Hochzeitsringe auf 50-Euro-Schein
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- Gescheiterte Familienpolitik? - Streit um Ehegattensplitting

Der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert sich um den Haushalt, eine Rollenverteilung zu der auch das Ehegattensplitting beiträgt. Als Familienförderung verbrämt, profitieren von dieser Steuersubvention vor allem Gutverdiener-Ehen, bei denen ein Partner wenig oder gar nichts verdient. Gut 20 Milliarden Euro lässt sich der Staat das jährlich kosten.

Familien mit Kindern - davon brauchen wir mehr in Deutschland. Doch die offizielle Familienpolitik der Bundesregierung hat jetzt ein verheerendes Zeugnis ausgestellt bekommen - ausgerechnet von einer internen Regierungsstudie. Die Familienpolitik sei weitgehend wirkungslos, heißt es. Und zu den besonders unwirksamen Maßnahmen zählen die Gutachter ein Relikt aus der Adenauer-Zeit: das Ehegattensplitting, das vor allem die traditionelle Hausfrauen-Ehe begünstigt. Markus Pohl mit den Einzelheiten über eine Regelung, die aus der Zeit gefallen scheint.

Die Pfeiffers - eine Familie fast wie aus dem Bilderbuch. Das Ehepaar und die vier Kinder wohnen in Dierhagen, gleich an der Ostseeküste. Als Gynäkologe führt Vater Andreas eine gut gehende Praxis im nahen Rostock. Mutter Maren hilft ihrem Mann bei der Buchhaltung. In erster Linie aber kümmert sie sich um die Kinder. Die Frau führt den Haushalt, der Mann macht Karriere.

Andreas Pfeiffer
Gynäkologe

„Da wollten wir eigentlich nie hin, zu so einer Alleinverdienerehe, aber das hat sich eben durch die Kinder Zug um Zug so ergeben, Kind für Kind praktisch."

Eine Arbeitsteilung, die dem Staat sehr viel Geld wert ist. Denn mit dem Ehegattensplitting belohnt er hohe Einkommensunterschiede zwischen den Partnern. Knapp 114.000 Euro brutto verdient Andreas Pfeiffer im Jahr, seine Frau Maren kommt auf 4.800 Euro.

Beim Ehegattensplitting wird nun so getan, als hätten beide jeweils die Hälfte des Einkommens erwirtschaftet. Dadurch wird die Steuerprogression abgemildert, die höhere Einkommen stärker belastet als niedrige. Ihr Splittingvorteil: mehr als 6.700 Euro netto im Jahr.

Andreas Pfeiffer
Gynäkologe

„Sicherlich, wir zählen zu denen, die von diesem Ehegattensplitting profitieren. Wobei ich das auch angebracht finde, weil eben mein Verdienst in der Höhe ja nur möglich ist dadurch, dass meine Frau mir den Rücken freihält, sonst wäre das für mich illusorisch, in diese Höhen vorzustoßen."

Doch muss der Staat dieses Lebensmodell wirklich belohnen? Die Sozialdemokraten haben sich im beginnenden Wahlkampf auf das Ehegattensplitting eingeschossen. Die genauen Pläne sind noch unklar, zumindest für neu geschlossene Ehen aber will die SPD den Steuervorteil deutlich zusammenstreichen.

Manuela Schwesig (SPD)
stellv. Parteivorsitzende

„Die Familien sind heute bunt. Wir haben Alleinerziehende, wir haben Paare mit oder ohne Trauschein, wir haben Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien. Jeder soll sein Lebensmodell leben, aber deshalb kann es auch nicht sein, dass der Staat mit vielen Milliarden Euro ein einseitiges Familienmodell fördert, und zwar das Modell, wo oft er der Alleinverdiener ist und die Frau zuhause ist oder nur dazu verdient."

Tatsächlich bringt das Splitting bei Partnern mit gleichem Einkommen keinen Vorteil. Erst wenn die Einkommensschere auseinander geht, steigt die Steuer-Ersparnis. Am meisten profitieren Einverdienst-Ehen, mehr als 15.600 Euro macht die Subvention bei Spitzenverdienern aus. Ein finanzieller Anreiz, der vor allem Frauen aus dem Berufsleben drängt, so die Steuerrechtlerin Ulrike Spangenberg.

Ulrike Spangenberg
Deutscher Juristinnenbund
Kommission zum Steuerrecht

„Durch das Ehegattensplitting stellt sich bei Eheleuten häufig die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, dass beide Personen erwerbstätig sind, weil der Steuervorteil gerade in hohen Erwerbsgruppen so erheblich ist, dass es vor allem wenn Kinder im Haus sind sozusagen finanziell unattraktiv ist, wenn eine zweite Person erwerbstätig ist. Und das wird als negativer Erwerbsanreiz bezeichnet und häufig sind es die Frauen, die zuhause bleiben, weil sie im Durchschnitt weniger verdienen, und Frauen sind typischerweise für die Kinderbetreuung zuständig."

Es ist eine Art „Hausfrauen-Rabatt", der auf die Ära Adenauer zurück geht. 1958 verabschiedete der Bundestag das Ehegattensplitting. Eine Zeit als die Alleinverdiener-Ehe noch die gesellschaftliche Norm war, und die Geschlechterrollen klar verteilt.

Ehefrau, Archiv-Film
„Ich möchte gerne Hausfrau werden, ich möchte sehr gerne heiraten, dann möchte ich drei oder vier Kinder bekommen."

Zwar durften Frauen damals auch schon eigenes Geld verdienen - aber nur, wenn es der Ehemann erlaubte.

Ehemann, Archiv-Film
„Übrigens, hier fehlt noch ein Knopf!"

Auch wenn sie sich heute gerne modern präsentiert - beim Ehegattensplitting bleibt die Union dem alten Denken verhaftet.

Olav Gutting (CDU)
Mitglied des Bundestages

„Es geht darum, dass wir gemäß Artikel 6 Grundgesetz Ehe und Familie schützen und fördern, und eben dieser Schutz und die Förderung ist ein Teil des Ehegattensplittings, und deswegen wollen wir daran festhalten. Und deswegen ist es auch nicht unzeitgemäß am Ehegattensplitting festzuhalten, denn es geht eben um den Schutz von der Keimzelle der Gesellschaft."

Doch das Splitting fördert Ehen, unabhängig davon, ob sie Nachwuchs haben oder nicht. Selbst ohne ihre vier Kinder - die Pfeiffers hätten nahezu den gleichen Steuervorteil.

Von den 20 Milliarden Euro, die der Staat jährlich verschenkt, kommen rund acht Milliarden Ehepaaren zugute, die keine Kinder haben oder deren Kinder wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen.

Milliarden, die in der Familienförderung dringend gebraucht würden. So wie Helena, Marie und der kleine Jonas wird heute jedes dritte Kind in Deutschland außerhalb der Ehe geboren. Ihre Eltern leben seit sieben Jahren zusammen - ohne Trauschein. Sozialrechtlich sind sie eine Bedarfsgemeinschaft, sie müssen im Notfall füreinander aufkommen. Steuerrechtlich aber gelten sie als Singles. In der Ehe auf ihren Job verzichten, für Katja Schultz würde das nicht in Frage kommen.

Katja Schultz
Leiterin einer Musikschule

„Was ist dann später? Wenn die Ehe auseinander geht oder die Kinder groß werden? Was passiert dann? Die Frauen haben keine Basis, um wieder ins Arbeitsleben einzusteigen, sie haben vielleicht auch gar keine Chance, um einzusteigen. Müssen sich vielleicht selbstständig machen, weil keiner sie einfach anstellt. Sind in einem Alter, weiß man auch nicht wie alt sie dann sind … schwieriger für Anstellungen. Also sie sind ein bisschen verloren dann."

Vor allem nach einer Scheidung drohen Frauen in die Altersarmut abzurutschen. Familienforscherin Jutta Allmendinger macht dafür das Ehegattensplitting mit verantwortlich.

Prof. Jutta Allmendinger
Präsidentin Wissenschaftszentrum Berlin

„Wenn Sie die neuen Renteneingangskohorten ansehen, dann sehen sie, dass Frauen aufgrund ihrer geringeren Arbeitszeiten, die im Moment lohnend sind, weil in der Tat im Moment Geld gespart wird durch höhere Steuererleichterungen, langfristig unglaublich leiden darunter, weil sie eben keine Renten aus eigener Erwerbstätigkeit beziehen, die ihnen ein eigenes Leben ermöglichen."

Fast alle europäischen Länder haben das Ehegattensplitting längst abgeschafft. So wird jeder Bürger individuell, also nach seinem eigenen Einkommen besteuert - unabhängig vom Familienstand. Lediglich der Grundfreibetrag wäre zwischen Ehepartnern noch steuerlich übertragbar. Ein Modell, das nicht nur finanzielle Effekte hätte.

Prof. Jutta Allmendinger
Präsidentin Wissenschaftszentrum Berlin

„Interessanterweise haben auch alle skandinavischen Länder eine Individualbesteuerung, die einhergeht mit einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen, auch mit einem höheren Arbeitsvolumen, also höheren Arbeitszeiten von Frauen. Interessanterweise sind dort auch die Geburtenquoten höher als bei uns. Also von daher würde ich ganz klar eine Individualbesteuerung und dann eine stärkere Förderung von Kindern, insbesondere für jene Personen, die eine solche Unterstützung brauchen und da habe ich natürlich auch die Alleinerziehenden im Boot, die im Moment ganz raus fallen aus diesen Subventionen, wenn ich mal das so bezeichnen darf.“

Die Forderungen, seinen Splittingvorteil abzuschaffen, sieht Andreas Pfeiffer gelassen - solange das Geld auch wirklich in die Förderung der Kinder fließt.

Andreas Pfeiffer
Familienvater

„Ich denke eigentlich, dass die Familie das Entscheidende ist, und der Trauschein ist aus meiner Sicht völlig irrelevant. Gerade für die Gesellschaft ist ja wichtig, dass neue Mitglieder sozusagen gescheit heran gezogen werden oder wie immer man das ausdrücken möchte, und das macht halt die Familie und nicht primär ein verheiratetes Paar oder ein lediges Paar. Das ist dafür nicht relevant."

Und ganz sicher wird uns das Thema Familienpolitik im anstehenden Wahlkampf weiter beschäftigen.



Beitrag von Markus Pohl