- Frisch und giftig: Fische durch Plastikmüll belastet

Knapp 16 Kilo Fisch und Meeresfrüchte isst der Durchschnittsdeutsche jährlich. Doch die Kontamination der Fische mit Dioxinen, PCB und Schwermetallen steigt immer weiter an. Die Giftstoffe lagern sich an Millionen Tonnen kleiner Plastikmüllteilchen an, die im Meer treiben: unverträgliches Futter für die Fische.

Vielleicht ist es Ihnen im Sommerurlaub aufgefallen: An den Stränden liegt immer mehr Plastikmüll. Naturschützer warnen schon lange davor, dass die Meere immer weiter vermüllen. Doch was geschieht? Nichts! Denn schuld am Plastikmüll sind schließlich die anderen, wie Bundesumweltminister Peter Altmaier erklärt:

Peter Altmaier (CDU)
Bundesumweltminister

„Wir müssen immer wissen, dass 95, 98 Prozent aller Belastungen der Meere nicht in Deutschland entsteht, sondern in Ländern, oftmals in armen Ländern wie Bangladesh, Pakistan, Indien..."

Ach ja. Unser Autor Chris Humbs hat da ganz andere Erkenntnisse.

Dieses Haarband aus Kunststoff wurde aus dem Magen eines Grindwals geholt. In Schweinswalen finden die Forscher des Büsumer Instituts für Wildtierforschung immer wieder Teile von Plastiktüten.

Die Nachrichten aus der Wissenschaft sind alarmierend. In einem Pottwahl - gestrandet vor Südspanien - entdecken Biologen 17 Kilogramm Kunststofffolie. Der Magen war mit Plastik verstopft, das Tier ist verhungert.

Am Wilhelmshavener Institut für Chemie und Biologie des Meeres entnehmen die Mitarbeiter aus jedem untersuchten Herings-Magen kleinste Kunststoffpartikel. Kein Fisch ohne Plastik. Und hier wird es für den Menschen gefährlich:

Prof. Gerd Liebezeit
Meereschemiker

„Hauptbestandteil des Plastiks sind lange Kohlenstoffketten, die sind ungefährlich. Gefährlich sind die Zusatzstoffe wie Weichmacher, UV-Schutzmittel, Flammschutzmittel und andere Stoffe, die also dazu dienen dem Plastik andere Eigenschaften zu geben. Die können dann im Magen-Darm-Trakt aus dem Plastik herausgelaugt werden und dann in den Organismus Schadstoffwirkung erzeugen."

Das heißt: Auf unseren Tellern landet dann letztlich die Giftstoffe aus dem Kunststoff.

Plastik ist in allen Meeren. Im Pazifik gibt es einen Strudel - so groß wie Westeuropa - voll mit Plastikteilchen.

Inzwischen wurde bei Expeditionen auch in anderen Ozeanen solch Plastik-Strudel nachgewiesen. Im Atlantik war jede einzelne Wasserprobe positiv. Die Menge der Plastikteilchen im Zentrum des Strudels hat selbst erfahrenen Wissenschaftler überrascht:

Skye Moret
Meeresbiologin
„Das sind 26 Millionen Teile pro Quadratkilometer. Das ist total verrückt.“

UV-Strahlung und Wellen machen den Plastikmüll porös. Er zerfällt in kleine Teile. Die Tiere halten die Partikel für Futter.

Und es wird immer mehr Müll. Nur einen kleinen Teil spuckt das Meer an der Küste wieder aus. Touristenstrände, wie hier in der Toskana, werden zwar oft gereinigt, dennoch: überall angeschwemmtes Plastik.

Ein ähnliches Bild an der Ostsee bei Ahrenshoop.

Jäger und Naturschützer treffen sich zum Müllsammeln am Strand. Die Ausbeute nach zwei Stunden:

Annett Storm
Initiative MeeresBürger

„Wir haben neun Säcke gesammelt, so etwa 120 Kilo, haben wir geschätzt. Das ist schon ganz ordentlich auf 300 Metern."

Der Plastikmüll kommt von Schiffen, durch illegale Entsorgung oder es gelangt durch Verwehungen vom Festland ins Meer.

Ein neues Problem kommt von den Flüssen. Sogenanntes Mikroplastik. Kleine Körner.

Sie sind in Duschbädern oder Kosmetikartikeln. Es sind kleinste Plastikpartikel, die die Haut massieren oder peelen sollen. Sie sind auch in so manchen Zahnpasta enthalten - sie sollen für blendend weiße Zähne sorgen.

Prof. Gerd Liebezeit
Meereschemiker

„Das sind Perlen aus einer Zahnpasta und zwar ist das etwa ein Drittel der Menge, die in einer medizinischen Zahnpasta enthalten ist. Das heißt, wir haben also eine ganze Menge an Produkten auf den Markt, die diese Mikroplastikpartikel enthalten. Die gelangen natürlich in die Abwässer."

In fast allen Flüssen finden die Forscher inzwischen diese Partikel. Kaum eine Kläranlagen filtern sie heraus. Technisch wäre es möglich, mit Hilfe von Mikrosieben. Aber: die sind in Deutschland nicht zwingend vorgeschrieben.

So treiben die Partikel Richtung Meer. Dabei reichern sie sich mit Schadstoffen an. Plastik hat eine besondere Eigenschaft, es wirkt wie ein Magnet auf Schwermetalle oder Dioxine. Auch diese mit Giftstoffen aufgeladen Partikel werden gefressen.

Alarmierende Gewebefunde gibt es vor allem beim Aal.

Prof. Gerd Liebezeit
Meereschemiker

„Wenn jetzt die Organismen, also in diesem Fall der Aal diese Stoffe mit der Nahrung aufnimmt, dann können diese Stoffe wieder desorbiert werden, das heißt, sie werden wieder freigesetzt und gelangen dann in das Fettgewebe."

Der Aal hat besonders fettes Fleisch. Bei Untersuchungen wurden in nahezu allen Aalen viel zu hohe Dioxin-Werte festgestellt. Grenzwerte wurden um das Vierfache überschritten. Es gibt aktuell Verzehrswarnungen in Nordrheinwestfalen und Niedersachsen. Aale aus Sieg, Wupper, Ruhr, Ems, Weser und Elbe sind:
„…nicht verkehrsfähig."

Wie groß der Einfluss von Mikroplastik auf die Dioxinanreicherung im Aal ist, weiß man noch nicht genau. Studien an Wattwürmern sind jedenfalls alarmierend.

Einzelne Hersteller verzichten inzwischen auf den Einsatz von Mikroplastik und setzen auf Alternativen - wie Partikel von Kernen oder Nüssen.

Andere wollen aber erstmal weiterhin ihre Geschäfte machen: mit dem billigen Scheuermittel aus Plastik.

Zum Beispiel Adidas. Wir fragen nach, wie man sich zu den Umweltproblemen positioniert: keine Antwort.

Einer der Marktführer, L´Oreal, erklärt zu seinen Produkten: sie bleiben bis auf weiteres im Regal. Man habe sich aber immerhin entschieden: „keine neuen Produkte zu entwickeln, in denen Kunststoffpartikel als Peelingkörper eingesetzt werden."

Lidl erklärt uns zu seinem Cien-Produkt:
„Alle für die EU gültigen rechtlichen Bestimmungen für Kosmetikartikel sind bei dem genannten Artikel eingehalten.“

Für die rechtlichen Bestimmungen ist dieser Mann zuständig: Bundesumweltminister Altmeier. Hier auf einer Konferenz zu Plastikmüll im Meer - im Frühjahr in Berlin. Wir fragen ihn zu Mikroplastik:

Peter Altmaier (CDU)
Bundesumweltminister

„Ich finde, dass dieses Problem ein sehr ernsthaftes ist und deshalb würde ich mich gerne zusammensetzen auf der Arbeitebene mit den zuständigen Kosmetikunternehmen, mit den Beteiligten, mit dem Bundesumweltamt, um zu diskutieren, welche schonenderen Alternativen es gibt, die auch für die menschliche Gesundheit besser sind…"
KONTRASTE
„Kommt ein Verbot in Frage?“
Peter Altmaier (CDU)
Bundesumweltminister

„Wir werden jetzt mit den verantwortlichen Reden und danach werden wir über konkrete Maßnahmen entscheiden. Ich werde nicht ausschließen aber es wäre falsch jetzt schon mit der Keule zu drohen, wenn man möglicherweise einvernehmliche Lösungen erreichen kann.“

Geschehen ist nichts - wie schon bei der Plastiktütenfrage. Von Frankreich, über Italien bis Bangladesch sind die Tüten inzwischen verboten - nicht so in Deutschland.

Peter Altmaier (CDU)
Bundesumweltminister

„Wir müssen immer wissen, dass 95, 98 Prozent aller Belastungen der Meere nicht in Deutschland entsteht, sondern in Ländern, oftmals in armen Ländern wie Bangladesh, Pakistan, Indien, China. Dort müssen wir wirksame Maßnahmen ergreifen. Und deshalb halte ich die Diskussion, die jetzt über Plastiktüten begonnen hat, in Deutschland jedenfalls nicht für zielführend."

Inzwischen werden alleine in Deutschland jährlich 7 Milliarden Plastiktüten verbraucht. Und so manch eine landet letztlich im Meer.

 


Beitrag von Chris Humbs