- Waffen für Öl - Deutsche Sturmgewehre sichern Macht der Despoten

Jahrzehntelang galten Arabiens Diktatoren dem Westen als Garanten für den ungehinderten Zugang zum Erdöl. Im Gegenzug gab es großzügige Waffenlieferungen - auch aus Deutschland, obwohl Waffenexporte eigentlich verboten sind, wenn die Käufer die Menschenrechte verletzen. Jetzt steht zu befürchten, dass die aufkeimende Oppositionsbewegung mit deutschen Waffen niedergemacht wird.

Deutschland ist stolz darauf, eine der größten Exportnationen der Welt zu sein. Besonders fleißig sind wir beim Verkaufen von Waffen und Rüstungsgütern. Da liegen wir international auf Platz 3. Gerade der Nahe und Mittlere Osten ist ein höchst lukrativer Markt für die Waffenverkäufer. Da stört sich offenbar kaum jemand an der Tatsache, dass unter den Abnehmern auch Despoten sind, die massiv gegen Menschenrechte verstoßen. Und: die womöglich deutsche Waffen gegen Bürger einsetzen, die für Freiheit demonstrieren. Susanne Katharina Opalka, Sascha Adamek und Detlef Schwarzer mit Hintergründen.

Das Emirat Bahrein diese Woche. Das autoritäre Regime lässt auf Zivilisten schießen, die friedlich für mehr Demokratie und gegen die Unterdrückung der Schiiten demonstrieren. Es gibt Tote und Verletzte. Doch das Volk lässt sich nicht einschüchtern. Nun hat der König den großen Nachbarn Saudi-Arabien zu Hilfe gerufen. 1000 Mann Spezialkräfte - sie kommen aus einem Land, in dem die Demokratiebewegung auch brutal niedergeschlagen wird.

Eindringliche Bilder aus Saudi-Arabien selbst. Aufgenommen per Handy, verbreitet über das Internet, weil freie Berichterstattung unmöglich ist. Eine friedliche Demonstration, das Regime antwortet mit Gewalt – es fallen Schüsse. Die saudi-arabische Armee und die Spezialkräfte sind hochgerüstet – sie posieren gern mit modernsten Waffen.

Viele dieser Waffen kommen aus Deutschland. Und besonders beliebt sind hier Sturmgewehre und Maschinenpistolen wie die MP5 aus der deutschen Waffenschmiede Heckler und Koch. Der Rüstungsexperte Jürgen Grässlin befürchtet, dass das saudi-arabische Regime diese Waffen nun gegen das eigene Volk einsetzt.

Jürgen Grässlin, Rüstungsinformationsbüro
„Solche Bilder haben Symbolcharakter. Sie zeigen Stärke, sie zeigen Macht, sie zeigen auch Macht der eigenen Bevölkerung gegenüber. Wenn ich der eigenen Bevölkerung zeige: Ich habe Sondereinheiten, die in der Lage sind, mit MP5 Maschinenpistolen erstmal zu drohen und sie gegebenenfalls einzusetzen, dann ist das ein klares Signal an die Menschen, die aufstehen wollen, die Demokratie einfordern.“

Gegen jegliche Menscherechte – nicht nur die Demonstrationsfreiheit - wird in Saudi- Arabien systematisch verstoßen. Amnesty international prangert das seit langem an.

Mathias John, Amnesty International
„Die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien ist katastrophal. Wir haben seit Jahrzehnten teilweise ohne Gerichtsverfahren einsitzende Menschen, die ohne Begründung im Gefängnis sitzen, die gefoltert werden. Diskriminierung nach der Religion, nach dem Geschlecht, ist in Saudi Arabien an der Tagesordnung. Es wird dort immernoch die Todesstrafe vollstreckt.“

Doch deutsche Bundesregierungen lässt die Menschenrechtslage seit Jahrzehnten unbeeindruckt. Sie hofieren Saudi-Arabien als einen der wichtigsten Öllieferanten – und höchst attraktiven Absatzmarkt für deutsche Unternehmen. 2009 wurden Waren im Wert von 4,84 Milliarden Euro ausgeführt. Die Menschenrechte zählen dagegen wenig, kritisiert eine ehemalige Regierungsberaterin.

Prof. Gudrun Krämer, Islamwissenschaftlerin, FU Berlin
„Das Motto lautet: Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Und die Wahrung dessen, was wir unter strategischen Interessen in der Region betrachten. Das ist dann nicht nur Wirtschaft, sondern auch die Wahrung der Stabilität in der Region und das Gegengewicht zu Iran.“

Saudi Arabien gilt als wichtigster Verbündeter des Westens in der Golfregion, als Bollwerk gegen den radikalen Islamismus und den Gottesstaat Iran: Und mit dieser Begründung wird das autoritäre Regime hochgerüstet mit modernster europäischer Waffentechnik, allein 72 Eurofightern.

Deutschland lieferte laut Rüstungsexportbericht 2009 Waffen im Wert von 167,9 Millionen Euro nach Saudi-Arabien. Erst vor drei Wochen fand am Golf eine Waffenmesse statt, dort vertreten auch das Who is Who der deutschen Rüstungsindustrie. Dabei steht in den „Politischen Grundsätzen“ der Deutschen Bundesregierung, Rüstungsgüter sollten nicht exportiert werden

Ztat
„..bei hinreichendem Verdacht des Missbrauchs zu innerer Repression oder zu fort dauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen.“

und nicht in Länder, in denen …

Zitat
„…ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht…“

Doch die Abwägung Menschenrechte gegen wirtschaftliche und militärstrategische Interessen ist immer zugunsten der Rüstungsexporte ausgegangen – bis heute.

Jürgen Grässlin, Rüstungsinformationsbüro
„Militärstrategisch mag man Recht haben, dass Saudi-Arabien eine Sonderrolle einnimmt. Das rechtfertigt nicht im Mindesten, dass man dieses menschenrechtsverletzende Regime mit den schlimmsten Waffen ausrüstet, die wir haben - mit den tödlichsten Waffen.“

Mehr noch: Die Waffenschmiede Heckler und Koch in Oberndorf am Neckar erhielt sogar die Genehmigung, eine Waffenfabrik in Saudi-Arabien zu errichten. Dann können die Saudis das effektivste deutsche Gewehr - das G 36 - in Eigenregie selber bauen. Hier zu sehen: das Gewehr bei Übungen von angeblichen Anti-Terroreinheiten Saudi-Arabiens.

Jürgen Grässlin, Rüstungsinformationsbüro
„Das G 36-Gewehr von Heckler und Koch ist das tödlichste Gewehr auf dem Welt-Waffenmarkt. Sie können bis zu 750 Schuss pro Minute abgeben. Sie können bis auf 500 Meter Kopfschüsse gezielt vollziehen. Damit können Sie sowohl Kriege gewinnen, als auch die innerdemokratische Oppositionsbewegung martialisch, blutig niederschlagen.“

Wir fragen das zuständige Bundeswirtschaftsministerium, wie es zu diesen Waffenexporten kommen konnte. Wir erhalten keine konkrete Antwort. Wir fragen Minister Brüderle persönlich, ob er angesichts der dramatischen Entwicklung nun Konsequenzen ziehen will.

KONTRASTE
„Werden Sie die Waffenexporte nach Saudi-Arabien stoppen angesichts der aktuellen Entwicklung und der fortlaufenden Menschenrechtsverletzungen?“
Rainer Brüderle (FDP), Bundeswirtschaftsminister
„Wir haben ja einen permanenten Prozess, das schärfste Außenwirtschaftsgesetz aller Länder, wir haben den Bundessicherheitsrat, der darüber entscheidet. Und der Bundessicherheitsrat wird, wenn sich die Frage stellt, - von der Bundeskanzlerin angefangen sind die wesentlichen Ressorts der Bundesregierung alle vertreten – eine sicherlich sehr sorgfältige Abwägung vornehmen können. Das Ergebnis der Abwägung kann ich nicht vorwegnehmen.“

Abwägen, prüfen, warten. Für die Demonstranten in Saudi-Arabien und in Bahrein kommt das wohl zu spät. Kenner der Golfregion fordern ein sofortiges Umsteuern der deutschen Politik.

Gudrun Krämer, Islamwissenschaftlerin, FU Berlin
„Ich denke, in dem Moment, wo klare Repressionen nach innen ausgeübt werden, muss entsprechend gehandelt werden.“
KONTRASTE
„Also müssen die Waffenexporte dann in diesem Fall gestoppt werden?“
Prof. Gudrun Krämer, Islamwissenschaftlerin, FU Berlin
„Das wäre für mich eine klare Sache.“

Gestern im Bundestag: nur schöne Reden. Der deutsche Außenminister stellt sich hinter die Völker am Golf und die Demokratiebewegung.

Guido Westerwelle (FDP), Bundesaußenminister
„Es sind diese freiheitlichen Werte, nach denen jetzt Millionen Menschen im nördlichen Afrika und in der arabischen Welt verlangen. Wir werden diese Völker dabei als Bundesrepublik Deutschland unterstützen.“

Das klingt fast schon zynisch. Die Lage am Golf ist hochexplosiv. Doch die Waffenexporte in diese Region stoppen will die Bundesregierung nicht.

Und warum in diesem Fall, bitteschön, nicht? Erinnern wir uns: Nachdem wir in KONTRASTE berichtet hatten, dass Waffen nach Ägypten geliefert wurden, das stoppte die Bundesregierung nur einen Tag später, neue Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter nach Ägypten.



Autoren: Susanne Katharina Opalka, Sascha Adamek und Detlef Schwarzer