- Deutsche Diplomaten werben für Waffenexporte nach Mexiko

Im Krieg gegen die Drogen haben Mexikos Sicherheitskräfte schon lange alle Maßstäbe verloren. Kritiker der Regierung werden unter Druck gesetzt, Hinrichtungen ohne Gerichtsprozess und Folter gehören zum Alltag. Dennoch wirbt der Militärattaché der deutschen Botschaft in Mexiko für „Waffen made in Germany".

Umso aktiver ist die Bundesregierung offenbar, wenn es um Unterstützung der Rüstungsindustrie geht! Marineschiffe, Panzer, Gewehre - High-Tech-Waffen Made in Germany sind so begehrt wie nie. Mittlerweile sind wir drittgrößter Waffenexporteur weltweit. Und wie schaffen wir das? Wie kommen die geheimen Waffendeals eigentlich zustande? Kontraste liegen Dokumente vor, die zeigen, dass die Bundesregierung auf seltsame Weise massive Lobbyarbeit für die Rüstungsindustrie betreibt. Susanne Katharina Opalka, Sascha Adamek und Peter Sonnenberg.

Das Weingut Kloster Marienthal an der Ahr. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit treffen sich hier im exklusiven Rahmen Militärattachés deutscher Botschaften und Vertreter vor allem von Rüstungsfirmen.

Geladen hat die „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik" - eine Lobbyorganisation der Rüstungsindustrie. Um das Geschäft anzukurbeln, hat sie sich etwas Besonderes einfallen lassen: Ein Speeddating der Militärattachés mit den Firmenvertretern.

Den Rüstungsexperten der Bundestagsfraktion der Linken, Jan van Aken, überrascht diese Spielart des Lobbyismus:

Jan Van Aken (Die Linke)
Bundestagsabgeordneter

„Ich weiß überhaupt nicht, ob ich da lachen oder weinen soll. Wenn ich mir vorstelle, dass deutsche Diplomaten sich zum Speeddating mit der Rüstungsindustrie treffen, zwischendrin gibt's eine Weinprobe, das ist wirklich die höhere Form des Rüstungslobbyismus. Dabei werden deutsche Diplomaten zu Handlungsreisenden der Rüstungsindustrie auf Kosten von Steuergeldern.“

Immerhin rund 60 deutsche Militär-Attachés sind in diesem Jahr auf der Gästeliste - darunter auch die zuständigen für Krisen-Staaten wie Syrien, Iran, Ägypten oder Kongo.

Glasklar wird das Ziel schon in der Einladung formuliert:
„Es gehört zum „offiziellen" Auftrag der deutschen Militärattachés, für deutsche Firmen in ihrem Gastland Kontakte aufzunehmen, zu halten und so als „Türöffner" zu fungieren."

Auf der Gästeliste der Veranstaltung in diesem Jahr findet sich auch Oberstleutnant Dirk Kraus, der Verteidigungsattache der deutschen Botschaft in Mexiko - einem Land mitten im Drogenkrieg.

Allein in vier Jahren starben hier mehr als 30 000 Menschen. Militär und Polizei agieren häufig willkürlich und verletzen immer wieder Menschenrechte.

Wer diesen Zustand kritisiert, lebt gefährlich. Auf Professor Carlos Fazio wurde sogar geschossen. Nur einige Geldmünzen in seiner Tasche verhinderten, dass ein Projektil seinen Oberschenkel durchschlug.

Prof. Carols Fazio
Politikwissenschaftler Uni Mexiko-Stadt UACM

„In Mexiko weiß man, dass das organisierte Verbrechen nicht nur aus kriminellen Zivilsten besteht, sondern genauso aus Mitgliedern von Polizei und Armee. Das bleibt sich am Ende gleich.“

Trotz der desaströsen Zustände möchte die deutsche Rüstungsindustrie nach Mexiko exportieren. Ausgerechnet hier in der der deutschen Botschaft von Mexiko hilft ihr dabei der Militärattaché Dirk Kraus. So ist der Diplomat im Rahmen der so genannten „Exportinitiative Sicherheitstechnologie" tätig.

Ende 2012 fliegt er nach Deutschland und präsentiert vor deutschen Firmen eine „Marktanalyse" über den Absatzmarkt Mexiko.

Mitfinanziert hat die Veranstaltung das Bundeswirtschaftsministerium. Unterstützung für Rüstungsexporte? Das Ministerium streitet das auf unsere Anfrage hin ab:
„Die ‚Exportinitiative Sicherheitstechnologien und –dienstleistungen’ bezieht sich ausschließlich auf zivile Technologien und Dienstleistungen."

Zivil? von wegen! In seiner Präsentation erläutert der Verteidigungsattaché unter der Rubrik „Schwächen" genau, welche Rüstungsprodukte Militär und Marine in Mexiko benötigen: vom Militär-Hubschrauber, über Sturmgewehre bis zu Kampfflugzeugen.

Damit nicht genug. Im selben Jahr werben deutsche Firmenvertreter sogar direkt vor den mexikanischen Streitkräften für ihre Produkte. Mittendrin auch hier: Verteidigungsattache Dirk Kraus. Aber verträgt sich das mit der Rolle von Kraus als Staatsdiener in Uniform? Rüstungsexperte Jürgen Grässlin konnte sich das bislang nicht vorstellen:

Jürgen Grässlin
Rüstungsexperte

„Ich erwarte von einem Militärattaché, dass er sich für Frieden, Gerechtigkeit und die Wahrung der Menschenrechte einsetzt. Militärattaché Kraus macht das Gegenteil. Er fördert die Interessen der deutschen Rüstungsindustrie, gerät in die Rolle eines Lobbyisten der deutschen Rüstungsindustrie.“

Vom Steuerzahler finanzierte Attachés - Diplomaten in Uniform - die Rüstungsfirmen zuarbeiten? Eigentlich war den Militärattachés die Begleitung „kommerzieller Rüstungsexporte" bislang untersagt.

Doch nach KONTRASTE-Recherchen wurde dieses Verbot in einer neuen geheimen Dienstanweisung 2010 unter der schwarz-gelben Regierung aufgehoben.

Jan Van Aken (Die Linke)
Bundestagsabgeordneter

„Ganz offensichtlich hat im Jahre 2010 diese Bundesregierung entschieden, dass ab sofort die Militärattachés auch für kommerzielle Rüstungsexporte in andere Länder zuständig sind. Das war vorher ausdrücklich verboten. Das ist ein Beispiel dafür, dass die Bundesregierung auf allen Kanälen versucht, Rüstungsexporte zu befördern, nicht nur zu genehmigen, sondern ganz aktiv zu befördern."

Wir wollen von Bundeswirtschaftsminister Rösler erfahren, warum sein Ministerium eine Werbeaktion für deutsche Rüstungsgüter in Mexiko finanziert. Trotz der Menschenrechtslage.

KONTRASTE
„Wie kommentieren Sie das, wie begründen Sie diese Aktivitäten angesichts der Menschenrechtsverletzungen und Tausender Toter im Drogenkrieg?“
Philipp Rösler (FDP)
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
„Also zunächst einmal gibt es klare Verfahren für Exporte. Die sind auf Europaebene einheitlich, die gelten auch für die Bundesregierung. Die galten auch für die rot-grüne Bundesregierung und die große Koalition und die gelten auch für diese Bundesregierung. Da wird jeder Einzelfall im Detail genau behandelt.“

Ausgewichen. Wir fragen noch einmal:

KONTRASTE
„Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung fordert seit langem einen kompletten Exportstopp für Rüstungsgüter nach Mexiko. Warum unterstützen Sie dann trotzdem finanziell solche Präsentationen solcher Güter in Mexiko und Deutschland?“
Philipp Rösler (FDP)
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie

„Nochmals, wir haben klare Regeln. Die sind auch nicht willkürlich auszulegen von irgendeinem Mitglied der Bundesregierung, auch nicht vom Wirtschaftsminister, sondern, wenn Anträge da sind, werden in den Gremien beraten, in den gemeinsamen Ausschüssen, dazu gehört auch das Auswärtige Amt. Dann kommt man zu einer Entscheidung und die wird jedes Mal aufs Neue für jeden Einzelfall getroffen, da gibt es keine pauschale Absagen, noch pauschale Zusagen.“

Kein pauschalen Zusagen, aber pauschale Absagen aufgrund einer desaströsen Menschenrechtslage auch nicht. Dabei hatte die Bundeskanzlerin selbst einmal anderes verkündet:

Angela Merkel (CDU)
Bundeskanzlerin

„So ist dann auch das außenpolitische Selbstverständnis Deutschlands geprägt von der Maxime: die Bewahrung der Menschenrechte und friedliches Miteinander zu fördern und zwar weltweit.“

 

Beitrag von Susanne Katharina Opalka, Sascha Adamek und Peter Sonnenberg