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- Streit um das Betreuungsgeld - das Familienbild der CSU

Die CSU hat das Betreuungsgeld für daheim bleibende Kinder im Koalitionsvertrag durchgesetzt - gegen den Widerstand von CDU und FDP. Während Bildungsexperten vor den Folgen vor allem für Kinder aus armen Familien warnen, geht es den Christsozialen um etwas anderes: das katholisch-konservative Ideal der heilen Familie.
 
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Ist eine Mutter, die ihr Kind mit einem Jahr in die Kita gibt, eine Rabenmutter? Oder ist es gerade wichtig für ein Kind, die ersten Lebensjahre zu Hause zu verbringen? Zurzeit wird ja heftig darüber gestritten im Zusammenhang mit dem geplanten Betreuungsgeld. Demnach sollen Familien mit Kindern unter drei Jahren in Zukunft monatlich 150 Euro erhalten, wenn sie ihre Kinder zuhause betreuen. Durchgedrückt hat diese Idee die bayrische CSU, nach dem Motto: Nicht nur Leistung, sondern auch Liebe muss sich wieder lohnen! Axel Svehla, Katrin Aue und Iris Marx zeigen, was für ein rückwärtsgewandtes Familien-Bild dahinter steckt.

Bad Tölz, eine Kleinstadt in Oberbayern. Hier wird Tradition gelebt. Das gilt besonders für die Erziehung der Kinder. Kleinkinder sollen bei den Eltern aufwachsen und nicht in staatlichen Krippen.

KONTRASTE
„Was glauben Sie, was die Mutter besser kann in der frühkindlichen Entwicklung als es vielleicht in der Krippe geschieht?“
Mutter
„Alles, sie kann alles besser, weil es ihre Kinder sind, weil sie sollen ja aufrechte Menschen werden, denen müssen ja Werte vermittelt werden.“

Kinder solange wie möglich daheim bei der Mutter zu halten – das sei allemal besser für die Kleinen, als sie in einer Krippenbetreuung der Obhut von Erziehern zu überlassen. So sieht es die bayrische Familienministerin, Christine Haderthauer, CSU.

Christine Haderthauer (CSU), Familienministerin Bayern
„Es ist einfach was anderes die Liebe, den Rückhalt der Bezugsperson im Focus der Bezugsperson zu sein, als sich mit 5,6,7, 8 anderen um die Zuwendung der Erzieherin, sei sie noch so toll, in einer Krippe streiten zu müssen.“

Dafür gibt es viel Beifall vom Familienbund der Katholiken in Bayern. Auch für ihn ist Mutterliebe alleinige Grundlage jedweder Kindeserziehung.

Johannes Schroeter, Familienbund der Katholiken in Bayern
„Liebe, das Gefühl einzigartig zu sein, kann eigentlich nur in diesen Familien gegeben werden – unter welch schwierigen Rahmenbedingungen auch immer – und die Familie ist durch nichts zu schlagen, schon gar nicht durch staatliche Expertensysteme.“

Künftig soll sich deshalb die häusliche Erziehung kleiner Kinder wieder lohnen. Im Koalitionsvertrag der schwarz gelben Bundesregierung ließ die CSU festschreiben: Eltern, die ihr Kleinkind ausdrücklich nicht vor dem 3. Lebensjahr in eine Krippe geben, erhalten ab 2013 ein Betreuungsgeld von 150 Euro pro Monat.

Geht es nur darum, die Eltern für die Erziehung ihrer Kinder zu belohnen? Oder lehnt die CSU generell den Ausbau staatlicher Betreuungsangebote ab?

Christine Haderthauer (CSU), Familienministerin Bayern
„Wir sprechen Eltern seit Jahren systematisch ab, dass wir ihnen überhaupt was zutrauen und jetzt trauen wir ihnen noch nicht einmal zu mit dem 1jährigen oder 2jährigen richtig umzugehen und behaupten, die würden Bildungschancen versäumen wenn sie nicht in die Krippe kommen – was ist denn das für ein Signal?“

Das Signal aus Bayern ist eindeutig: CSU und katholischen Konservative befürchten die Zerstörung der traditionellen Familie – durch die Möglichkeit, ab dem 1. Lebensjahr einen Krippenplatz zu nutzen. Sie wollen keinen Staat, der immer mehr Erziehungsaufgaben übernimmt und Bildungschancen verbessert.

Johannes Schroeter, Familienbund der Katholiken in Bayern
„Wenn staatliche Stellen anfangen, wie man aus jedem Kind das vermeintliche Beste herausholen kann und dieser Versuch, das Beste aus dem Menschen zu machen, erfordert ein einheitliches Menschenbild und bei dem Versuch, den guten Menschen schlechthin zu definieren und ihn dahin zu erziehen, da läuft eine Gesellschaft Gefahr totalitär zu werden.“

Berlin-Neukölln. In sozialen Brennpunkten wie diesen gibt es schon lange nicht mehr die intakten Familien, über die das Betreuungsgeld künftig ausgeschüttet werden soll. Viele alleinerziehende und berufstätige Mütter sind auf staatliche Erziehungsangebote angewiesen. Statt 150 Euro für die isolierte Betreuung zu Hause wollen sie einen Kita-Platz. Der ist für die Entwicklung des Kindes von vielfach höherem Wert. Das weiß auch die Mutter der kleinen Meta.

Mira Cristophliemke
„Also sie war sonst immer eher ein ruhiges Kind. Kaum war sie hier in der Kita hat sie losgeplappert, kam alles aus ihr raus sozusagen. Und sie hat mehr einen Rhythmus bekommen im Tagesablauf, dadurch das das hier alles ganz klar strukturiert ist, also ich habe das zu Hause auch immer versucht, aber es ist halt mit einem Kind immer schwieriger als mit mehreren, weil dann machen sie das zusammen, dann haben sie die Gemeinschaft.“

Das geplante Betreuungsgeld von 150 Euro würde den Staat pro Jahr geschätzte 2,7 Milliarden € kosten – eine immense Summe, die für den Ausbau und Unterhalt von Kita und Krippen dringend benötigt wird. Ilse Wolter, Quartiersmanagement Berlin Neukölln:

Ilse Wolter, Quartiersmanagement Berlin Neukölln
„Bei knappen Mitteln muss man Schwerpunkt setzen und ich denke, die die es ohnehin gut machen, denen muss man eine Anerkennung auf anderem Wege geben, aber das Geld sollte dann wirklich in die Lösung der Probleme, die wir hier vor Ort haben und die weitreichende Folgen in der Zukunft haben, investieren.“

Ohne staatliche Hilfe haben viele Kinder aus Problemfamilien später kaum eine Chance. Das weiß jeder Sozialarbeiter und Familienhelfer. Doch der Familienbund der Katholiken in Bayern sieht im absehbaren Scheitern dieser Kinder überhaupt kein Problem, im Gegenteil.

Johannes Schroeter, Familienbund der Katholiken in Bayern
„Es ist allenfalls eine Frage der Wertmaßstäbe. Ich erlebe es oft in unserer eigenen katholischen Kirche, dass ich darauf hinweisen muss, dass für uns jemand gescheitert ist, der nicht in den Himmel kommt und nicht jemand, der sein Abitur verpasst hat.“

Nebensächlich also, ob Kinder und Jugendliche im Diesseits versagen oder Erfolg haben – Hauptsache die Institution Familie wird nach dem Leitbild der katholischen Kirche geschützt. Mit solcherlei Ideen will der Familienbund die totale Umkehr bisheriger Familienpolitik und geht in die Offensive.

Johannes Schroeter, Familienbund der Katholiken in Bayern
„Diskussionen, die schon lange geführt gehört hätten, werden jetzt endlich geführt. Und ich bin mir sicher, dass bei dieser Machtprobe der Familien gegen ihre Gegner die Familie auf lange Zeit am längeren Hebel sitzt.“

Auch der CSU geht es längst um mehr. Für Christine Haderthauer ist das Betreuungsgeld nur Vehikel für einen langfristigen Systemwechsel. Sie appelliert an Väter und Mütter.

Christine Haderthauer (CSU), Familienministerin Bayern
„Du hast hier eine wichtige Funktion, Du hast hier eine Verantwortung – das ist eine Botschaft, die unsere Eltern Jahrzehnte nicht mehr hören, dass sie unersetzlich sind für ihre Kinder – und das ist der Einstieg in ein System, wo wir zu einer größeren Wertschätzung kommen, es geht drum, dass man weibliche Lebensentwürfe aufwertet. Das muss man anerkennen.“

Was wieder besonders geschätzt werden soll, ist das Familienbild von gestern. Es verteilt die Rollen nach dem bekannten Schwarz-Weiß-Schema: Müttern einzureden, dass sie bei der Erziehung ihrer Kinder unersetzlich sind, bindet sie erneut für Jahre an Heim und Herd. In den eigenen vier Wänden wird die traditionelle Arbeitsteilung wieder hergestellt. Rückkehr in den Beruf, solange ihre Kinder klein sind – das geht dann nur um den Preis, wieder als Rabenmutter gesellschaftlich geächtet zu werden.

Doch auch in Bad Tölz regen sich Zweifel an der konservativen Leitkultur für Familie und Kind. Für ein Zurück in die Vergangenheit lassen sich diese Eltern durch ein Betreuungsgeld nicht gewinnen.

Eltern
„Ich glaube dass der Kontakt zu anderen Kinder wichtig und gut ist und 150 Euro sind dann auch nicht soviel Geld, dass man deswegen zu Hause bleiben müsste.“
„Das soll ein Anreiz sein, nicht in die KiTa zu gehen? Dann ist das Schwachsinn, würde ich sagen, dann ist das Schwachsinn.“
„Geld löst das nicht, für mich wärs kein Grund für 150 Euro zu Hause zu bleiben.“


Und wie sehen Sie das? Ist es richtig, finanzielle Anreize zu schaffen, damit Kleinkinder zuhause und nicht in der Kita betreut werden? Schreiben Sie uns Ihre Meinung. Wir haben zu diesem Thema einen Blog eingerichtet im Internet unter www.kontraste.de.

Beitrag von Axel Svehla, Katrin Aue, Iris Marx