Werbeplakat der Linken (Quelle: rbb)

- Die Linken im Westen – professionelle Partei oder Chaostruppe?

Die Linkspartei zieht in Niedersachsen und Hessen in die Parlamente ein. In Hamburg hat sie gute Chancen. In Bremen sitzt die Linkspartei bereits seit Mai 2007 in der Bürgerschaft. Die Bilanz: Statt mit professioneller Politikarbeit fällt die Fraktion durch Streit und Chaos auf. Statt an einem Strang zu ziehen, vertreten die Parlamentarier der Linken sehr unterschiedliche inhaltliche Positionen und führen offene Machtkämpfe aus. Chris Humbs über eine Protestpartei ohne klaren Kurs.

Genau 160 Jahre nach dem Kommunistischen Manifest von Marx und Engels geht ein neuer Linksruck durch Deutschland. Schuld ist „Die Linke“. Im Osten längst Volkspartei und dort in allen Landtagen vertreten, im Westen im Kommen. Nach Bremen, Niedersachsen und Hessen, könnte die Linke demnächst auch den Einzug ins Hamburger Parlament schaffen. Was tun? Ignorieren, verteufeln oder akzeptieren? Eine Zerreißprobe für die SPD und die Grünen. Was ist tatsächlich von der Partei zu halten, die im Westen so viele Protest-Wähler anspricht? Kontraste hat sich die Die Linke genauer angeschaut. Chris Humbs war in Hamburg und in Bremen.

Die Zentrale der Partei „die Linke“ in Hamburg. Nach den Erfolgen in Hessen und Niedersachen, sehen die Genossen der Wahl in zwei Wochen entspannt entgegen.

KONTRASTE
„Wie läuft es denn?“
Martin Wittmaack (Die Linke), Landesgeschäftsführer Hamburg
„Läuft ziemlich gut!“
KONTRASTE
„Was sagen denn die Leute, die sie wählen sollen?“
Martin Wittmaack (Die Linke), Landesgeschäftsführer Hamburg
„Was für uns sehr auffällig ist, dass sich die Leute sehr für uns interessieren. Und was auch auffällt, ist, dass die Menschen darauf gewartet haben, dass es eine Partei für soziale Gerechtigkeit wieder in Deutschland gibt – auch in Hamburg.“

Dora Heyenn ist Lehrerin. Sie ist enttäuscht aus der SPD ausgetreten. Nun ist sie die Spitzenkandidatin für „die Linke“ in Hamburg.

Dora Heyenn (Die Linke), Spitzenkandidatin Hamburg
„Wir haben zusammen mit der Linkspartei/PDS uns zusammengetan und jetzt sind wir ein sehr bunter Haufen, wie wir immer ganz leger sagen.“

Sie gibt sich moderat, extreme Positionen sind nicht ihr Ding.

Fürs Extreme steht ein anderer Kandidat auf der Liste. Olaf Harms. Im Internet finden wir in einem Forum folgende Frage an ihn:
Zitat:
„welche Art von Sozialismus schwebt Ihnen denn vor?“

Seine Antwort.
Zitat:
„Zu den Kernelementen des Sozialismus gehört es u. a., dass es kein Privateigentum an Produktionsmitteln mehr gibt …“

Olaf Harms ist Bezirksvorsitzender in der Hamburger DKP. Die
Kommunistische Partei war jahrzehntelang der westdeutsche Ableger der SED.

Olaf Harms (Die Linke), Kandidat Hamburg
„Also ich bin sehr wohl dafür, dass das Privateigentum an Betrieben, an Maschinen, an Grund und Boden, dass das nicht in den Händen einzelner weniger verbleibt, sondern dass das tatsächlich in die öffentliche Hand übergeführt wird.“

Das heißt: Enteignung von Betrieben - wie in der DDR. Die Konsequenz: Mangelwirtschaft, minderwertige Produkte, die eigentlich keiner haben will. Dass die DDR längst untergegangen ist, stört den Kandidaten nicht.

KONTRASTE
„Ist die DDR ein Modell?“
Olaf Harms (Die Linke), Kandidat Hamburg
„Vom Grundprinzip her ja.“

KONTRASTE
„Nun gibt es auch die Leute, die vertreten klassische alte Positionen, wie man sie meinetwegen aus der DDR noch kennt. Also einer der Kandidaten für die Bürgerschaft spricht im Grunde von Enteignung. Wie stehen sie dazu?“
Dora Heyenn (Die Linke), Spitzenkandidatin Hamburg
„Ich kenne niemanden, der die Verhältnisse in der DDR gut heißt.“

Die Spitzenkandidatin weiß offensichtlich nicht, was ihr Mitkandidat wirklich will. Die Linke in Hamburg - zwei Wochen vor der Wahl.

In der Hansestadt Bremen sind die Linken bereits in die Bürgerschaft eingezogen.

Das war im Mai letzten Jahres. Die frisch gewählte Fraktion inspiziert den Parlamentssaal.

Abgeordnete
„Ich setze mich schon mal hin …“
„Ja so geht es…“
„Für mich eine sehr sehr wichtige Frage, wo ist der Raucherraum?“
„Gibt’s nicht mehr!“
„Heißt das, dass ich raus muss?“
„Ja, vor die Tür!“


Wie hat sich die Bremer Linke seither entwickelt – von bunt und lustig hin zum eher Staatstragenden? Wir fragen eine der beiden Fraktionsvorsitzenden?

Monique Troedel (Die Linke), Fraktionsvorsitzende Bremen
„Wir sind in der Tat ein bunter Haufen, das find ich wunderbar, das find ich ganz wunderbar. Das belebt die linke Politik und nicht die Einseitigkeit. Da könnten sich ganz viele Parteien schon aus dieser Sichtweise was abschneiden.“

Prof. Probst hat in dieser Studie erforscht, was der bunte Haufen tatsächlich seit der Wahl bewerkstelligte. Seine Zwischenbilanz: schlechte Arbeit, viel Streit.

Prof. Lothar Probst, Politikwissenschaftler Uni Bremen
„Während des Wahlkampfes hat man die Konflikte zurückgestellt, man wollte gemeinsam einen Erfolg erzielen, dass hat man ja auch geschafft. Aber jetzt, nach dem Erfolg, brechen die alten Konflikte wieder auf. Hier geht es Basis gegen Führung, hier geht es Frauen gegen Männer, da geht es alte WASG gegen Linkspartei.PDS, also wir haben eine ganze Reihe von Konfliktlagen hier bei den Linken in Bremen.“

Unter dem steinernen Roland, dem Schutzpatron des freien Marktes, zeigte sich die Berliner Parteispitze zu Wahlkampfzeiten noch gerne mit den Bremer Linken. Inzwischen duckt man sich weg. Gysi kritisiert die Arbeit der Bremer noch freundlich: „lasst die Leute doch ein bisschen chaotisch sein“.

Und chaotisch geht es wirklich zu:

Die Berliner Zentrale redet von „stalking“ in Bremen. Liebestolle sollen sich in der Fraktionszentrale tummeln. Der Vorwurf wird zwar offiziell zurück genommen – aber egal, Berlin wettert weiter gegen Bremen: die Fraktion betreibe eine „Buchhaltung aus dem Schuhkarton.“ Verzweifelt titelt sogar das Parteiorgan „Neues Deutschland“: „Bremens Linke bietet ein Bild des Jammers“.
Schließlich fordert ein Teil der Bremer Basis den Rücktritt des Fraktionsvorstandes. Doch daraus wird nichts. Der Vorstand feuert seinerseits die beiden basisnahen Fraktions-Geschäftsführer.
Vorläufiger Höhepunkt: Auf Druck der Bundesspitze wurde am Montag ein Vertrauter Lafontaines als neuer Geschäftsführer eingesetzt.

Die Nerven liegen blank. Fraktionssitzung. Laut Aushang ist diese öffentlich. Trotzdem wird unser Kamerateam aus dem Saal geworfen. Die Medien sollen keinen Streit mehr zeigen, viel mehr ein kämpferische, erfolgreiche Parlamentsarbeit.

Peter Erlanson (Die Linke), Fraktionsvorsitzender Bremen
„Wir wollen Unruhe und Transparenz ins Parlament bringen. Und ich kann sagen, das haben wir, das haben wir auch geleistet. Wir haben als erste Fraktion einen Antrag gestellt, dass alle Sitzungen öffentlich sind.“
KONTRASTE
„Es gibt öffentliche Fraktionssitzungen, das Fernsehen darf aber nicht dabei sein. Ein kleiner Widerspruch?“
Peter Erlanson (Die Linke), Fraktionsvorsitzender Bremen
„Nein, das finde ich keinen Widerspruch. Wir haben nur gesagt, wir wollen keine laufenden Kameras bei einer Diskussion in der Fraktion.“
KONTRASTE
„Also die Öffentlichkeit bestimmen Sie, Sie sagen was ist öffentlich?“
Peter Erlanson (Die Linke), Fraktionsvorsitzender Bremen
„Ja, natürlich.“

Er sollte eigentlich der Spitzenkandidat der Bremer Linken werden. Rudolf Hickel. Der Wirtschaftswissenschaftler hat der Partei einen Korb gegeben. Er ahnte wohl, dass mit den Aktivisten in der Bremer Partei nicht viel anzufangen ist:

Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschafler Universität Bremen
„Leider ist zurzeit Bremen dafür ein Beispiel, dass die Fraktionskämpfe, vor allem die gehen ja von Trotzkisten über bestimmte Varianten von Sozialisten und Kommunisten, dass die Flügel so unterschiedlich auseinander liegen, dass deshalb eine Zusammenarbeit, eine effektive Zusammenarbeit nicht möglich ist.“

So kämpft nun jedes Fraktionsmitglied für sich, so gut er oder sie eben kann:

Monique Troedel (Die Linke), Fraktionsvorsitzende Bremen
„Auch das ist ein Instrument, das dazu beiträgt, männliche Dominanz sichtbar zu machen, auf dem Gebiet des Haushaltes nämlich.“
Parlamentspräsident
„Frau Troedel, sehr geehrte Frau Kollegin, wir haben fünf Minuten vereinbart, interfraktionell und sie bewegen sich jetzt bei Minute 7. Ich möchte sie darauf hinweisen…“
Monique Troedel (Die Linke), Fraktionsvorsitzende Bremen
„Meine Rede ist zehn Minuten lang. Ich möchte dann diese Rede unterbrechen, kann ich sie dann gleich weiter fortsetzen?“
Parlamentspräsident
„Das geht nicht, sehr geehrte Frau Kollegin. Nein, aber sie können noch einen Schlusssatz sagen.“

Das Unvermögen einzelner Abgeordneter sorgt für immer neuen Streit.
Sind die Bremer Verhältnisse eine Blaupause für die anderen Linken-Fraktionen, die im Januar den Einzug in die Länderparlamente feierten?

Prof. Lothar Probst, Politikwissenschaftler Uni Bremen
„Die Konflikte, die wir hier in Bremen erlebt haben, aufgrund der Zusammensetzung der unterschiedlichen Strömungen zwischen WASG, Linkspartei, PDS, die sind in Hessen und in Niedersachen genauso vorhanden. Auch dort wird ein Teil der Basis, der Basis, die aus extremistischen Lagern kommt, sicherlich noch ihren Einfluss fordern und da wird es knallen, da kann man sicher sein.“

In Hamburg könnte die linke als Protestpartei ins Parlament einziehen – so die Umfragewerte. Eine ernst zu nehmende linke Politik, darf man nach den Erfahrungen in Bremen, wohl auch hier nicht erwarten.

Morgen treffen sich übrigens alle Fraktionen von der Linken - auch aus den anderen Bundesländern - in Bremen. Zum Erfahrungsaustausch. Vielleicht nach dem Motto „Von Bremen lernen, heißt siegen lernen“ …