verhalten seines Stiefsohns. "Und diesen Fall haben wir hier."

Mit Informationen von Alex Krämer

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