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- Gefährlich und billig: Die Droge Crystal Meth auf dem Vormarsch

Die Droge Crystal ist gefährlicher als Heroin und Kokain. Ursprünglich vorwiegend in Sachsen, Thüringen und Bayern auf dem Markt, überschwemmt Crystal jetzt den gesamten deutschen Drogenmarkt. Die Zahl der Abhängigen wächst massiv an.

Den folgenden Beitrag sollten wir vielleicht besser gar nicht zeigen, - wenn es nach dem Willen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung geht. Denn das Problem der gefährlichen Droge Crystal wird politisch nach wie vor ganz tief gehängt. Das hat uns verblüfft: Denn das hochgefährliche Crystal hat bei den Erstkonsumenten in Deutschland inzwischen sogar dem Heroin den Rang abgelaufen. Die Droge schwappt vor allem aus Tschechien auf den deutschen Markt. Caroline Walter und Lars Otto mit erschütternden Beobachtungen.

Tschechien vor einer Woche. Wir sind der Droge Crystal auf der Spur. Hier soll sie auf den vietnamesischen Märkten entlang der deutschen Grenze einfach zu beschaffen sein. Ein Strohmann versucht für uns, Crystal auf diesem Markt zu kaufen.

Strohmann
„Habt Ihr so was, Crystal?"
Händler
„Ja. Wie viel brauchst Du?"
Strohmann
„Ein Gramm reicht."

Der Händler verschwindet kurz, und drückt dem Strohmann dann schnell das Tütchen in die Hand. 40 Euro hat ein Gramm der gefährlichen Droge in Tschechien gekostet. Crystal - das sind Kristalle, die süchtig machen. Es wird zerbröselt und dann geschnieft oder gespritzt. Produziert wird es in schmuddeligen Drogenlabors in Tschechien, es ist aus frei zugänglichen Chemikalien und Arzneimitteln einfach herstellbar.

Crystal macht extrem schnell abhängig und körperlich kaputt.

Die deutschen Zollfahnder versuchen die Drogenschmuggler abzufangen - aber es ist eine Sisyphus Arbeit, die Grenze ist grün und durchlässig. Das Problem mit Crystal wächst in Deutschland massiv, berichten die Fahnder.

Johannes Kopp
Zollamt Selb

„Seit 2010 haben wir also einen hohen Anstieg von Crystal-Schmugglern festgestellt. Das heißt, seit 2010 hat sich die Menge ungefähr, die festgestellte Menge der Käufer, ungefähr vervierfacht. Da sieht man schon, dass die Droge auf dem Vormarsch ist."

Die Folgen der Crystal Schwemme zeigen sich an den Amtsgerichten, wie in Leipzig, dem größten in Ostdeutschland. Hier spielt Crystal in vielen Prozessen eine Rolle. Es wird gestohlen und betrogen, um sich Crystal kaufen zu können. Es kommt aber auch zu Gewalttaten unter Einfluß der Droge.

Richter Peter Weber bekommt fast jede Woche einen Crystal Fall auf den Tisch, oft geht es um mutmaßliche Dealer.

Peter Weber
Richter

„In Sachsen und Grenzregion Bayern, ist Crystal sicherlich ein Top-Thema. Das hat Heroin, Kokain, Ecstasy, alles an den Rand gedrängt. Und ist vor allem gefährlich, hoch gefährlich. Gefährlicher als Heroin und Kokain, weil Crystal sofort auf's Gehirn geht. Also da haben Sie teilweise schon nach zwei, drei Jahren regelmäßigem Konsum, wissen Sie, dass die geistig verfallen sind."

Heute ist Stefan D. angeklagt, er soll über 30 Mal mit Crystal gehandelt haben. Ronny ist Hauptbelastungszeuge. Dessen Freundin Mandy begleitet ihn. Beide nehmen auch Crystal. Der Angeklagte ist ihr Ex-Freund. Seinetwegen sei sie drogenabhängig. Drinnen kann Ronny ihn kaum belasten.

KONTRASTE
„Gut gelaufen?“
Ronny
„Eher schlecht."
KONTRASTE
„Eher schlecht, für wen?“
Ronny
„Für mich, weil ich Gedächtnislücken habe. Das Crystal zerstört eigentlich ganz schön den Körper, muss ich sagen."
KONTRASTE
„Macht Ihnen das Angst?“
Ronny
„Ja schon, mir fehlt ein bisschen was von meinem Leben, muss ich sagen."

Wegen der Erinnerungslücken bleibt dem Richter nichts anderes übrig: er kann den Angeklagten nur wegen Drogenbesitzes verurteilen, als Dealer kann er nicht überführt werden. 9 Monate auf Bewährung.

KONTRASTE
„Zufrieden mit dem Ergebnis?“
Stefan D.
„Ja, na klar."
KONTRASTE
„Hätten Sie Schlimmeres erwartet?“
Stefan D.
„Das kam auf die Aussage von dem Zeugen an. Aber das waren ja nur Beschuldigungen. Deswegen."
KONTRASTE
„Das heißt, Sie sind jetzt wieder ein freier Mann?“
Stefan D.
„Ja."
KONTRASTE
„Das heißt, Sie gehen ohne Handschellen hier raus?“
Stefan D.
„Ja! Genau."

Die Justiz kommt bei der Bekämpfung der Droge an ihre Grenzen.
Wir besuchen die Zeugen Ronny und Mandy in ihrer sächsischen Kleinstadt, sie wollen uns von ihrem Leben mit der Sucht erzählen. Dass ihr Ex-Freund, der mutmaßliche Dealer, nicht eingesperrt wurde, belastet sie.

KONTRASTE
„Für was geben Sie ihm die Schuld?“
Ronny
„Dass er ihr Leben zerstört hat. Er hat es richtig kaputt gemacht."
KONTRASTE
„Wenn Sie ihn nicht kennengelernt hätten?“
Mandy
„Wäre alles anders heute."
KONTRASTE
„Wären Sie nicht auf Crystal?“
Mandy
„Na nicht so. Hätte ich mein Kind noch, hätte ich meine Wohnung noch."

Das Kind wurde ihr weggenommen. Crystal macht euphorisch, sagen sie, man fühlt sich glücklich im Moment, aber dann …

Ronny
„Man drückt auch bloß die Probleme damit weg. Die schiebt man einfach nach hinten raus und wenn der Rausch irgendwann mal zu Ende ist, dann kommt das alles mit einem mal zurück. Und dann kommt das mit einem richtigen Schlag zurück und dann kriegt man schon…“
Mandy
„Depressionen.“
Ronny
„… also wahnsinnige Depressionen.“
KONTRASTE
„Wie süchtig macht das Zeug?“
Mandy
„Also ich hätte jetzt schon heute Morgen. Also morgen bekomm ich Geld, ich bin ehrlich, da geh ich wieder los. Macht halt schon süchtig sehr."

In Deutschland kostet ein Gramm Crystal ca. 80 Euro. Geld für Essen und Rechnungen bleibt oft nicht übrig. Und die Droge hinterlässt Spuren, die Haut entzündet sich und die Zähne fallen aus.

KONTRASTE
„Ist das nicht so, wenn man in den Spiegel guckt, dass man denkt, Scheiße, was mache ich mit mir?“
Mandy
„Ja, das schon. Aber wenn ich dann halt das Zeug nehme, dann tue ich mich schminken und normal anziehen, ordentlich anziehen, schminken. Und wenn ich dann in Spiegel gucke, sehe ich hübsch aus."

Und wenn die Wirkung nachlässt, ist ihr eh alles egal. Mandy muss viel Schlimmes widerfahren sein - mit falschen Suchtfreunden.

Ronny
„Sie lässt keine Hilfe zu. Sie sagt immer, dass sie Hilfe haben will, aber probier ich ihr zu helfen, bin ich der Dumme. Ist schon schwer."
KONTRASTE
„Warum lassen Sie sich nicht helfen?“
Mandy
„Ich hab Angst, dass es wieder in die Hose geht, weil ich zu vielen Leuten vertraut hab, meine Geschichten erzählt und halt meine Probleme. Und das wurde dann halt für mich dann negativ ausgenutzt und ich weiß nicht, ich kann kein Vertrauen mehr aufbauen."

Ronny dagegen versucht alles, um von Crystal loszukommen.

Ronny
„Ich meine ich geh arbeiten, bin froh, dass ich die Arbeit eigentlich noch hab, dass mein Chef kulant ist. Ansonsten würde ich dann vielleicht auch irgendwelchen Mist machen."
KONTRASTE
„Das hält sie noch am Laufen, am Leben?“
Ronny
„Hmm."
KONTRASTE
„Und wie soll es weitergehen bei Ihnen?“
Mandy
„Ich weiß es nicht. Ich hab zur Zeit keine Perspektive."
Ronny
„Mal Hilfe zulassen."

Sie müsste ganz weg von hier, sagt sie. Aber dafür hat sie keine Kraft. Nur dass es ihr Kind gibt, hält sie noch.

Mandy
„Das ist auch das Einzige, warum ich, sonst wäre ich bestimmt nicht mehr hier auf der Welt, bin ich der Meinung."

Es hat uns in der Redaktion sehr beeindruckt, wie offen die beiden über ihre Sucht sprachen. Sie waren vor allem deshalb bereit, sich auf das Interview einzulassen, weil sie damit andere vor der hochgefährlichen Droge warnen möchten.

 

 

Beitrag von Caroline Walter und Lars Otto