- Bevormundung: Keine 1-Euro-Jobs für Asylbewerber

Dürfen Asylbewerber als 1-Euro-Jobber für Bahnkunden die Koffer tragen? Die Stadt Schwäbisch-Gmünd meinte „Ja", doch als das Projekt publik wurde, lösten die Bilder einen Empörungssturm aus. Von Rassismus und Ausbeutung war die Rede, das Projekt wurde eingestellt. Die Asylbewerber, die sich über diesen Job freuten, wurden gar nicht erst gefragt.

Klären, was richtig oder falsch ist, das wäre auch im folgenden Fall sinnvoll gewesen, der unlängst für Riesenwirbel gesorgt hat: Asylbewerber als Kofferträger auf dem Bahnhof Schwäbisch-Gmünd! Sie erinnern sich? Diese Fotos geisterten durch die Medien: 1 Euro 5 die Stunde bekamen die afrikanischen Flüchtlinge dafür, dass sie Weissen die Koffer schleppten. - War das nicht Rassismus und Kolonialismus pur im Jahr 2013? So empörten sich jedenfalls viele! Hoch schlugen die Wellen - und prompt wurde das Projekt gestoppt. - Das Problem nur: Kaum jemand hat sich die Mühe gemacht, mal nach der Meinung der Asylbewerber selbst zu fragen. Wäre aber besser gewesen, meinen Axel Svehla und Lisa Wandt.

Eine ehemalige Kaserne in Schwäbisch Gmünd. Hier leben die Flüchtlinge Christopher und Lamin, abgeschottet und zur Untätigkeit verdammt. Kürzlich kamen sie für zwei Tage heraus aus der Langeweile - und machten eine vollkommen neue Erfahrung.

Christopher Igbinomwanhia
„Ich trug das Baby und mein Freund den Kinderwagen, dann nahm ich die Tasche der Frau und half ihr über die Treppe. Die Frau war glücklich. Es war das erste Mal, dass eine weiße Frau mir erlaubte, ihr Baby zu tragen.“

Was war passiert? Der Bahnhof wird umgebaut. Deshalb führt eine steile Treppe zu den Bahnsteigen - ein Ärgernis für die Fahrgäste. Dies brachte die Stadt auf eine Idee: sie überzeugte die Bahn davon, Asylbewerber als Kofferträger einzusetzen. Für den Bürgermeister ein Integrationsprojekt.

Richard Arnold (CDU)
Oberbürgermeister Schwäbisch Gmünd

„Also hab ich ganz unkonventionell mit den Flüchtlingen gesprochen, hab gesagt, ich brauche eure Hilfe: wer könnte sich das vorstellen, wer meldet sich freiwillig. Und es haben sich spontan neun gemeldet. Warum? Weil sie rauskommen aus ihrem Alltag. Und weil sie endlich einmal sich einbringen können.“

Doch einige Fotos in der Lokalpresse sorgten im ganzen Land für helle Empörung. Ohne Genaueres über die Absichten des Bürgermeisters und der Bahn zu wissen, wurden die Bilder einseitig gedeutet. Der Kommunikationsexperte Andreas Köhler weiß, welche Signale solche Fotos aussenden:

Andreas Köhler
Kommunikationsexperte

„Die zwei Schwarzen, der Strohhut, die Uniform, die gleißende Hitze, das führt zu der Interpretation, da werden Menschen wie Sklaven ausgebeutet.“

Kaum waren die Bilder auf dem Markt, wurde im Netz das Pro und Contra heftig diskutiert. Schnell war der Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd als vermeintlicher Sklaventreiber enttarnt, die Asylbewerber wurden als Opfer schamloser Ausbeutung bedauert. Die Presse mischte sich in die Kontroverse um das Projekt ein – auch angeheizt von Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Linken. Sie beschwor einen Rückfall in Kolonialzeiten und wollte das Projekt stoppen.

Ulla Jelpke (Die Linke)
Bundestagsabgeordnete

„Also zurück in die Kolonialzeit heißt eigentlich für mich, wenn man ein Bild assoziiert, dass farbige Menschen am Bahnhof stehen und Koffer tragen, dazu noch mit Hütchen und roten Hemdchen, also Service-Dienst, dass doch hier eine Assoziation entsteht von Sklavenarbeit. Und wenn man dann auch noch weiß, dass sie es für 1 Euro tun oder 1,05 Euro, dann finde ich schon perfide was hier an Ausbeutung stattfindet.“

Tatsächlich sind 1,05 Euro ein Hungerlohn. Asylsuchende bekommen in Deutschland in etwa den Hartz-IV-Satz. Mehr als 100 Euro dürfen sie nicht dazu verdienen. Damit ergeht es ihnen aber nicht anders als Hartz-IV-Empfängern. Als Hinzuverdienst müssen sie sich – wenn überhaupt – mit 1-Euro-Jobs begnügen. Wir wollten wissen, warum die Flüchtlinge am Bahnhof als Kofferträger arbeiten wollten.

Reza Mohseni
„Wir wollen auch ein Gefühl bekommen, dass wir so wie ein Bürger hier sind. Und das ist nicht die Hauptsache, dass wir dort wie viel Geld wir verdienen.“
Christopher Igbinomwanhia
„Das ist eine Möglichkeit, mich in diese Gemeinschaft zu integrieren und etwas für diese Gemeinschaft zu tun, Bestätigung von den Menschen zu bekommen.“
Kolade Ajibola
„Wir haben den Job ehrenamtlich gemacht und nicht für Geld.“

Doch das beeindruckt die Vertreterin der Linken nicht. Ohne vorher mit den Asylbewerbern geredet zu haben, greift sie das Projekt an. Ihr geht es ums Grundsätzliche.

Ulla Jelpke (Die Linke)
Bundestagsabgeordnete

„Ich greife die Gesetzgebung an, die im Grunde genommen diese Menschen dazu verdammt, so etwas machen zu müssen. Wenn ich mit dem Bürgermeister die Gelegenheit gehabt hätte zu reden, hätte ich ihm auch ganz offen gesagt, dass er damit rassistische Ressentiments in der Gesellschaft bedient.“

Deshalb bekämpfte die Linke dieses Projekt und Rassismusvorwürfe eignen sich hierfür besonders gut. Doch was unterstellt wird, ist absurd. Auch der Bürgermeister will die Gesetze radikal ändern. Asylbewerber sollen nach einem halben Jahr uneingeschränkt regulär arbeiten dürfen.

Richard Arnold (CDU)
Oberbürgermeister Schwäbisch Gmünd

„Verkürzung dieses Zeitraums auf sechs Monate, weil sechs Monate braucht man, bis man hier angekommen ist, aber dann nach sechs Monaten gleich gestellt werden mit allen Arbeitssuchenden, mit gleichen Chancen, gleichen Rechten aber auch gleichen Pflichten.“

Doch gegen die geschürte Empörung über die vermeintliche Ausbeutung der Flüchtlinge kam der Bürgermeister nicht an. Die Bahn verabschiedete sich schon nach einem Tag aus dem Projekt. Angeblich wusste man in der Zentrale nichts über die Arbeitsbedingungen der Flüchtlinge. Nach Einschätzung des Kommunikationsexperten blieb der Bahn gar nichts anders übrig, als die Notbremse zu ziehen.

Andreas Köhler
Kommunikationsexperte

„Die Bahn hat befürchten müssen, dass sie als Ausbeuter und als Rassist dasteht und das kann sich ein solch großes und internationales Unternehmen nicht leisten.“

Leidtragende sind die Flüchtlinge. Sie sehen sich um die Hoffnung betrogen, ihr abgeschottetes Dasein wenigstens für einige Momente zu durchbrechen.

Christopher Igbinomwanhia
„Dass sie das Projekt gestoppt haben, macht mich ganz unglücklich. Denn uns ging es doch um Integration hier.“

Enttäuscht ist auch der der Bürgermeister. Von der Bahn im Stich gelassen, von vermeintlich politisch korrekt denkenden Bürgern als Rassist denunziert, zieht er eine bittere Bilanz.

Richard Arnold (CDU)
Oberbürgermeister Schwäbisch Gmünd

„Dieses Gutmenschentum schlägt ja schnell um in Bevormundung. Und durch diese Empörung wurde den Flüchtlingen, den Menschen viel weggenommen.“

 

Beitrag von Axel Svehla und Lisa Wandt