Nach Anschlag vom Breitscheidplatz - Bundesanwaltschaft: Keine Zweifel mehr an Amris Täterschaft

Mi 04.01.17 | 19:52 Uhr
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Eine rote Zugmaschine, die am 20.12.2016 in Berlin auf einer Straße neben dem Breitscheidplatz steht, hat den Sattelauflieger des Lasters angedockt, der am 19.12.2016 bei einem möglichen Anschlag in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gefahren ist (Quelle: dpa/Rainer Jensen)
Video: Abendschau | 04.01.2017 | Norbert Siegmund u. Jo Goll | Bild: dpa/Rainer Jensen

Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Anis Amri den Lkw in die Menschenmenge am Berliner Breitscheidplatz lenkte. Derweil wurde gegen einen mutmaßlichen Kontaktmann Amris Haftbefehl erlassen - wegen Leistungsbetrugs. Für die Berliner Polizei ist er kein Unbekannter.

Gut zwei Wochen nach dem Lkw-Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hält die Bundesanwaltschaft den 24-jährigen Anis Amri zweifelsfrei für den Täter. "Nach unseren Erkenntnissen, nach all dem, was wir zusammengetragen haben, gehen wir davon aus, dass Anis Amri den Anschlag begangen hat", sagte die Sprecherin Frauke Köhler am Mittwoch. Nun werde ermittelt, ob jemand etwas von den konkreten Anschlagsplänen Amris gewusst und ob es Helfer gegeben habe.

Der Tunesier habe demnach am 19. Dezember einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gesteuert. Zwölf Menschen starben bei dem Anschlag, mehr als 50 wurden verletzt. Amri wurde vier Tage später bei einem Schusswechsel mit Polizisten in Mailand auf der Flucht erschossen.

Anis Amri wurde laut Bundesanwaltschaft direkt nach der Tat wohl von einer Kamera am nahe gelegenen Bahnhof Zoo aufgezeichnet. Es sei davon auszugehen, dass der Mann auf dem Video Amri sei, so Köhler. Er sei sich der Aufzeichnung offenkundig auch bewusst gewesen. Der Mann habe den erhobenen Zeigefinger in Richtung Kamera gezeigt - den "Tauhid"-Finger, ein Gruß, der von IS-Anhängern bekannt ist. Der sogenannte Tauhid-Gruß ist Ausdruck des islamischen Glaubensbekenntnisses und soll symbolisieren, dass es neben dem einen Gott ("Allah") keine anderen Götter gibt. Ein Video, in dem Amri dem IS die Treue schwört, hatte die Bundesanwaltschaft zuvor als authentisch eingestuft.

Polnischer Fahrer wurde in Berlin-Moabit erschossen

Die Bundesanwaltschaft teilte am Mittwoch auch neue Details zu dem Anschlag mit: So bestätigte sie, dass die Waffe, die der Tunesier Amri vor seinem Tod bei Mailand auf Polizisten abfeuerte, dieselbe ist, mit der bei dem Attentat in Berlin der polnische Lkw-Fahrer getötet wurde.

Der tödliche Schuss sei nach derzeitigen Erkenntnissen am Parkplatz des Lastwagens, am Friedrich-Krause-Ufer in Berlin-Moabit, erfolgt. Der Fahrer habe zu dem Zeitpunkt auf dem Beifahrersitz gesessen. Dies habe unter anderem die Untersuchung von Schmauchspuren ergeben. Eine am Lastwagen sichergestellte Hülse passe zu der in Italien entdeckten Waffe, so Köhler. Die Ermittlungen zur Frage, wie Amri an die Waffe gekommen sei, gestalteten sich schwierig, weil die Herstellerfirma "Erma" Ende der 90er Jahre Insolvenz angemeldet habe.

Der Sprecherin zufolge befand sich zum Tatzeitpunkt keine dritte Person in der Fahrerkabine. Den Angaben nach hielt sich Amri bereits am Nachmittag des 19. Dezember am Friedrich-Krause-Ufer auf, begab sich dann in die unweit gelegene "Fussilet"-Moschee und gegen 19.30 Uhr wieder zurück in die Uferstraße. Der Anschlag auf dem Breitscheidplatz ereignete sich rund eine halbe Stunde später.

Die Auswertung der GPS-Daten habe zudem folgende Route des Lkw ergeben: Nach der Abfahrt vom Friedrich-Krause-Ufer sei der Lkw von der Budapester Straße zurück auf die Hardenbergstraße, dann über den Ernst-Reuter-Platz und zurück auf die Hardenbergstraße sowie schließlich auf den Breitscheidplatz gefahren. Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte zudem, dass Amri kurz vor der Tat mit seinem Smartphone aus dem Führerhaus eine Sprachnachricht und Bild gesendet habe. An wen, sei noch unklar.

Wo sich Amri am 20. Dezember aufhielt, ist noch nicht endgültig geklärt. Es gebe Erkenntnisse, wonach er nach der Tat über Nordrhein-Westfalen reiste, sagte Köhler. Nach Erkenntnissen der niederländischen Behörden sei der 24-Jährige am 21. Dezember um 11.30 Uhr in Nimwegen und gegen 13.30 Uhr in Amsterdam gewesen. Von Amsterdam fuhr Amri nach Lyon und Chambéry in Frankreich, dann nach Turin und schließlich nach Mailand.

Mutmaßlicher Kontaktmann 2015 festgenommen

Gegen einen Bekannten Amris wurde derweil Haftbefehl wegen des Verdachts auf Leistungsbetrug erlassen. Das bestätigte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, dem rbb. Der Verdacht, er könne in den Anschlag eingebunden gewesen sein, habe sich dagegen laut Bundesanwaltschaft nicht genügend erhärtet.

Der 26-jährige Tunesier ist für die Berliner Justiz kein Unbekannter: Nach Informationen der rbb-Abendschau wurde der Mann im November 2015 schon einmal in Berlin festgenommen. Gegen den Mann sei bereits im Jahr 2015 wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt worden, wie Steltner sagte. Der Festgenommene und zwei weitere Männer sollen Sprengstoff für einen Anschlag in Düsseldorf besorgt haben. Bei der Durchsuchung eines Fahrzeugs in Berlin-Britz und einer Moschee in Berlin-Charlottenburg fanden die Ermittler jedoch keine Beweise. Deshalb soll dieses Verfahren eingestellt worden sein, so Steltner.

Allerdings hätten sich aus diesem Verfahren Hinweise auf Leistungsmissbrauchs ergeben. Konkret werde dem Bekannten Amris vorgeworfen, im Jahr 2015 unter verschiedenen Personalien Asylanträge gestellt und wissentlich zu Unrecht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten zu haben. Es gehe um 2.500 Euro, so Steltner. Die Ermittlungen in diesem Fall dauerten seit mehreren Monaten an. Am Dienstag habe sich dann aufgrund der akuten Situation ein Haftgrund wegen Fluchtgefahr ergeben, deshalb sei der 26-jährige Tunesier festgenommen und am Mittwoch Haftbefehl gegen ihn erlassen worden.

Nach Abendschau-Informationen war der 26-jährige Tunesier als "relevante Person" eingestuft. Das bedeutet, die Behörden hielten ihn nicht für einen potentiellen Attentäter, sondern für einen Unterstützer und radikalen Islamisten.

Amri traf Kontaktmann am Vorabend des Anschlags

Der mutmaßliche Kontaktmann war am Dienstag im Zusammenhang mit den Anschlagsuntersuchungen in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Spandau vorläufig festgenommen worden. Er hatte Amri laut Bundesanwaltschaft am Vorabend des Anschlags in einem Restaurant getroffen und sich intensiv mit ihm unterhalten. Er kannte Amri demnach seit Ende 2015.

Bei einer zweiten Durchsuchung ging es um einen früheren Mitbewohner Amris, den die Bundesanwaltschaft als Zeugen führt. Demnach soll Amri am Tag des Anschlags versucht haben, mit ihm Kontakt aufzunehmen, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Allerdings sei noch unklar, ob beide miteinander sprachen.

Pressestatement der Bundesanwaltschaft in voller Länge

2 Kommentare

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  1. 1.

    wir werden noch immer medial zugeschüttet - Anis Amri auf allen Kanälen - wo er überall von Überw.Kameras aufgenommen wurde , wo u. mit wem er evtl. vor dem Mord zu Abend gespeist hat u. immer wieder seine Physiognomie , wozu das alles ? der Täter ist inzwischen in die Ewigkeit abgereist , was interessiert sein Reiseweg von Berlin bis dorthin ?
    die Ermittler selbstverständlich, aber die Öffentlichkeit ?
    Wie er aber am Rudolf Krause Ufer sich des LKWs bemächtigt hatte, warum der poln. Fahrer auf dem Beifahrersitz saß - bei einem Gewicht von 120 Kg hat ihn der Täter dort nicht hinaufheben können - das alles wird sicherlich nicht rückwirkend
    aufzukären sein mangels Zeugen

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