Hermann Röchling
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- Kriegsverbrecher als Namensgeber - Wie sich das saarländische Völklingen halbherzig von Hermann Röchling distanziert

Vor über einem Jahrzehnt hatte KONTRASTE bundesweit Aufsehen erregt, als wir über den verurteilten Kriegsverbrecher Hermann Röchling berichteten, dessen Namen ein Stadtteil im saarländischen Völklingen trägt. Jetzt wollten die Stadtväter dem Spuk endlich ein Ende machen und waren fast konsequent.

Er ist ein verurteilter Kriegsverbrecher, ein Antisemit, mitverantwortlich für die Zwangsarbeit von Juden. Doch das reicht alles offenbar nicht aus, um sich von dem einstigen Waffenindustriellen Hermann Röchling zu distanzieren. Im Gegenteil: Bis heute ist im Saarland voller Stolz (!) ein ganzer Stadtteil nach Hermann Röchling benannt. Dabei hatten diese anhaltende Ehrung für einen Nazischergen schon vor über einem Jahrzehnt für Aufsehen gesorgt. Kontraste war damals vor Ort und berichtete über die so genannten Hermann-Röchling-Höhe. Der Ortsname blieb – entgegen aller Proteste. Jetzt tut sich wieder was in Völklingen. Unser polnischer Kollege Adam Gusowski, unterstützt von Chris Humbs, ist ins Saarland gereist.

Ich bin Pole und auch meine Familie wurde Opfer der Nazis.

Meine Oma hat man in einen Viehwaggon gestopft, und nach Deutschland verfrachtet. Dort wurde sie als Zwangsarbeiterin ausgebeutet.

Röchling-Transporte hießen solche Deportationen für die kriegswichtigen Industrien.

Benannt nach Hermann Röchling. Er war mitverantwortlich für die Versklavung von Millionen. Zehntausende starben unter Röchling, dem Stahlbaron von Völklingen, dem Wehrwirtschaftsführer.

Er war Hitlers Freund, Hitlers Mann an der Saar. Hier im Führerhauptquartier mit Speer, dem Rüstungsminister.

Ich bin im Saarland. In Völklingen. Genauer: dem Stadtteil Hermann-Röchling-Höhe.

Ganz offiziell ist der Ort nach einem verurteilten Kriegsverbrecher benannt.

Diese Namensgebung finden hier ein paar Leute nicht so gut. Sie fordern eine Umbenennung. Die Gegner der Namensgebung stoßen aber bei den Befürwortern des namens auf erbitterten Widerstand.

Demonstrant
„Bedrückend finde ich es, wenn Drohbriefe auftauchen, wenn einer einzelnen Person dann auch mal angekündigt wird, man werde das Haus anzünden."

Den Außenseitern steht eine Bürgerinitiative entgegen - die „Pro Hermann-Röchling-Höhe". Man schätzt 80% der Einwohner stehen hinter der Bewegung:

Demonstrant
„Was man hier dem Röchling vorwirft … Es gibt immer zwei Seiten."

Zeit sich die Hermann-Röchling-Höhe genauer anzuschauen.

Siedlungshäuser aus den 30er Jahren. Es wirkt alles recht ruhig. Ich frage nach.

KONTRASTE
„Wir sind hier um über Hermann Röchling zu sprechen. Die soll ja jetzt umbenannt werden, die Höhe. Was halten sie davon?
Anwohner
„Gar nichts."
KONTRASTE
„Soll die bleiben, oder was?"
Anwohner
„Ja natürlich. Ich will ihnen auch sagen warum: die Deutschen, das sind alles Korinthenkacker. 65 Jahre ist der Krieg aus. Jeder hat vom Röchling hier gelebt, gut gelebt. Ich auch. Ich hab mir ein Haus leisten können, ja, und auf einmal, nach 70 Jahren wars ein Verbrecher."

Anwohner
„Sie sollen es so lassen, wie ist."
KONTRASTE
„Hermann Röchling?"
Anwohner
„Ja, Hermann Röchling. Röchling. Das ist doch alles Quatsch da. Das bringt doch nichts. Sie sollen doch alles in Ruhe lassen, wie es ist.

Der Oberbürgermeister zeigt mir die Ehrenbürgergalerie im Rathaus. Hitler ist tot, er wurde inzwischen abgenommen. Röchling ist auch tot, hängt aber noch.

Bürgermeister
„Das sind diejenigen, die früher Ehrenbürger waren."

Berührungsängste hat man keine. Erklärungsversuche:

Klaus Lorig (CDU)
Oberbürgermeister Völklingen

„Ich sag mal so, der Umgang mit der jüngsten deutschen Geschichte zu Zeiten des Nationalsozialismus ist sehr schwierig. Und die Menschen nach dem Krieg, das muss man ja auch sehen, haben versucht das alles schnell wegzudrücken und man hat die Gestalt Hermann Röchling einfach gesehen in seinem Wirken für die Menschen vor Ort."

Negatives wegdrücken, Positives hervorheben. Die Völklinger Hütte.

Größter Arbeitgeber der Region. Eine Blütezeit hatte sie unter dem Nationalsozialismus. Damals entstand die Hermann-Röchling-Siedlung für die Arbeiter.

Die stillgelegte Hütte ist heute Weltkulturerbe der UNESCO. Laut UNESCO-Satzung ein Mahnmal für den Frieden.

Ich finde aber nur eine Ferrari-Wanderausstellung, die nichts mit der Hütte, Völklingen oder der Nazizeit zu tun hat.

Es soll hier mal eine Gedenktafel für die ermordeten Zwangsarbeiter gegeben haben, die auch hier zu Tausenden eingesetzt wurden.

Sie ist weg.

KONTRASTE
„Können sie mir noch mal die Stelle zeigen, wo die Tafel war, so ungefähr?"
Pressesprecher
„Da, wo praktische jetzt die Lampe hängt."
KONTRASTE
„Da, wo die Lampe ist? Wo ist die Tafel jetzt? Unten, im Keller?"
Pressesprecher
„Nee, weiß ich nicht!“

Weder der Pressesprecher noch die Menschen in Völklingen finden in ihrem riesigen Museum etwas zu den Schicksalen der Zwangsarbeiter. Zu Menschen, wie meine Oma. Es gibt nichts zu den werkseigenen Umerziehungslagern, den Schnellgerichten. Wie soll so jemals Mitgefühl oder Respekt den Opfern gegenüber erwachsen?

Dieses Ausblenden der Verbrechen und die Huldigung Röchlings in der Siedlung weckt sogar das Interesse der Hauptnachrichten des Französischen Fernsehens.

Mit diesem steigenden Druck wird im Rathaus eine geniale Idee geboren - der Bürgermeister will jetzt per Stadtratsbeschluss etwas am Ortsnamen ändern und doch alles beim Alten lassen.

Klaus Lorig (CDU)
Oberbürgermeister Völklingen

„Man kann durchaus darüber diskutieren, ob man den Vornamen Hermann mittransportiert. Ich habe ja immer gesagt, dass man damit Probleme haben kann. Aber dann muss man halt eben den Vornamen streichen und dann Röchling-Höhe sagen."

Hermann, der Vorname, soll weg. Röchling, der Nachname, darf bleiben.

Die Kollegin aus Frankreich bringt den Clou auf den Punkt:

Reporterin Französisches Fernsehen
„Wenn ich das höre, ich finde es ein bisschen lächerlich, vielleicht. Es ist das gleiche irgendwie, Vorname oder Nachname. Der Typ ist mit seinem Nachnamen bekannt. Von daher..."

Aus Hermann-Röchling Höhe wird Röchling Höhe.

Das nennt der Stadtrat einen fairen Kompromiss.

In dem sich die Gegner des Namens nicht wieder finden. Nur der Name Röchling-Höhe könnte zudem als Ehrung des Röchling-Clans verstanden werden. Damit würden neben Hermann noch zwei weitere Kriegsverbrecher aus der Familie geehrt werden. Ernst und Robert Röchling. Aus eins mach drei.

Das bringt mich auf eine Idee. Ein Zusatzschild. Das ist ehrlich und keiner kann mehr sagen, die Stadt würde etwas unter den Teppich kehren.

Und mit dieser Idee gehe ich zur Kneipe auf der Hermann-Röchling Höhe.

Gast
„Antisemit, Wehrwirtschaftsführer, verurteilter Kriegsverbrecher. Warum nicht. Das entspricht der Wahrheit. Und warum soll man der Wahrheit nicht in Auge sehen. Entspricht der Wahrheit. Das ist in Ordnung."
Gast
„Da habe ich gar nichts dagegen, wenn das herkommt."
KONTRASTE
„Was halten sie davon?"
Gast
„Gut, gut."

Die Idee kommt an.

Aber es ist schon alles zu spät

Der Stadtrat beschließt mit Stimmen der CDU, FDP und SPD die Umbenennung von Hermann Röchling Höhe in Röchling-Höhe. Ohne Zusatzschild.

Ein großer Tag für das Saarland. Ich fahre lieber wieder nach Hause.