Demonstration gegen des Bombodrom (Quelle: rbb)

- Wahlkampflügen um das Bombodrom

Mehr als ein Jahrzehnt machen Politiker Wahlkämpfe mit dem Bombodrom. Ob Scharping, Struck oder die Grünen, alle standen bei ihren Besuchen in der Prignitz den Gegnern bei – vor der Wahl. Nach der Wahl war alles anders. Jetzt entdeckte Merkels Mann für die Außenpolitik, Schäuble, das Wahlkampfthema Bombodrom. Und ist natürlich dagegen. Doch Schäuble wird nicht Verteidigungsminister und so glaubt niemand mehr an irgendwelche Wahlversprechen.

Jeder zweite Wähler weiß übrigens immer noch nicht, wo er sein Kreuz machen will – und: ob er überhaupt zur Wahl geht. Viele halten keine der Parteien für glaubwürdig. Das ist eigentlich kein Wunder, denn unsere Politiker versprechen das Blaue vom Himmel herunter. Angela Merkel will das alles anders machen und sie verspricht: mehr Redlichkeit, mehr Ehrlichkeit. Circa hundert Kilometer nördlich von Berlin, in der Ruppiner Heide, kann sie das jetzt unter Beweis stellen. Hier haben schon besonders viele Politiker versprochen, was sie später nicht gehalten haben. Die Rede ist vom Bombodrom, dem künftigen Bombenabwurfplatz der Bundeswehr. Jahrelange Proteste, Ostermärsche, Petitionen – jeder Widerstand gegen die Pläne war zwecklos. Jetzt allerdings ist Wahlkampf. Mal wieder. Katrin Aue hat sich umgehört.

Die Kyritz-Ruppiner Heide, Idyll und Militärgelände etwa 100 Kilometer nordwestlich von Berlin. Die Ruhe der Anwohner stören zurzeit nur Autos und Traktoren, die am alten Kommandoturm vorbeifahren. Anders als damals, als noch sowjetische Jagdbomber über die Region donnerten.

Anfang der 50er Jahren enteignete die Rote Armee das Gebiet im Norden Brandenburgs, rund 140 Quadratkilometer. Eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands wurde zerstört - bei Schießübungen und Bombenabwürfen. Die Bevölkerung litt vor allem unter dem Lärm.

Klaus Günther, Bürgerinitiative „Freie Heide“
„Man hörte die Abschüsse, dann kam ne ganze Weile gar nichts, und dann ein großer Krach, der dann die Einschläge markierte. Wenn die Flugzeuge drüber geflogen sind, damals war unser Sohn so vier, fünf Jahre alt, dann ist er mit zugehaltenen Ohren schreiend ins Haus gelaufen. Das war schon… das war schon recht unangenehm.“

Als 1992 die MiGs der Roten Armee zum letzten Mal abhoben, atmete die Bevölkerung auf. Nie wieder Bombenlärm. Dachte man. Doch dann beschloss die Kohl-Regierung die Übernahme des Geländes für einen Bombenabwurfplatz – das so genannte „Bombodrom“.

Klaus Günther, Bürgerinitiative „Freie Heide“
„Wir haben uns auch schon an die Bundeswehr gewandt. Und haben gefragt, wie das aussieht. Und da ist uns gesagt: Jawoll, sie liegen unter einer Einflugschneise mit der Bezeichnung EDA 51, und da ist eine minimale Flughöhe von 30 Metern vorgesehen. Das haben wir schriftlich, und das ist auch bisher noch nicht widerrufen worden.“
KLARTEXT
„Was würde das für Sie bedeuten?“
Klaus Günther, Bürgerinitiative „Freie Heide“
„Das würde für uns bedeuten, dass wahrscheinlich die Dachziegel runter geflogen kommen vom Haus. Das ist dann wirklich nicht auszuhalten.“

Das Bombodrom – Sperrgebiet und Streitobjekt seit über zehn Jahren. Und jetzt entdeckt die CDU das Thema für sich – im Wahlkampf.

Wolfgang Schäuble, stellvertretender Bundestagsfraktionsvorsitzender (CDU)
„Was mich stört ist der Widerspruch zwischen einer Region, die ja als Nationalpark und besonders für Tourismus ausgewiesen ist. Das müsste sich… Das müsste man sich eigentlich schon überlegen. Dafür würde sich eine neue Regierung auch einsetzen, das noch einmal gründlich zu prüfen. Und das werden die Herren auch einsetzen. Da bin ich auch dafür, dass man noch mal überlegt.“

Schäuble – plötzlich für sanften Tourismus statt für scharfen Beschuss in der Heide?

Klaus Günther, Bürgerinitiative „Freie Heide“
„Wir haben auch den Wortlaut uns angesehen. Er hat ja gesagt, man müsste also noch mal drüber nachdenken, ob man dieses wunderschöne Erholungsgebiet nicht dem Tourismus erhalten soll. Schon die Formulierung lässt doch offen: Dass er nachdenkt oder nicht, das kann man ihm nicht ansehen, und dann leider zu dem Schluss kommt: Es war nichts. Aber es gibt vielleicht ein paar Stimmen im Wahlkampf.“

Nichts Neues für die Bombodrom-Gegner. Gebrochene Wahlversprechen haben hier eine lange Tradition. Schon der damalige Kanzlerkandidat Scharping pilgerte 1994 in die Region: Solidarität mit den Bürgerinitiativen.

Rudolf Scharping (1994)
„Ein solcher Bombenabwurfplatz in Deutschland ist unnötig!“

Rainer Kühn, Bürgerinitiative „Freie Heide“
„Ich hatte mir die Rede vorher wortwörtlich aufgeschrieben. Und ihm gesagt, was wir hören wollen. Und zwar das Bekenntnis, dass wenn er Kanzler wird, oder wenn die SPD die Wahl gewinnt, dass das dann hier nicht mehr Übungsplatz wird. Und das hat er dann auch so gesagt. Das ist die so genannte ‚Scharping-Lüge’ mittlerweile geworden, weil er zu seinem Wort nicht gestanden hat.“

1998 war die Wahl gewonnen, Scharping schrieb als neuer Verteidigungsminister einen Dankesbrief an die Bürgerinitiative, ganz unbekümmert. Ihm bliebe jetzt nur noch: „Euch für die Arbeit weiterhin viel Erfolg zu wünschen.“

Zynisch – hat doch Scharping später als Minister das Vorhaben „Bombodrom“ tatkräftig vorangetrieben. 1998 darauf angesprochen: kein Kommentar.

Rudolf Scharping (1998)
„Ich muss mich zur Zeit auch noch um ein paar andere Dinge kümmern.“

Auf Scharping folgte Struck, und auch er reiste in die Heide. Seine Ansage an die Protestierenden war klar:

Peter Struck, Bundesverteidigungsminister (SPD) (2004)
„Für mich ist entscheidend: Können wir diesen Platz militärisch nutzen? Müssen wir ihn nutzen? Meine Antwort darauf ist ja.“

Auch das ein Wortbruch: Noch 1992 hatte die SPD von der damaligen Regierung auf einem Parteitag die Stilllegung des Truppenübungsplatzes gefordert. In einer Pressemitteilung schrieb Struck damals über die Bombodrom-Pläne der CDU:
Zitat:
„Damit wird sie in den neuen Ländern den letzten Rest Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung verlieren.“

So argumentierte auch Stolpe, als er noch mitfühlender Landesvater war:

Manfred Stolpe, damaliger Ministerpräsident Brandenburg (1993)
„Es wird sich auf Dauer eine Bundesregierung nicht leisten können, ohne die Akzeptanz der Bevölkerung hier weiterzumachen, hier fortzusetzen, einen Akt des Unrechtes, des Raubes und der Gewalt.“

Wenige Jahre später: Stolpe wird Strucks Ministerkollege. Engagement in Sachen Bombodrom? – Um des lieben Kabinettsfriedens willen: besser nicht.

Die Protestler wundert das längst nicht mehr. Vertrauen in Politiker, die sich mit ihnen solidarisieren – das war gestern.

Klaus Günther, Bürgerinitiative „Freie Heide“
„Wir sehen mit großem Interesse auf den nächsten Verteidigungsminister. Es wird sicher jemand sein, der jetzt im Wahlkampf sein Herz für die freie Heide entdeckt hat und dann verbissen den Verteidigungsminister spielt und dann Bomben schmeißen möchte.“