Spitzenkandidaten | Andreas Büttner (FDP) - Das Unmögliche versuchen

Fr 29.08.14 | 12:42 Uhr | Von Tina Rohowski
Video: Brandenburg aktuell | 29.08.2014 | Tina Rohowski

Andreas Büttner macht es keinen Spaß, Umfragen zu lesen. Kein Wunder, bei den letzten waren die Prozente für die Liberalen in Brandenburg nicht mehr messbar. Doch Büttner vertraut auf Gott, und darauf, dass der Landtag die FDP braucht. Sollte er scheitern, geht er zurück zur Berliner Polizei. Von Tina Rohowski

Der Saal ist halbleer, aber Andreas Büttner gibt sich kämpferisch. Er ballt die Hände zu Fäusten: "Uns interessieren keine Umfragen", ruft er von der Bühne. "Uns interessiert das Wahlergebnis!" Die Delegierten klatschen müde. So richtig will keine Jetzt-erst-recht-Stimmung aufkommen beim FDP-Parteitag in Potsdam. Der Wahlsommer ist gerade angebrochen. Viele hier glauben nicht mehr, dass die FDP es noch einmal in den Landtag schafft – sagen das aber nur hinter vorgehaltener Hand.

Für Andreas Büttner muss es eine harte Zeit sein: Er glaubt zutiefst daran, dass Parlamente die FDP brauchen. Einer müsse sich ja um Bürgerrechte kümmern und darum, dass der Staat nicht immer mehr Geld ausgibt. "Klar, es macht keine Freude, wenn man Umfragen oder Kommentare liest", sagt er. Aber zugleich ist er sicher: "Die Situation, in der die FDP jetzt ist, wird nicht auf Dauer bleiben." Wenn es schief geht, könne er aber jederzeit zurück in seinen alten Job: Oberkommissar bei der Berliner Polizei.

Integration in die Uckermark

Dass er überhaupt in der Region gelandet ist, hat auch mit seiner Zeit als Polizist zu tun. Eigentlich stammt Büttner aus der Nähe von Kassel. Anfang der 90er Jahre geht er nach Berlin, um sich bei der Polizei ausbilden zu lassen. Er lernt seine Frau kennen, zieht mit ihr schließlich 1997 in die Uckermark – kein Kulturschock, aber doch die Erkenntnis: "Die Menschen sind anders, die Mentalität ist hier anders."

Man habe sich dann aber schnell eingelebt – ganz ohne Ost-West-Konflikte oder das Misstrauen gegenüber Zugezogenen, das in manchen Orten Brandenburgs auch viele Jahre währen kann. Er könne sich noch gut an seinen ersten Abend im neuen Haus bei Templin erinnern, erzählt Büttner: "Draußen in der Nachbarschaft wurde gefeiert", sagt er. Dann habe jemand ans Küchenfenster geklopft und klar gestellt: "Also wenn ihr bei uns wohnt, müsst ihr auch mit uns feiern!"

Nach außen selbstbewusst, intern zerstritten

Noch so ein erstes Mal: Bei seiner ersten Rede im Landtag sei er noch so nervös gewesen, dass er "nach drei Minuten kaum noch etwas herausbekommen" habe, erinnert er sich. Inzwischen gilt Büttner als einer der besten Redner im Landtag – und er ist einer der wenigen, die frei reden. Dass das auffällt, kann er scheinbar gar nicht verstehen: "Sie werden ja wohl fünf Minuten über ein Thema reden können, wenn Sie Ahnung haben", sagt er. Wer will, kann da durchaus eine Kollegenschelte heraushören.

Trotzdem: Im Landtag hat die FDP-Fraktion nicht nur Pluspunkte gesammelt. Lange war man intern zerstritten. Es ging um den Fraktionsvorsitz oder darum, welcher Abgeordnete für das Thema Aufarbeitung der SED-Vergangenheit in Brandenburg zuständig sein soll.

Büttner hat von den Querelen einerseits profitiert: Er wurde zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Andererseits konnten er und Landeschef Gregor Beyer wohl nicht so richtig mit der jungen Abgeordneten Linda Teuteberg. Immer wieder gab es Auseinandersetzungen, unter anderem darüber, wer welchen Posten in der Bundespartei bekommt. So richtig teamfähig wirkte das bei allen Beteiligten nicht.

Konservative Werte, progressives Engagement

Kurtschlag, ein Örtchen etwas südlich von Templin. Eine schlichte Kirche, dunkelbraune Holzbänke, schmucklose weiße Wände. Den Stress in der Politik verarbeitet Büttner musikalisch: Er spielt den Choral "Herz und Herz vereint zusammen“, ein beliebtes Hochzeitsstück. Die Füße in Socken tanzen über die Pedale. Büttner ist ausgebildeter Organist, wird nicht nur sonntags gern gebucht. Und er ist – so exotisch das in Brandenburg klingt – Mormone: "Religion ist wichtig in meinem Leben, ich glaube an Gott“, sagt er.

Gleichzeitig setzt sich Büttner für die Rechte von Homosexuellen ein. Der Vater von vier Kindern ist seit langem im Verein Uckermark Queer aktiv, war sogar Vorsitzender. Wer ihn sprechen hört über Jugendliche auf dem Land, die riesige Angst vor dem Coming Out hätten, merkt, dass ihm das Thema wirklich wichtig ist: "Da gibt es dramatische Fälle bis hin zum Suizid."

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Dagegen wolle man Zeichen setzen: "Wir haben zum Beispiel hier auf dem Templiner Markt die Regenbogenflagge gehisst", erzählt Sebastian Schley, selbst Vereinsmitglied. Büttner vertrete das Anliegen glaubwürdig in der Region – und durchaus auch mutig. Nicht alle Reaktionen seien positiv gewesen, als Büttner das erste Mal als Vereinschef in der Zeitung auftauchte. 

Andreas Büttner ist inzwischen auf dem Rückweg von der Kirche in sein Heimatdorf. Im Auto fährt er über uckermärkische Hügel. Anruf bei seiner Mutter, die inzwischen ebenfalls in Brandenburg lebt. Sie erzählt, dass gerade eine Bekannte da gewesen sei, die eigentlich nicht zur Wahl gehen wollte: "Jetzt hat ihr Mann gesagt: Nein, wir gehen wählen. Und wir wählen den Andreas Büttner!" Der FDP-Spitzenkandidat lächelt kurz: "Das ist schon mal sehr gut." Er hat wieder Hoffnung auf eine Art gelbes Wunder in Brandenburg.

Beitrag von Tina Rohowski

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