Kaputtes Fenster, Bild: rbb

- Terror im Kiez - Linksextreme bedrohen Zugezogene

In Berlin steigt die Zahl linksextremer Gewalttaten seit Jahren kontinuierlich an. Das angebliche Ziel der Linksautonomen: Gentrifizierung verhindern, Flüchtlinge schützen. Um das zu erreichen, terrorisieren sie Normalbürger und Gewerbetreibende. Bei den exakt geplanten Angriffen hat die Polizei meist das Nachsehen. Die Linke und die Bündnisgrünen, einst treue Verbündete der Autonomen, fordern jetzt "Null Toleranz" gegen Gewalt von links.

Anmoderation
Im Kampf gegen Rechtsextremismus finden sich viele Verbündete. Zum Glück. Doch die Gefahr, die von gewaltbereiten Linksextremisten ausgeht, haben viele nicht auf dem Schirm. Dabei nimmt die Zahl der Gewalttaten aus der linksextremen Szene bundesweit zu. Ziel der Gewalttäter: Die Bürger einzuschüchtern und zu terrorisieren. Erst kürzlich sorgte in Berlin ein Brandanschlag auf Anlagen der Deutschen Bahn für ein Verkehrschaos in der Millionenstadt. Bahnsteige waren völlig überfüllt, weil S-Bahnen ausfielen. Tausende Pendler kamen nur noch mit Bussen voran. Die Ursache: Ein Brandanschlag auf einen Kabelschacht. So genannte autonome Gruppen bekannten sich zu der Tat. Ein Beispiel, das zeigt, wie groß das Gewaltpotential der militanten linken Szene in Berlin inzwischen ist. Auch ganz normale Bürger, Gewerbetreibende oder Mieter geraten ins Visier der Autonomen, vor allem, wenn sie zu den sogenannten Besserverdienenden gehören. Dahinter verbirgt sich ein perfider Anspruch: Die Autonomen wollen bestimmen, wer, wo und auf welche Weise leben darf. Jo Goll und Olaf Sundermeyer berichten.

Die Überwachungskamera eines Ladens in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Täter kommen mitten in der Nacht. Blitzschnell und gezielt. Präzise vorbereitet.

Das Ergebnis: Zehntausende Euro Schaden an einer neuen Wohn- und Geschäftsanlage. Betroffen: einfache Gewerbetreibende, ein kleiner Blumenladen, eine Boutique für Tanzmode. Doch auch junge Familien fühlen sich von den Angreifern bedroht:

Anwohnerin
"Man fühlt sich unsicher. Also, dass Leute einfach denken, dass sie das Recht haben, Sachen kaputt zu machen. Das bringt Angst."

Die Täter: Linksextreme. Auch bei diesem Geschäft für Designer-Sofas in Kreuzberg. Weil diese angeblich teuer sind, werfen linksextreme Gewalttäter Steine. Vier Mal schon hagelten bis zu 80 Pflastersteine gegen die Fensterfront. Innerhalb eines Jahres. Die drei jungen Geschäftsinhaber wollen sich vor der Kamera nicht äußern. Aus Angst vor dem linken Terror im Kiez.

Auch in der Wohnung im ersten Stock gingen Scheiben zu Bruch. Dieser Familienvater, der nicht erkannt werden will, hat den letzten Angriff beobachtet.

Hausbewohner
"Erstmal war ich geschockt. Dann habe ich gesehen, wie vermummte Leute, die schwarz angezogen waren, Steine warfen. Unsere Kinder waren in Panik. Wenn Sie die Steine vor die Scheiben klatschen hören, ist das wie ein Einschlag."

Unter ihm im Sofaladen denken die drei jungen Betreiber bereits darüber nach, für ihren Laden einen anderen Standort in Berlin zu suchen.

Wegziehen. Aufgeben. Diese Entscheidung hat er für seine Familie schon getroffen.

Hausbewohner
"Die Sicherheit meiner Familie, die liegt mir am Herzen. Wir haben das Glück, dass ich mit meiner Arbeit nicht ortsgebunden bin, auch nicht an Berlin. Deshalb werden wir die Stadt wohl verlassen."

Was aber genau wollen die Gewalttäter erreichen? Wir treffen Tom Schreiber, Innenpolitiker der Berliner SPD. Er beobachtet, dass Teile der linksextremen Szene bestimmen wollen, wer, wo leben darf:

Tom Schreiber (SPD)
Mitglied des Abgeordnetenhauses

"Die linke Szene, bzw. die autonome Szene gerade hier in Berlin verfolgt ganz klar das Ziel, Menschen zu verdrängen, und da ist es mittlerweile völlig unabhängig ob es letzten Endes Familien sind, ob es Menschen sind, die Eigentum erworben haben, oder ob es Menschen sind, die Gewerbe treiben wollen."

In den innerstädtischen Bezirken Berlins ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware. Und nirgendwo gibt es mehr Mieter als hier. Kein anderes Thema in der Hauptstadt wird so emotional diskutiert wie die rasant steigenden Mieten. Teile der linksextremen Szene wollen nicht mitdiskutieren. Ihre Antwort sieht so aus:

Die Links-Autonomen wollen der Staatsmacht zeigen, wer im Kiez das Sagen hat. Sie schrecken nicht einmal mehr davor zurück, Polizisten mit Brandsätzen anzugreifen.

Die Gewalt der linksextremen Szene in Berlin folgt einem Plan. Auf der sogenannten Berliner Liste wird unverhohlen zur Gewalt aufgerufen – gegen 110 Adressen in der Stadt. Darunter Neubauten, Architekten, Läden. Sogar Gerichte, an denen Mietsachen verhandelt werden. Rund 20 Prozent der Liste sind, so heißt es, "abgearbeitet". Eine Agenda der Gewalt.

Das Landeskriminalamt Berlin registriert im ersten Halbjahr 2014 einen Anstieg von linksextremen Attacken – um über ein Drittel. Hochgerechnet heißt dies: Eine Gewalttat pro Tag in Berlin. Dabei stellen die Beamten einen Strategiewechsel fest: Während die Gewalttaten früher überwiegend aus Demonstrationen heraus begangen wurden, agiert die Szene heute konspirativ, aus dem Verborgenen.

Wolfram Pemp
Landeskriminalamt Berlin

"Straftaten von Kleingruppen, die meist in der Dunkelheit und nachts begangen werden, wie Brandanschläge, oder Steinwürfe auf Luxusimmobilien, Farbanschläge, all diese Dinge, wo wir feststellen ja, das scheint sozusagen ein bisschen der Trend zu sein."

Für ihre Gewaltaktionen findet die Szene abenteuerliche Begründungen. Im Bekennerschreiben für den Anschlag auf ein Wohnprojekt im Prenzlauer Berg etwa muss die missliche Lage zahlreicher Flüchtlinge in Berlin herhalten. Sie hatten versucht, sich mit einem Dauer-Camp in Kreuzberg einen unbegrenzten Aufenthalt zu erstreiten.

Wolfram Pemp
Landeskriminalamt Berlin

"Gentrifizierung, also Zwangsräumung, Mieten, Flüchtlingsproblematik, all das sind sozusagen Themen, die viele Menschen tatsächlich betreffen und auch nahe gehen, und wo man einen entsprechenden Anschluss und Brückenschlag hin bekommt, und insofern kann man, glaube ich, schon sagen, dass diese Themen auch durch die linksextremistische Szene im Teil instrumentalisiert wird."

Dirk Stegemann, seit Jahren linker Aktivist. Keiner der Gewalt propagiert.  Aber einer, der weiß, was die Gewalttäter denken. "Steine werfen" rechtfertigt er als einen Akt der Notwehr.

Dirk Stegemann
linker Aktivist

"Ein gewalttätiges System, das Menschen ausgrenzt, entrechtet, mit Repressionen und Sanktionen begegnet, erzeugt im Umkehrverfahren wieder neue Gewalt."
KONTRASTE

"Gegen wen oder was?"
Dirk Stegemann
linker Aktivist

"Gegen all jene, die jetzt als Gewinner oder Profiteure genau dieser Verhältnisse am Ende angesehen werden."

Gewalt vorgeblich im Sinne der Schwachen. Doch die sind es gerade nicht, die Steine werfen. Wer aber in der Flüchtlingsfrage nicht voll und ganz an der Seite der linken Unterstützer steht, wird zum Feind erklärt. Wie die SPD. 25 Angriffe auf SPD-Parteibüros gab es in den vergangenen zwei Jahren allein in Berlin. Getroffen hat es auch den Abgeordneten Erol Özkaraca, dessen Büro auch schon von Neonazis attackiert wurde:

Erol Özkaraca (SPD)
Mitglied des Abgeordnetenhauses

"Ich wusste nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte. Weil – wie gesagt – die rassistische SPD hervorzuheben durch einen Gewaltanschlag auf einen Abgeordneten mit einem Migrationshintergrund, zeigt einfach nur, wie irre die Typen sind."

Der Politologe Uwe Backes glaubt nicht, dass es den linken Extremisten um die Anliegen der Flüchtlinge geht. Vielmehr gehe es um die Vorherrschaft im Kiez. Eine Strategie, die er von anderen Gewalttätern kennt:

Prof. Uwe Backes
Extremismusforscher
Hannah Ahrendt-Institut Dresden

"Die Verdrängungsprozesse ähneln ja strukturell dem, was wir sehen bei rechten gewaltaffinen Cliquen, die "national befreite Zonen" ausrufen und die Gegend von linken "Zecken" und "Fremden" säubern wollen. Das ist der Jargon dieser Szene und da gibt es sicherlich strukturelle Gemeinsamkeiten."

Die Quittung für derartige Thesen: Der Extremismusforscher erhielt von Berliner Linksextremisten per Post eine eindeutige Drohung.

In den Fokus der Linksextremisten sind  auch die Grünen geraten, die lange Zeit als ihre politischen Verbündeten galten. Der Berliner Innenpolitiker Benedikt Lux etwa wird auf dem Internet-Blog Antigrün als "populistischer Bullen-Freund" beschimpft, weil er sich zu linksextremer Gewalt klar positioniert.

Benedikt Lux (Bündnis 90/ Die Grünen)
Mitglied des Abgeordnetenhauses

"Man muss diesen linksextremen Straftätern, Gewalttätern die meinen, Ideologie irgendwie zu haben, sich dadurch rechtfertigen zu können, den Boden unter den Füßen wegziehen und deswegen darf es nie klammheimliche Sympathie, auch keine offene Sympathie mit diesen Straftätern geben."

Bislang traf der Vorwurf, insgeheim mit gewaltbereiten Linksextremisten zu sympathisieren, vor allem Die Linke. Doch selbst die distanziert sich nun deutlich.

Udo Wolf (Die Linke)
Mitglied des Abgeordnetenhauses

"Solche Angriffe sind Straftaten, sind eindeutig zu verurteilen. Wer behauptet, dass es irgendein politisches Motiv dafür geben kann, muss sich damit auseinandersetzen, dass er jedem politischen Anliegen damit nur schaden kann."

Linksextremisten in Berlin – sie terrorisieren und vertreiben Bürger und Geschäftsleute. Wo aber bleibt der öffentliche Aufschrei aus Politik und Gesellschaft?

Abmoderation
Vielleicht bewegt sich jetzt mal ein bisschen was.

Beitrag von Jo Goll und Olaf Sundermeyer