Kein Untersuchungsausschuss - Berlin setzt Sonderermittler im Fall Anis Amri ein

Di 28.03.17 | 20:18 Uhr
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Ersthelfer, Polizisten, Rettungsdienste und Feuerwehr versorgen am 19.12.2016 die Verletzten nach dem Terroranschlag mit einem LKW auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. (Quelle: imago/Seeliger)
Video: Abendschau | 28.03.2017 | Norbert Siegmund | Bild: imago/Seeliger

Warum konnte Anis Amri im Dezember zwölf Menschen töten - obwohl er den Behörden in Berlin und Nordrhein-Westfalen als "Gefährder" bekannt war? Ein Sonderermittler soll das Handeln der Sicherheitsexperten untersuchen. Einen U-Ausschuss wie in NRW soll es nicht geben.

In Berlin wird ein Sonderbeauftragter das Handeln der Sicherheitsbehörden und mögliche Fehler vor dem Terroranschlag des Tunesiers Anis Amri auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche untersuchen.

Der Berliner Senat beschloss am Dienstag die Berufung eines externen Fachmanns. Nach Informationen des rbb aus Senatskreisen ist die Wahl auf den pensionierten Bundesanwalt Bruno Jost gefallen.

Bruno Jost (Quelle: dpa/ Bernd Wüstneck)
Könnte laut Medienberichten Sonderermittler werden: Bruno Jost | Bild: dpa/ Bernd Wüstneck

"Eine sehr gute Wahl"

Die Senatsinnenverwaltung wollte dies weder bestätigen noch dementieren. Man sei vom Senat beauftragt, eine geeignete Person zu finden und zu bestellen, hieß es. Seine Arbeit soll der Beauftragte Mitte April aufnehmen.

Wolfgang Wieland, früherer Justizsenator für die Grünen, sagte der rbb-Abendschau: "Wer Bruno Jost einen Auftrag gibt, der muss wissen, dass er kein Gefälligkeitsgutachten erhält. Wenn jemand unbestechlich ist und keinem Druck nachgibt, dann ist das Bruno Jost. Von daher ist er eine sehr gute Wahl."

Nach dem Anschlag mit zwölf Toten und 67 Verletzten war deutlich geworden, dass Sicherheitsbehörden vor allem in Nordrhein-Westfalen und Berlin den späteren Attentäter Anis Amri zwar als sogenannten islamistischen Gefährder ansahen und zeitweise auch überwachten. Die Observierung wurde aber vor dem Anschlag eingestellt. Auch wegen krimineller Vergehen war Amri aufgefallen - eine geplante Abschiebung scheiterte jedoch an bürokratischen Hürden. Die Behörden hätten verhängnisvolle Fehler vor und nach dem Anschlag begangen, hatte Innensenator Andreas Geisel Anfang März erklärt. Es habe genügend Informationen über Amri gegeben - diese seien aber falsch bewertet worden.

Sonderermittler, aber kein Untersuchungsausschuss

Am 19. Dezember raste Amri dann mit einem gekaperten Laster in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Kurz darauf wurde er auf der Flucht in Mailand von Polizisten erschossen.

FDP und AfD im Abgeordnetenhaus fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Fall Amri. In Nordrhein-Westfalen tagt ein solcher Untersuchungsausschuss bereits. Dort hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag erklärt, Amri hätte in vor dem Attentat womöglich in Sicherungshaft genommen werden können [mehr Informationen auf tagesschau.de].

Die rot-rot-grüne Koalition war bislang ebenso dagegen wie die CDU, die bis zum Regierungswechsel Anfang Dezember den Innensenator stellte. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte am Dienstag dazu, es gehe darum, bei der Untersuchung jenseits parteipolitischer Debatten schnell voranzukommen, um rasch Lehren ziehen zu können. "Da halten wir den Weg über einen Sonderbeauftragten für den sachgerechteren."

4 Kommentare

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  1. 4.

    Der Sonderermittler kann den Opfern und ihren Angehörigen auch nicht mehr helfen. Die Hilfe kam sowieso zu spät und erst nach Druck im Internet. Außerdem kennen wir den Ausgang doch schon: Kein verantwortlicher Politiker räumt Fehler ein und wird wegen diverser Pflichtversäumnisse belangt. Und an den eigentlichen ursächlichen Zuständen wird nicht gerüttelt. Eine Behörde schiebt der anderen den Joker zu: "Opium für`s Volk".

  2. 3.

    Erbärmlich unsere "Eliten.... jeder schiebt die Schuld auf Andere

  3. 2.

    Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier die STRATEGIE DER SPANNUNG eine Rolle spielen könnte. Bei PETER URBACH konnte sich zunächst auch niemand vorstellen, daß der Verfassungsschutz die RAF mit Sprengstoff und Waffen versorgt. Und doch gelang es mit der RAF, die 68er Bewegung zu diskreditieren, den Radikalenerlaß einzuführen und das deutsche Waffenrecht massiv zu verschärfen. Eine Bilanz, die sie sehen lassen kann.

  4. 1.

    Wen interessiert das das noch, welche Politiker, welche Behörden und welche Medien gnadenlos versagt haben. Medien? Ja, wenn man Revue passieren lässt, wie armselig und spät die bundesdeutsche Öffentlichkeit und Politik den Opfern vom Breitscheid-Platz gedacht haben, wird mir speiübel.

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