Polizisten zielen auf ein nicht sichtbares Ziel - Wachpolizisten als Polizeiersatz (Quelle: rbb)

Ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko? - Wachpolizisten als billiger Polizeiersatz

Über Jahre hinweg haben Sachsen und andere Bundesländer bei der Polizei gespart. Jetzt sollen in dreimonatigen Schnellkursen so genannte Wachpolizisten ausgebildet werden, um die Personallücken bei der Polizei zu schließen. Doch Kritiker warnen: Wachpolizisten seien auf riskante Situationen nicht ausreichend vorbereitet.

Anmoderation:  Deutschlands Polizei steht vor immer größeren Herausforderungen:  Ob rassistische Demos vor Flüchtlingsheimen, Übergriffe wie in Köln, oder Ausschreitungen bei Fußballspielen. Die Sicherheitsrisiken nehmen zu. Doch gleichzeitig herrscht bei der Polizei eklatanter Personalmangel. Einige Bundesländer suchen sich nun ungewöhnlichen Ersatz: Sachsen etwa bildet ab 1. Februar dieses Jahres im Schnelldurchlauf sogenannte Wachpolizisten aus. Eine pragmatische Lösung oder ein zusätzliches Risiko? Lisa Wandt und Axel Svehla.

Unterricht an der Polizeifachschule Chemnitz. Wer hier ausgebildet wird, soll später seinen Job sicher beherrschen. Nur so kann der künftige Polizist den hohen Anforderungen gerecht werden.

O-TON Markus Ulbig (CDU), Innenminister Sachsen
"Der Staat muss dafür sorgen, dass die Menschen sicher leben können, dazu braucht es eine angemessene Zahl von Polizisten, die haben wir definiert. Jetzt gilt es, diese auszubilden und dann in den Dienst zu übernehmen."

Szene Ausbilder: „Kontrollblick links-rechts. Und die Waffen holstern.“

O-TON Stefan Walther, Polizeioberkommissar
"Es ist individuell unterschiedlich, wie lange man braucht, bis man ein Guter oder ganz Guter ist, aber die zweieinhalb Jahre Ausbildung, geben jedem das Handwerkszeig mit, das er braucht, um mit gutem Gewissen in den Beruf zu starten."

Zweieinhalb Jahre Theorie und Praxis – Mindestvoraussetzung, um für Sicherheit in der Gesellschaft sorgen zu können. Das ist unbestrittener Standard in der regulären Polizeiausbildung.

Doch ab 1. Februar sollen in Sachsen auch noch andere Kandidaten geschult werden: Sogenannte Wachpolizisten. Ihr Einsatzgebiet: der Objektschutz und die Personenbewachung.

Im neuen sächsischen Wachpolizeidienstgesetz heißt es:

Die Ausbildung erfolgt in einem Zeitraum von insgesamt 12 Wochen

- das sind gerade einmal 10% der üblichen Ausbildungszeit.

O-TON Markus Ulbig (CDU), Innenminister Sachsen

"Für uns steht oben an die Entlastung der Polizei in der jetzigen Zeit. Durch dieses Modell dafür zu sorgen, dass es mehr Sicherheit im Freistaat gibt."

Mehr Sicherheit durch Wachpolizei?

Was lediglich nach Objektschutz klingt, bedeutet laut Stellenausschreibung v.a.:

Abwehr von Angriffen gegen gefährdete Objekte ( z.B. Asylbewerberunterkünfte)

Doch die Situation vor Asylbewerberheimen ist zurzeit alles andere als harmlos. Nicht selten ist sogar die reguläre Polizei überfordert, meint die Opposition.

O-TON Enrico Stange (Die Linke), MdL, innenpolitischer Sprecher
"Es wird auf Asylbewerberunterkünfte geschossen, es werden Böller geworfen, es werden  Flaschen und Steine geworfen, Migrantinnen und Migranten werden angegriffen, wir haben eine Radikalisierung in Sachsen, dass aus Demonstrationen heraus massiv Straftaten begangen werden, Polzisten angegriffen, Bürger angegriffen und da hinein kann man nicht 3 Monate ausgebildete Wachpolizisten stellen."

Erst recht nicht, wenn die Wachpolizisten mit ähnlichen Befugnissen wie Polizeibeamte ausgestattet sind. 

So sieht das Gesetz der sächsischen Landesregierung vor, dass

als Waffen … Schlagstock und Pistole zugelassen sind.


Das sei unabdingbar, meint die in Sachsen mitregierende SPD:

Reporter:
"Warum brauchen die, um sich zu verteidigen, wirklich 'ne Schusswaffe?"

O-TON Albrecht Pallas (SPD), MdL, innenpolitischer Sprecher
"Weil es ja kein Geheimnis ist, dass in Deutschland Menschen auch Schusswaffen haben und davon auch in ganz seltenen Fällen auch Gebrauch machen gegen andere Menschen. Und jetzt muss ich noch nicht mal die aktuelle Entwicklung bemühen, dass mehr Menschen auch in Sachsen sich Schusswaffen besorgen, Waffenscheine machen und dementsprechend das grundsätzlich potentielle Risiko auch steigt, dass Schießereien stattfinden könnten.“

Mitte Oktober vergangenen Jahres im sächsischen Freiberg. Blockade mehrerer Busse, die Flüchtlinge zur Unterkunft bringen sollen.

Schieß doch endlich! Schieß doch!


Eine gefährliche Situation, auch für die regulären Polizisten. Für die Psychologin und Professorin Birgitta Sticher der wichtigste Grund, die in Schnellkursen angelernte Wachpolizei nicht mit Waffen auszustatten. Sie bildet seit 18 Jahren Polizisten aus.

O-TON Prof. Birgitta Sticher, Psychologin, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin
"Normale Polizisten lernen, dass die Waffe erst nach ganz ganz vielen Schritten und Überlegungen und Versuchen eingesetzt wird, also Waffe einsetzen ist das Letzte, wenn ich aber verunsichert bin, ist einfach die Bedrohung da, dass hier die Waffe früher eingesetzt wird als es sinnvoll ist."

Es bleibt also ein Risiko, das die sächsische Regierung offenbar in Kauf nimmt.

Reporter:
"Sie sehen keine Gefahr, ein Wachpolizist vor einer Flüchtlingsunterkunft?"

O-TON Markus Ulbig (CDU), Innenminister Sachsen
"Gerade dieser. Der Beruf des Polizisten und natürlich auch der Beruf des Wachpolizisten ist nie ohne Risiko. Und auch der Einsatz in diesem Bereich ist nie ohne Risiko, aber die Rahmenbedingungen sind so ausgerichtet, dass die Menschen zuerst gut ausgebildet werden, damit sie dann im konkreten Einsatzfall auch in der Lage sind ihren Dienst zu tun.“

Der Plan des Innenministers: Kleinere Konflikte löst die Wachpolizei allein, bei größeren Lagen kommt dann die richtige Polizei. Sie sollen sich ergänzen.

O-TON Hagen Husgen, Landesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei, Sachsen
"Ich hab Bedenken, dass es überhaupt eine Partnerschaft gibt, zwischen dem Wachpolizisten und dem richtigen Polizisten. Wenn der Wachpolizist die richtige Polizei ruft, dass überhaupt ne richtige Polizei da ist, weil wir personell dermaßen unterbesetzt sind, dass es diese Möglichkeit gar nicht geben wird."

Die Gewerkschaft spricht von bislang 3000 fehlenden Polizisten in Sachsen. Ausgerechnet die Wachpolizei soll nun auf die Schnelle diese Sicherheitslücke schließen.

O-TON Albrecht Pallas (SPD), MdL, innenpolitischer Sprecher

"Was glaube ich den größten Teil der Bevölkerung, egal wie man jetzt zum Flüchtlingsthema eingestellt ist, am meisten beschäftigt, ist die Frage ob der Staat derzeit in der Lage ist, seine Sicherheitsaufgaben weitgehend zu erfüllen. Und wenn wir jetzt so weitermachen würden und eben die Flüchtlinge, die Bevölkerung, die Polizei damit allein lassen würden, würden wir diese Verunsicherung in der Bevölkerung und auch die negative Stimmung noch viel viel weiter erhöhen."

Klar ist: Es braucht eine schnelle Lösung. Das sehen selbst die Kritiker so. Doch sie fordern statt Wachpolizisten eine flexiblere Personalplanung bei der regulären Polizei.

Reporter
"Wie schnell ist das umzusetzen angesichts der Situation, dass die Hütte brennt?"

O-TON Enrico Stange (Die Linke), MdL, innenpolitischer Sprecher
"Die Polizeibeamten, die jetzt in höheren Alterskohorten in Sachsen unterwegs sind, das sind mehrere hundert, die können sie sofort länger arbeiten lassen. Schon die in diesem Jahr ausscheiden würden, das sind über 300, können sie länger arbeiten lassen. Die müssen ja auch nicht auf der Straße umherrennen, weil sie ja schon etwas älter sind, aber sie können wichtige Aufgaben im Innendienst übernehmen und damit andere Beamte freischaufeln.“

Aber das kostet Geld. Geld für mehr gut ausgebildete Polizisten, Geld für eine bessere Ausrüstung. Ohne das ist innere Sicherheit nicht zu haben.

Abmoderation: Wir haben übrigens nachgefragt, wie andere Bundesländer das handhaben: So will man im Saarland zum Beispiel bei Hilfspolizisten bewusst auf Waffen verzichten. Und Bayern lehnt, auf unsere Anfrage hin, eine - Zitat- "Billig-Polizei mit verkürzter Ausbildung" grundsätzlich ab.

Beitrag von Lisa Wandt und Axel Svehla