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- Ein Sportwagen für den Chef - Armenhelfer zocken den Staat ab

Der Maserati, den sich der Chef der Berliner Treberhilfe als Dienstwagen gönnte, hat eine überfällige Diskussion angestoßen: Was passiert eigentlich mit den Milliarden, die der Staat in die Hilfe für Arme und Bedürftige steckt? KONTRASTE-Recherchen ergaben: Fehlende Kontrollen laden geradezu zur Selbstbedienung ein.

Ein Maserati! Wer so einen heißen Luxus-Schlitten fährt, der kümmert sich normalerweise eher selten direkt um die, die am anderen Ende der sozialen Skala stehen. Doch Der Maserati-Fahrer, um den es jetzt geht, der hat ein Herz für Arme – und zwar hauptberuflich! Wie das kommt? Ganz einfach: Der Mann hat entdeckt, wie leicht es ist, ganz legal Sozialleistungen abzuzocken, die eigentlich für Obdachlose vorgesehen sind! Über die gemeinnützige Treberhilfe nämlich. Nach dem Motto: "Armut ist keine Schande, Reichtum aber auch nicht.“ Oliver Jarasch, Gabi Probst und Axel Svehla mit Hintergründen.

Obdachlose. Das große Elend zeigt sich v.a. in den Städten. Wie hier in Berlin haben Tausende kein Dach über dem Kopf. Wie gut, dass es gemeinnützige Organisationen gibt, wie zum Beispiel die Treberhilfe. Mit einem Wohnmobil versorgt sie scheinbar selbstlos die Bedürftigen. Doch mit der Armut der einen, machen andere das große Geschäft - wie der Gründer der Treberhilfe, Harald Ehlert. An seinem Image des barmherziger Machers hat er lange gearbeitet.

Und hier residiert er: am malerischen Schwielowsee in Brandenburg. In einer großzügigen Villa. Bezahlt mit zwei Millionen Euro aus dem Etat seiner gemeinnützigen Organisation. Auf dem als Fortbildungsakademie deklarierte Anwesen nutzt Ehlert eine 90 qm Wohnung – für ganze 450Euro Miete.

Er weiß, wo das Geld zu holen ist – bis vor kurzem sprach er das noch ganz offen aus:

Harald Ehlert, Januar 2010
„Der Sozialstaat der Bundesrepublik Deutschland, der ständig in der Debatte ist, ist keine Bakschischveranstaltung. Da geht es nicht um drei Euro Spenden, da geht es um 190 Milliarden Euro.“

190 Milliarden Euro werden jährlich in Deutschland für Bedürftige ausgegeben. Von diesem Kuchen bekommt auch die Treberhilfe etwas ab. Erwirtschaftet diese gemeinnützige GmbH allerdings Profite, müssten diese wieder in soziale Projekte fließen. Aber keiner kontrolliert das. Die Überschüsse der Treberhilfe wurden hier investiert wurden: 600.000 Euro für diese Pavillons, 250.000 für das Bootshaus, 75.000 Euro allein für ein neues Badezimmer.

Der Chef persönlich erzielte im letzten Jahr ein Einkommen von 435.000 Euro. Mehr als die Bundeskanzlerin verdient.

Sein letzter Dienstwagen - ein Maserati für 152.000 Euro! Entsprechend gigantisch ist auch der Fuhrpark der Treberhilfe. Projektleiter und andere Betreuer fahren gerne etwas sportlich. Die Kosten der Fahrzeugflotte - fast eine Million Euro. Alles bezahlt von Steuergeldern. Für Harald Ehlert war dies bislang selbstverständlich.

Harald Ehlert, Januar 2010
„Es kann nicht sein, dass es peinlich ist, wenn wir auf der einen Seite Armut beenden und uns dann vorgeworfen wird, wir würden aus Armut Kapital schlagen.“

Mit der Armut anderer auch künftig kräftig Kasse machen – dies ist das Selbstverständnis und die Geschäftsgrundlage der Treberhilfe als Krisengewinnler. im öffentlichen Jahresabschlußbericht für 2008 liest sich das so, Zitat:
„Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird in den Jahren 2009/10, enttäuschend sein. Diese Negativentwicklung wird sich in den Geschäftsbereichen der Treberhilfe Berlin gGmbH nicht widerspiegeln, da die erbrachten Leistungen gesetzlich garantiert sind.“

Garantierte Einnahmen für die Treberhilfe – und so läuft das Geschäft: Im Berliner Norden betreibt sie dieses Obdachlosenheim. € 14,50 bekommt die Treberhilfe pro Obdachlosen, pro Tag, ein Pauschalsatz. Bei 90 Plätzen macht das rund 480.000 € pro Jahr. Wie viel davon bei der Treberhilfe hängen bleibt, kalkuliert der Betreiber selbst. Und damit die Höhe seines Profits.

Der Skandal um die Treberhilfe hat jetzt die Frage aufgeworfen: wer überprüft das Geschäftsgebaren der Gemeinnützigen? Dazu Transparency International.

Karennina Schröder, Transparency International
„Der gemeinnützige Sektor ist extrem gewachsen. Und die Frage ist ob die Mechanismen der Kontrolle mitgewachsen sind. Und auch die Strukturen der Transparenz. Es ist ja schon erstaunlich, wenn der Senat sagt, er habe selbst keinen Überblick darüber.“

Tatsächlich gibt Berlins zuständige Sozialsenatorin zu, dass niemand weiß, was mit dem Geld geschieht. Doch sie beruft sich auf das Sozialgesetzbuch. Dadurch seien ihr die Hände gebunden.

Carola Bluhm (Die Linke), Sozialsenatorin Berlin
„Wir als Senatsverwaltung können in das System der Kostensatzfinanzierung, ein Kostensatz wo alles abgerechnet wird, nicht reinschauen.“

Ein Blick ins Sozialhilfegesetzbuch zeigt aber, dass es durchaus eine Kontrollmöglichkeit gäbe. Und auch das Bundes-Sozialministerium bestätigt das gegenüber KONTRASTE, zitiert aus dem Gesetz:
„Der Träger der Sozialhilfe kann die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen prüfen.“

KONTRASTE fragt nach, warum man diese Prüfungsmöglichkeit, wie im Gesetz vorgesehen, nicht vereinbart hat – Z. Bsp. in Rahmenverträgen.

KONTRASTE
„Hat man denn’s schon mal versucht, dass man diese Sachen in die Rahmenverträge hineingeschrieben hat?“

Carola Bluhm (Die Linke), Sozialsenatorin Berlin
„Kann ich Ihnen nicht sagen. Ich nehme schon an, dass es versucht worden ist. Aber nicht von Erfolg gekrönt waren. Kann ich ihnen nicht sagen.“

Seit Jahren war bekannt, dass sich der Geschäftsführer der Treberhilfe als protzig – potenter Sozialunternehmer gab. Doch was bei seinen Mitarbeitern, den einfachen Streetworkern schlecht ankam – die verantwortlichen Sozialpolitiker sahen offenbar alle großzügig darüber hinweg.

Udo Frenzel , Streetworker
„Das ist doch alles bekannt, seit Jahren. Der Herr Ehlert ist ja nicht mit dem Fahrrad irgendwie zur Senatsverwaltung gefahren.“

KONTRASTE bittet um Aufklärung.

KONTRASTE
„Warum reden immer nur andere? Warum nicht Sie?“

Harald Ehlert ist verstummt und keiner der Politiker will die Verantwortung für diesen Skandal übernehmen. Es fehlt ihnen offenbar an einer Eigenschaft.

Karennina Schröder, Transparency International
„Ich glaube es mangelt auch an Zivilcourage. Ich glaube es mangelt auch an Leuten die aufstehen und sagen: obwohl ihr alle das spiel mitspielt und alle irgendwie im Moment zufrieden seid – ich finde es nicht in Ordnung und ich glaube diese Leute haben gefehlt!“

Solange niemand aufsteht, wirft das System weiterhin fette Gewinne ab. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zwar wegen Untreue gegen Ehlert, der inzwischen als Geschäftsführer zurück getreten ist. Aber das dauert.

Solange wird weiter kassiert.

Dass fehlende Kontrolle quasi zur Selbstbedienung einlädt, das gibt es übrigens nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Bundesländern.


Beitrag von Oliver Jarasch, Gabi Probst und Axel Svehla