Bittere Weihnachtsfreude: Kinderarbeit für Schokoträume, Quelle: rbb

- Bittere Weihnachtsfreude: Kinderarbeit für Schokoträume

Knapp 10 Kilogramm Schokolade isst jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr. Doch der süße Traum hat einen faden Beigeschmack. Die Preise für Kakao sind in den letzten drei Jahren wieder stark gefallen, für die Kakaobauern lohnt sich das Geschäft nur dank billiger Kinderarbeit.

Auch die Schokoladenfabrikanten zählen sich vermutlich zu den Weltverbesserern. Schließlich macht Schokolade glücklich, das mag wohl auch der Grund sein, warum die Deutschen sie so lieben. Pro Jahr verputzt jeder Bürger im Schnitt sage und schreibe - 95 Tafeln Schokolade! Jetzt in der Weihnachtszeit ist der Verbrauch besonders hoch. Aber: Haben Sie sich schon mal gefragt, unter welchen Bedingungen eigentlich die Kakaobohnen für die Schokolade geerntet werden?

Umfrage
„Da habe ich mich noch nie mit beschäftigt ...“
„Wir achten sowieso drauf, wo wir unsre Lebensmittel kaufen und wenn wir das bewusst machen, würden wir das auch mit der Schokolade so machen ...“
„Unsere Zeit ist so schnelllebig, man kann sich nicht damit beschäftigen, man verdrängt es vielleicht auch."

Was die meisten wohl nicht wissen: Damit wir unser Leben mit Schokolade versüßen können, schuften anderswo auf der Welt Menschen unter skandalösen Arbeitsbedingungen. Susanne Katharina Opalka und Markus Pohl klären mal auf.

Es ist die dunkle Seite der Schokolade: Kinder, die auf den Kakaoplantagen im Westen Afrikas als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Schon Siebenjährige ernten hier die Kakaofrucht, den wichtigsten Rohstoff für Schokolade.

Der dänische Dokumentarfilmer Micki Mistrati befasst sich seit Jahren mit den Misständen im Kakaoanbau. Er hat die Herkunftsländer mehrfach bereist. Wir treffen ihn in unseren Redaktionsräumen in Berlin. Mistrati zeigt und erzählt Schockierendes.

Micki Mistrati
Dokumentarfilmer

„Man muss nur vier Stunden in den Busch fahren und wird in einer beliebigen Plantage Kinder finden, die dort illegal arbeiten. Die Arbeit ist gefährlich, sie hantieren mit Macheten, also sehr scharfen Messern, und verletzten sich dabei."

Macheten verursachen Wunden wie diese, oft können sie nur unzureichend versorgt werden.

Micki Mistrati
Dokumentarfilmer

„Außerdem arbeiten die Kinder mit Pestiziden und schweren Lasten. Sie schuften von Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang, das ist das Leben eines Kindes in den Plantagen von Westafrika."

Bis zu 500.000 Kinder werden in den Haupt-Herkunftsländern des Kakaos in Ghana und in der Elfenbeinküste ausgebeutet. Viele von ihnen kommen aus Nachbarländern wie Burkina Faso, einem der ärmsten Länder der Erde. Erst kürzlich recherchierte Mistrati dort, auf der Suche Opfern von Menschenhändlern.

Tausende Kinder werden jährlich als Arbeitssklaven an die Kakaoplantagen im Süden verkauft, so wie Ado Ouedraogo. Schon mit zwölf Jahren lockten ihn Schleuser auf eine Farm in der Elfenbeinküste.

„Wir mussten das Unkraut entfernen", erzählt er, „Wir haben den Kakao geerntet und die Kakaobohnen aus den Schoten geholt."

Vier Jahre lang bekam Ado keinen Lohn, ehe ihn die örtliche Polizei befreite.

"Weißt du, dass aus dem Kakao Schokolade gemacht wird? Weißt du überhaupt, was Schokolade ist?"

Nein, er weiß es nicht.

Micki Mistrati
Dokumentarfilmer

„Es ist moderne Sklaverei, die immer noch anhält. Und traurigerweise ist dieses Problem ein Teil der Schokoladenindustrie."

Fast 60 Milliarden Euro setzen Schokoladen-Unternehmen wie Nestlé, Mars oder Ferrero mit ihren Produkten jährlich um.

Für die fünfeinhalb Millionen Kleinbauern aber bleibt kaum etwas. Weil sich der Weltmarktpreis für Kakao seit den 80er Jahren halbiert hat, können viele ihren Lebensunterhalt kaum mehr erwirtschaften.

Vom Verkaufspreis einer Tafel Schokolade landen mittlerweile mehr als zwei Drittel bei den Kakao- und Schokoladenunternehmen. Abzüglich der Anteile von Einzel- und Zwischenhändlern bleiben nur noch sechs Prozent der Einnahmen bei den Kakaobauern.

Die Ausbeutung der eigenen und gekaufter Kinder scheint für die Bauern oft der einzige Weg zum Überleben. Über die Missstände im Kakaoanbau hat der Wissenschaftler Friedel Hütz-Adams mehrere Studien veröffentlicht. Er sieht die großen Unternehmen in der Verantwortung.

Friedel Hütz-Adams
Forschungs-institut Südwind

„Die Industrie muss eigentlich dafür sorgen, dass entlang der ganzen Wertschöpfungskette, die zur Schokolade führt und das beginnt nun mal beim Kakao, alle die daran beteiligt sind ein menschenwürdiges einkommen erzielen können. Die Unternehmen haben das aber lange Zeit nicht gemacht und in der Verantwortung immer auf die nächste Vorstufe verwiesen. Die Schokoladenproduzenten auf die Kakaoverarbeiter. Die Kakaoverarbeiter auf die Bohnenhändler. Die Bohnenhändler auf ihre kleinen Lieferanten."

Seit einiger Zeit gelobt die Industrie nun Besserung und wirbt mit Zertifikaten wie Fairtrade, Rainforest Alliance oder UTZ. Alle drei Siegel sollen sowohl nachhaltigen als auch sozialen Kakaoanbau garantieren. Sie versprechen: Schokolade ohne Kinderarbeit.

In einem Imagefilm wirbt der Bundesverband der Deutschen Süßwaren-Industrie mit Schulungen für Kakaobauern und glücklichen Kindern im Unterricht, statt auf der Plantage. Der Verband lässt seinen Vorsitzenden versprechen.

Dietmar Kendziur
Vorsitzender Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie

„dass der Kakao bis zum Jahr 2020 zu 50 Prozent aus nachhaltigen Quellen stammen soll."

Mit anderen Worten: in sieben Jahren soll noch immer die Hälfte des Kakaos von Plantagen kommen, in denen Kinderarbeit möglich ist.

Hinzu kommt: Bislang scheinen die Kontrollen der zertifizierten Betriebe nicht auszureichen. Auch auf Farmen von UTZ und Rainforest Alliance in der Elfenbeinküste stieß Filmemacher Mistrati auf ausgebeutete Kinder.

Micki Mistrati
Dokumentarfilmer

"Natürlich waren wir nur an zwei Orten, aber wir haben sie zufällig ausgewählt und Kinderarbeiter mit Macheten gefunden. Da war ich schon überrascht."

Selbst der Schokoladen-Gigant Nestlé räumt auf unsere Nachfrage ein, Zitat:
„Auch die bestehenden Zertifizierungssysteme können keine vollständige Kontrolle bis auf die Ebene einzelner Kleinbauern sicherstellen."

Fest steht aber auch: alle Siegel versprechen zumindest einen Fortschritt gegenüber den Zuständen, die bislang im Kakaoanbau herrschten. Es liegt an den Konsumenten, die Industrie an ihre Verantwortung zu erinnern.

 

Beitrag von Susanne Katharina Opalka und Markus Pohl