Eingang zur WestLB (Quelle: rbb)

- WestLB: Neue Vorwürfe in der Flugaffäre des heutigen Bundespräsidenten Johannes Rau

Nach KONTRASTE-Recherchen war der nordrhein-westfälischen Landesregierung schon 1997 klar, daß der "Flugservice" der WestLB für Regierungsmitglieder steuerrechtlich fragwürdig ist.

Auch aus dem Westen - was Neues! In der unendlichen Geschichte der tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten: Richtig verwöhnt müssen sie sich haben lassen, die Vertreter der Nord-Rhein westfälischen Landesregierung, über den Wolken. Teuer genug waren die Flüge ja: Düsseldorf - Berlin etwa, 21.000 Mark. Das Ticket? Hat die West LB ihrer Regierung spendiert. Wer die Rechnungen bezahlt hat?
Die Steuerzahler. Das hat die Bank mit einem Bilanztrick hingekriegt. Johannes Rau, der Ministerpräsident von damals und Wolfgang Clement, der Wirtschaftsminister von damals? Haben es natürlich so nicht gewußt. Kann denn Fliegen Sünde sein...? Wollten René Althammer und Florian Meesmann wissen.

Der Düsseldorfer Landtag. Hier sucht seit Monaten ein Untersuchungsausschuß in Aktenbergen nach der Wahrheit in der Flugaffäre. Über 100 mal sind Mitglieder der Landesregierung auf Kosten der Westdeutschen Landesbank in die Luft gegangen. Im Zentrum der Affäre Bundespräsident Johannes Rau und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement. Beide wehren sich verzweifelt gegen die immer neuen Vorwürfe:

Wolfgang Clement, Ministerpräsident NRW , 28.01.2000:
"Was Sie betreiben,, das ist in meinen Augen wirklich der Versuch, der systematische Versuch der politischen Verleumdung."

Johannes Rau, Bundespräsident, 15. 12. 1999:
"Ich kenne keinen Fall in dem Gesetze umgangen worden sind.

Der Kölner Steuerrechtsexperte Dr. Jürgen Pelka ist da ganz anderer Meinung. Für ihn ist klar, die Politikerflüge auf Kosten der WestLB verstoßen gegen Recht und Gesetz:

Dr. Jürgen Pelka, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft:
"Wenn die Westdeutsche Landesbank Flüge für das Land bezahlt und zwar unabhängig, ob es Privatflüge der Politiker waren oder Regierungsflüge gewesen sind, wenn die Westdeutsche Landesbank solche Flüge bezahlt nimmt sie Aufgaben für ihre Gesellschafter wahr, für das Land und das ist nach dem deutschen Steuerrecht eindeutig nicht zulässig. Wenn die Bank diese Betriebsausgaben gegenüber dem Finanzamt erklärt, obwohl es keine Betriebsausgaben sind, dann nennt man das Steuerhinterziehung, und darüber hinaus, das ist eine feste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, darf eine Gesellschaft auch keine Leistung ihrem Gesellschafter gegenüber erbringen. Das nennt man Untreue."

Politiker fliegen, die Landesbank zahlt, diese Praxis ist ein klarer Rechtsbruch.

Nach Kontraste Recherchen wußte die Landesregierung unter Johannes Rau schon seit 1997, daß die Flüge rechtlich fragwürdig sind.

Rückblick. 3. September 1996. Steuerfahnder durchsuchen die Westdeutsche Landesbank. Der Verdacht: Illegaler Geldtransfer ins Ausland. Hier werden die Beamten erstmals auf das Flugunternehmen PJC aufmerksam.
Einen Monat später durchsuchen die Fahnder die Firma am Düsseldorfer Flughafen. Dabei stellen sie fest, daß Johannes Rau und seine Minister über Jahre hinweg regelmäßig auf Kosten der WestLB geflogen sind.

Nach KONTRASTE-Recherchen verfügte die Steuerfahndung bereits im Februar 1997, also vor drei Jahren, über eine komplette Liste der PJC-Flüge bis 1994, einschließlich der Politikerflüge auf Kosten der West LB. Bald stellen die Steuerbehörden fest: Der Chef der WestLB, Friedel Neuber, hat die Flüge seiner politischen Freunde bisher als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt. Ein klarer Rechtsverstoß von Bank und Landesregierung:

Dr. Jürgen Pelka, Steuerjuristische Gesellschaft:
"Wenn ein Politiker eine solche Maßnahme veranlaßt, billigt, weiß und auch durchführen läßt, dann ist er Beteiligter einer solchen Tat, und auch einer solchen Straftat und müßte also auch strafrechtlich genauso gewürdigt werden, wie der Mitarbeiter der es konkret gemacht hat.
Frage Was wäre der strafbare Hintergrund ?
Das ist die Steuerhinterziehung, mitwirkende Steuerhinterziehung, und: Das ist die Untreue."

Im Frühjahr 1998 einigen sich die Steuerbehörden und die WestLB. Die Finanzierung der Politikerflüge gilt jetzt als sogenannte "verdeckte Gewinnausschüttung".; daß heißt, die Bank muß Steuern nachzahlen. Allein die Flüge bis 1994 kosten Bankchef Neuber nun fast das Doppelte, rund 1, 3 Millionen Mark. Neuber ist sofort einverstanden, die Flüge ab 1995 werden bis heute noch geprüft.

Die Landesregierung wußte seit Februar 1997, also seit über drei Jahren, von den brisanten Ermittlungen der Steuerfahndung. Finanzstaatssekretär Ernst Gerlach wurde zu diesem Zeitpunkt von den Vorgängen unterrichtet. Das bestätigte das Finanzministerium gestern gegenüber KONTRASTE. Die Öffentlichkeit erfährt von alldem freilich nichts.

Szenenwechsel.
Der nordrheinwestfälische Landtag im Frühjahr 1998. Die Ablösung von Johannes Rau als Ministerpräsident steht unmittelbar bevor. Sein Kronprinz, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, fordert endlich die Macht am Rhein.
Zu dieser Zeit will die CDU in einer kleinen Anfrage wissen, ob Mitglieder der Landesregierung auf Kosten der WestLB geflogen sind:

Michael Breuer, MdL CDU
"Wir haben gefragt, wie das denn mit den Kosten ist und warum die denn im Haushalt drin sind und wie das alles von statten geht. Wir haben damals eine Antwort bekommen, die etwa fünf oder sechs Zeilen umfaßte, die keine Aussagen dazu machte, nur : Es sei alles in Ordnung, rechtmäßig und damals sprach man noch von einer Anzahl von Flügen von 27."

Eine glatte Lüge gegenüber dem Parlament.
Außerdem hält die Landesregierung den Flugservice der WestLB "im Einklang mit bundes -und landesrechtlichen Vorschriften" für " sinnvoll und korrekt"

Kein Wort von den Ermittlungen der Steuerfahndung, kein Wort von den zahlreichen Flügen des Ministerpräsidenten Rau, kein Wort davon, daß bereits weit mehr Politikerflüge auf Kosten der West LB bekannt waren.

Damals verantwortlich: Der oberste Dienstherr der Steuerfahndung, Ex-Finanzminister Heinz Schleußer, gemeinsam mit dem damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement.
Doch die Opposition läßt nicht locker und fragt nach, diesmal direkt bei Johannes Rau in der Staatskanzlei. Der läßt am 11. Mai 1998 ausrichten:

Zitat
.., daß nur die beiden für die WestLB zuständigen Minister, (gemeint sind Schleußer und Clement) , in diesem Zusammenhang von der WESTLB gecharterte Jets genutzt haben."

Verantwortlich für diese neuerliche Lüge ist Rüdiger Frohn, damals Leiter der Staatskanzlei, heute Leiter des Bundespräsidialamtes. Auch er verschweigt die zahlreichen Flüge von Johannes Rau. Dabei ist Frohn sogar gemeinsam mit Johannes Rau auf Kosten der West LB geflogen. Laut Flugliste der Bank am 31. Januar 1996 nach Brüssel.

Warum haben der alte und der neue Ministerpräsident Parlament und Öffentlichkeit jahrelang getäuscht ? Für die Opposition in Nordrhein-Westfalen sind die Motive klar.

Laurenz Meyer, CDU Fraktionsvorsitzender Landtag NRW
"Herr Rau wollte Bundespräsident werden, und das hätte sicher schlecht in die Aufstellungskampagne der SPD gepaßt. Und der Ministerpräsident Clement wollte damals Ministerpräsident werden. Das belegt sicher, warum hier, an der Stelle und zu diesem Zeitpunkt, falsche Auskünfte gegeben worden sind."

Noch vor wenigen Wochen beteuerte der Bundespräsident die Rechtmäßigkeit der Flüge in der ARD

Johannes Rau, Bundespräsident, 15. 12. 1999
"Daß es solche Hilfestellungen gibt, halte ich nicht für vorwerfbar, wenn das alles steuerrechtlich vernünftig und richtig und gesetzmäßig behandelt wird. Man darf Gesetze nicht umgehen. Und ich hoffe, daß das auch nie geschehen ist. Ich kenne keinen Fall, in dem Gesetze umgangen worden sind."

Ein Interview mit Kontraste zu den neuen Vorwürfen lehnt der Bundespräsident ab.

Über seine Anwälte ließ er mitteilen: die damalige Anfrage, Zitat
"konnte nicht dahingehend verstanden werden, daß auch nach den Flügen des Ministerpräsidenten gefragt wurde."

Zu den frühzeitigen Erkenntnissen der Finanzbehörden kein Wort.
Die Düsseldorfer Staatskanzlei verweigert jede Auskunft.
Doch die Forderung der Opposition nach politischen Konsequenzen wird immer lauter.

Laurenz Meyer, CDU- Fraktionsvorsitzender Landtag NRW
"Wenn der Ministerpräsident Clement zum damaligen Zeitpunkt davon gewußt hat und trotzdem das Parlament so belogen worden ist, und wenn Herr Rau davon gewußt hat, dann muß sich der Bundespräsident langsam fragen, wie lange er noch mit sich selbst vereinbaren kann, im Amt zu bleiben."

Inzwischen prüft die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft die Politikerflüge. Eine strafrechtliche Bewertung steht noch aus.


Und nun? Daß Lügen heutzutage "Fehler" oder "Dummheit" heißen, wissen wir. Für das Wort "Verantwortung" gibt es noch keine schöne Umschreibung. Gezogen hat sie bislang nur einer der tollkühnen Männer.