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- Neuer Flughafen Berlin-Brandenburg - Mit Sicherheitslücken und Billiglöhnern an den Start

Transparent und großzügig soll er werden, Milliarden kostet er der neue Flughafen in Berlin-Schönefeld. In wenigen Wochen ist Eröffnung. KONTRASTE-Recherchen ergaben jetzt, hinter den fast fertigen Glitzerfassaden des Renommierprojekts sieht es düster aus: Sicherheitsstandards werden massiv verletzt und Tagelöhner aus Osteuropa schuften für Hungerlöhne.

Er ist DAS Vorzeigeprojekt der Hauptstadt schlechthin: Der neue Flughafen Berlin-Brandenburg! Doch die Glitzerfassade, mit der geworben wird, bekommt schon jetzt Kratzer. Denn gebaut wird der neue High-Tech-Flughafen offenbar auch mithilfe osteuropäischer Tagelöhner, die weit unter Tarif bezahlt werden. KONTRASTE-Recherchen zeigen außerdem, dass das Sicherheitskonzept des Flughafens Lücken aufweist. Gabi Probst.

Kurz vor halb sechs Uhr morgens: Unter der S-Bahn- Brücke Berlin - Grünau treffen sich rumänische und andere osteuropäische Bauarbeiter.

Darunter ist der 44jährige Andrej. 20 Minuten später quetscht er sich mit rund 60 weiteren Männern in einen Bus, wie dieses, uns zugespielte Video zeigt.

Es beginnt ein Wettlauf um einen Stehplatz und wie sich später herausstellt, ein Wettlauf um eine Arbeitsstelle.
Der Bus fährt ohne Kennung, ohne Zielangabe - anders als der Linienbus nebenan. Auch Andrej weiß nicht, wem er gehört oder wer die Fahrt organisiert hat. Aber wohin dieser Bus fährt, dass wissen sie hier alle - der Bus fährt sie in den flächenmäßig größten Sicherheitsbereich Berlin und Brandenburgs - auf die Baustelle des neuen Flughafens Schönefeld.

Andrej lacht über das Wort Papier "Sicherheitsbereich". Er meint, da würde nichts sicher sein, weil niemand kontrolliert werde. Tatsächlich fährt der Bus wenige Sekunden nach Ankunft einfach durch die Schranke - ohne vorgeschriebene Kontrolle.

Nur wenige Minuten später stehen er und derjenige, der ihn filmt, ungehindert auf der Baustelle. Dabei präsentiert die Flughafengesellschaft öffentlich ein ganzes Maßnahmenbündel gegen Schwarzarbeit: mit einem computergestützten Zugangssystem und nicht übertragbaren Baustellenausweisen mit Chip und Lichtbild.

So einen Ausweis hat Andrej nie gesehen, obwohl er eine Sicherheitsweste der Reinigungsfirma Gegenbauer ausgehändigt bekam. Wir haben die auf dem Flughafen tätige Firma Gegenbauer angefragt und um ein Interview gebeten - keine Antwort.

KONTRASTE
„Brauchten Sie einen bestimmten Ausweis, um auf das Baugelände des Flughafens zu kommen?“
Andrej
„Nein, von den Leuten, die dort in dieser Gruppe arbeiten, da habe ich keinen solchen Baustellenausweis gesehen."

Ohne Baustellenausweis in den Sicherheitsbereich? Die Flughafenbetreiber betonen immer wieder, Schwarzarbeit zu bekämpfen. Doch Andrej sagt, dass es niemanden interessiert habe, ob er tarifgerecht entlohnt oder ob er überhaupt bezahlt würde. Als er nach einer Woche genauer nachfragt, bekommt er keine Arbeit mehr und keinen Lohn, bis heute. Dabei sagen die Vorgaben der Flughafenbetreiber etwas anderes.

Ralf Kunkel, 24.01.2012
„Sämtliche Unternehmen, die auf dem Flughaben arbeiten, müssen BBI eine Tariftreuevertragsvereinbarung unterschreiben und sie müssen diese Vereinbarung auch an ihre Subunternehmer weiterreichen."

Das stimme in seinem Fall nicht, meint Andrej, der jetzt arbeitslos seinem Geld hinterher rennt. Fünf Euro die Stunde hätte man ihm versprochen, mündlich.

Erst auf der Beratungsstelle der Gewerkschaft erfährt er, dass er 50 Prozent unter Tarif entlohnt werden sollte und das es vielen anderen Bauarbeitern genauso geht. Und obwohl er den Firmennamen Gegenbauer auf seiner Schutzweste trägt, die er auf der Baustelle erhielt, weiß er nicht, wer ihn angeheuert hat, denn eine Firmenadresse bekam er nicht und seine Ansprechpartner hatten nur Vornamen und Handynummern.

Doritt Komitowski
„Die Leute arbeiten nicht mit Arbeitsvertrag, sondern als Selbstständige oder so genannte Scheinselbstständige und das ist auch ein Weg, den Tariflohn, den Mindestlohn zu umgehen und natürlich auch verbunden auch mit vielen anderen Problemen, dass typische Arbeitnehmerrechte dann auch wegfallen."

Das scheint System zu haben, um Leute wie Andrej, um ihre Rechte und ihr Geld zu prellen. Andrej ist tatsächlich selbstständig, doch seine Gewerbeanmeldung erhielt er nur durch eine Scheinmeldeadresse.

Andrej
„Ich habe im Internet Leute gefunden, die in Inseraten Arbeit in Deutschland versprechen und die dir helfen ein Gewerbe anzumelden und die Anmeldung und das ganze Papierzeug übernehmen. Und gegen eine Geldsumme, die ich den Leuten gegeben habe, habe ich die nötigen Unterlagen bekommen und gemäß unserer Vereinbarung habe ich die auch die Arbeit bekommen."

Auf der Baustelle des Flughafens Schönefeld bekommt er offenbar keine Arbeit mehr, weil er die Verantwortlichen zur Rede stellte. In der Beratungsstelle riet man ihm jetzt, eine Rechnung für seine bisherige Arbeit an die Firma Gegenbauer zu stellen wegen der Aufschrift auf seiner Sicherheitsweste. (Pause) Inzwischen sucht er jeden Tag soziale Einrichtungen auf, um überhaupt zu überleben.

Und am Ende eines Tages wartet er auf ein Bett in der Obdachlosenunterkunft. Kurz bevor wir ihn verlassen, macht er das, was er schon seit Tagen in unserem Beisein macht: er ruft die Telefonnummern der Vermittler an, die ihn nach Berlin und auf die Flughafenbaustelle geholt haben. Er erhält keine Antworten auf seine Fragen.

Und damit ist er nicht allein.

Doritt Komitowski
„Wie einen Fall hatten wir kurz vor Weihnachten nachmittags, mehrere ungarische Bauarbeiter, die nicht bezahlt wurden, die wollten nach Hause. Das heißt, es war Winter, es war kalt und sie hatten kein Dach über den Kopf und hatten kein Geld zu ihren Familien zurück zu kehren."

Wir wissen nicht, wie viele von diesen rumänischen Bauarbeitern aus dem morgendlichen Bus das gleiche Schicksal wie Andrej teilen .

Dadurch, dass diese Busse nicht kontrolliert werden, scheint solche Abzocke offenbar erst möglich. Andrej meint, man kann nur hoffen, dass in dem Bus nicht auch gefährliche Sachen in den Sicherheitsbereich transportiert werden. Denkbar wäre es, sagt er.

Beitrag von Gabi Probst