Sitz des Bundespräsidenten mit Sektgläsern
rbb
Bild: rbb

- Sponsoring – Fragwürdige Geschäfte mit der Politik

Der Aufschrei war groß, als herauskam, dass sich die CDU in Nordrhein-Westfalen von Unternehmen sponsern lässt. Doch KONTRASTE-Recherchen ergaben: Das Polit- Sponsoring ist Alltag. Ministerien und sogar der Bundespräsident lassen Veranstaltungen komplett von Privatfirmen finanzieren – und die erhalten dafür wertvolle Publicity.

„Rent-a-Ministerpräsident“ – einen Ministerpräsidenten zum Mieten – zu Recht haben wir uns mokiert über die Sponsering-Affäre in Nordrhein-Westfalen. Doch wie es aussieht, ist das nur die Spitze eines Eisberges: Sogar Bundespräsident Köhler, so ergaben unsere Recherchen, lässt seine jährlichen Sommerfeste auf Schloss Bellevue regelmäßig zu 100 Prozent von der Privatwirtschaft sponsern! Sascha Adamek und Susanne Katharina Opalka über das fröhliche Miteinander von Wirtschaft und Politik.

Das jährliche Sommerfest des Bundespräsidenten. Das Top-Ereignis in Berlin für Prominente aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Offiziell will das deutsche Staatsoberhaupt damit bürgerschaftliches Engagement belohnen, auch soziale Initiativen von Unternehmen.

Horst Köhler, Bundespräsident am 06.07.2007
„Und da ist es mir wichtig, wenigstens einmal im Jahr Dankeschön sagen zu können.“

Doch dieses „Danke schön“ will auch bezahlt sein: allein in den Jahren 2007 und 08 hat der Bundespräsident 3,6 Millionen Euro an Sponsorengeldern einwerben lassen darunter hübsche Summen von deutschen Großkonzernen. Doch nicht nur der Bundespräsidenten lässt sich sponsern.

Ob Bundesminister oder Landesvater – wer in der Politik auf sich hält, lädt gern auch mal ein: politische Feste sind beliebt. Und: den Steuerzahler kosten sie häufig keinen Cent, denn die Zeche zahlen Unternehmen und Lobbyverbände.

Der Präsident des Fachverbandes Sponsoring erklärt, dass es den Unternehmen dabei nicht nur um die Markenwerbung geht:

Bernd Reichstein, Präsident Fachverband Sponsoring
„Es ist ja auch so, dass die Zielgruppe, die der Sponsor erreicht bei dieser Veranstaltung, ja eher eine Zielgruppe ist, die nicht in erster Linie zur Produktverwendung dieses Sponsors gehört, sondern das ist eine Zielgruppe, wo er im Prinzip Business und politische Kontakte sucht.“

Wer wie viel für welchen Zweck gibt, das listet das Bundesinnenministerium auf: Im jüngsten Sponsoringbericht nennt es Zahlen und Namen. Die Geldgeber: die Creme de la Creme der deutschen Wirtschaft. Für die Jahre 2007 und 08 kommt für alle Bundesministerien und das Bundespräsidialamt eine Summe von insgesamt 78 Millionen zusammen.

Auf den ersten Blick eine gute Sache. Aber darf der Staat sich von der privaten Wirtschaft fördern lassen? Der Staatsrechtler Professor Christian Pestalozza sieht dadurch das Bild vom neutralen Staat angekratzt:

Prof. Christian Pestalozza, Staatsrechtler, Freie Universität Berlin
„Von diesem Bild der zugleich ein gewisser Garant für die Neutralität staatlichen finanzwirksamen Handelns ist entfernt sich ein Staat, der sich sponsern lässt.“

Aber warum geben Unternehmen so bereitwillig? Wir fragen beim Bundespräsidialamt an.
Werben dürfen die Sponsoren mit ihrem Engagement jedenfalls nicht, teilt das Amt KONTRASTE schriftlich mit. Zitat: „Die externe Werbung mit Fotos des Bundespräsidenten ist untersagt.“

Doch wer überprüft das? Wir machen den Test. Und finden zahlreiche Unternehmen, die erst gesponsert haben und dann im Internet mit ihrer Präsenz beim Sommerfest werben. Ihre Teilnahme beim Fest war ihnen viel Geld wert. Auf Anfrage teilen sie uns mit, das sei keine Produktwerbung, sondern als „Veranstaltungshinweis“ gedacht. Der Bundespräsident als Werbeträger?

Der Verwaltungsrechtler Professor Ulrich Battis sieht das Amt beschädigt.

Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtler, Humboldt-Universität Berlin
„Nach deutschem Verständnis ist es schon mit der Würde des Amtes nicht vereinbar, wenn von Vorgaben, die für alle Behörden gelten und insofern ist auch das Bundespräsidialamt eine Behörde, wenn die verletzt werden.“

Doch nicht allein dadurch droht der Würde des Amtes Gefahr. Mit der Sponsorenwerbung und der Organisation des Sommerfestes hat das Bundespräsidialamt eine Berliner Agentur beauftragt: Clausecker und Bingel, kurz: CB.e. macht das seit drei Jahren und erhielt 2009 den Zuschlag für weitere 5 Jahre.

Das Fest kostet durchschnittlich 1,8 Millionen Euro im Jahr, macht für eine Agentur üblicherweise eine Marge von 10 Prozent, also einen Auftragswert von mindestens 180 000 Euro, wie Branchenkenner schätzen. Öffentliche Aufträge müssen aber ab 125.000 Euro europaweit ausgeschrieben werden. Doch genau das geschah hier nicht, sondern es gab nur eine beschränkte Ausschreibung – wie dieses interne Dokument belegt. Für Rechtsexperten ein problematischer Vorgang:

Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtler, Humboldt-Universität Berlin
„Wenn die Europarechtlich vorgeschriebenen Schwellenwerte verletzt worden sind, dann liegt ein klarer Rechtsverstoß vor, der auch gerichtlich eingeklagt werden kann.“

Das Bundespräsidialamt sieht das ganz anders. Rechtswidrig könne das gar nicht sein, weil nach dem Vertrag mit CB.e für die Ausrichtung des Sommerfestes kein Honorar aus öffentlichen Mitteln vereinbart worden sei, so eine Stellungnahme an KONTRASTE.

Noch ein Problem: Die Agentur CB.e tritt selbst als Sponsor für das präsidiale Fest auf: in den Jahren 2007 und 2008 mit Sponsoringleistungen im Wert von 72.500 und 75.000 Euro. Ein Auftragnehmer sponsert den Auftraggeber – in der Branche nennt man das Kickback-Geschäft An der privaten Hochschule Hertie School of Governance ist man traditionell offen für das Engagement der Wirtschaft in der Politik. Was hält man hier von solchen Praktiken?

Prof. Ulrich K. Preuss, Hertie School of Governance
„Wenn so etwas geschieht, dann sieht das so aus als wenn es so eine Art von Austauschbeziehung gibt zwischen der öffentlichen Verwaltung auf der einen Seite und dem Sponsor auf der anderen Seite. Der Sponsor erhält den öffentlichen Auftrag und die öffentliche Verwaltung erhält eine Vergütung, oder eine Wohltat. Und das ist etwas, was auf jeden Fall vermieden werden muss, weil es den Eindruck von Korruption erweckt.“

Die Agentur CB.e weist gegenüber KONTRASTE diese Vorwürfe auf das Schärfste zurück. Im Gegenteil habe man mit den Festen bislang, Zitat:
„keinen betriebswirtschaftlichen Gewinn“ realisiert und leiste vor allem „Sachsponsoring.“ Und: „Die Behauptung einer so genannten Kick-back-Zahlung ist nicht zutreffend.“

Das Bundespräsidialamt teilt KONTRASTE auf Anfrage hierzu lapidar mit, Zitat:
„Der Beitrag von CB.e umfasst eine Sachsponsoringleistung, die weder gefordert noch erwartet wurde.“ Auch habe sie „die Auswahlentscheidung nicht beeinflusst“.

Doch ganz so einfach ist es nicht: der Bundesrechnungshof in Bonn ist zuständig für die Kontrolle des Regierungssponsorings. Hier nimmt man die KONTRASTE-Recherchen sehr ernst und will nun eine Prüfung des Bundespräsidialamts einleiten.

Übrigens: nur auf Druck des Rechnungshofes gibt es überhaupt Regeln für das Sponsoring von Bundesbehörden. Auch gegen die wird verstoßen. Denn in der KONTRASTE vorliegenden internen Dienstanweisung des Innenministeriums heißt es, Zitat:
„Private Mittel können nur als ergänzende Finanzierung in Betracht kommen. Dabei muss die Kostenteilung in etwa ausgeglichen sein.“

Im Klartext: weder der Bundespräsident noch andere Bundesbehörden dürfen ihre Feste zu hundert Prozent von Unternehmen und Lobbyverbänden sponsern lassen. Wenn die Repräsentanten des Staats kein Geld haben, müssen sie das Feiern eben bleiben lassen.


Beitrag von Sascha Adamek und Susanne Katharina Opalka