Tag der Befreiung in Berlin - Opfergedenken und Appelle an ein lebhaftes Erinnern

Fr 08.05.15 | 17:34 Uhr
Bundespräsident Gauck gedenkt sowjetischer Soldaten (Quelle: dpa)
Brandenburg aktuell | 08.05.2015 | Christoph Hölscher | Bild: dpa-Zentralbild

Parlamente, Gedenkstätten und Museen - an vielen Orten ist am Freitag der Opfer des 2. Weltkrieges gedacht worden. Bundespräsident Gauck rief in Lebus zur Versöhnung auf, der Bundestag appellierte, die Erinnerungskultur zu pflegen und die Gedenkstätte in Karlshorst versucht, der ganz unterschiedlichen Ansprüche an das Erinnern gerecht zu werden.  

Verneigung vor den Opfern, Dank an die Befreier – an mehreren Orten in Berlin und Brandenburg ist am Freitag anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes an die Opfer erinnert worden.

Bundespräsident Gauck gedenkt sowjetischer Soldaten in Lebus (Quelle: dpa)
| Bild: dpa-Zentralbild

Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestag und Bundesrat riefen dabei zu Frieden und Versöhnung auf. Gauck legte am Freitag einen Kranz an der russischen Kriegsgräberstätte im ostbrandenburgischen Lebus nieder. Besonders viele Menschen hätten noch in den letzten Kriegstagen den Tod gefunden, sagte der Bundespräsident: "Ich verneige mich vor ihrem Leid und dem Leid und der Leistung derer, die gegen Hitler-Deutschland gekämpft und Deutschland befreit haben und ich bin dankbar dafür." Gauck war von Botschaftern mehrerer sowjetischer Nachfolgestaaten begleitet worden. In Lebus sind 4.822 sowjetische Soldaten begraben. "Ihr Schicksal mahnt uns, mit all unserer Kraft für Verständigung, Frieden und Versöhnung einzutreten", so Gauck.

Wladimir Putin gratulierte den Staatschefs der Ex-Sowjetrepubliken zum 70. Jahrestag des Sieges über den Faschismus. Heute sei es gemeinsame Aufgabe, das "heilige Andenken" an die Helden zu bewahren, für die Veteranen zu sorgen und eine Wiederholung der tragischen Ereignisse nicht zuzulassen. Russland feiert den Tag des Sieges an diesem Samstag mit einer großen Militärparade. Wegen des Ukraine-Konflikts haben zahlreiche westliche Politiker abgesagt. Merkel legt am Sonntag in Moskau am Grabmal des Unbekannten Soldaten gemeinsam mit Putin einen Kranz nieder.

Historiker erinnert im Bundestag: Auseinandersetzung mit Geschichte ist nie abgeschlossen

Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) würdigte die Alliierten als Befreier des europäischen Kontinents. Die Siegermächte hätten Deutschland nach dem Krieg trotz der nationalsozialistischen Verbrechen aufgefangen, sagte er in einer Gedenkstunde im Bundestag. Für die Deutschen sei die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte später zum schmerzhaften Prozess der inneren Befreiung geworden.

Als Gastredner hatte das Parlament den Historiker Heinrich August Winkler eingeladen. Dieser rief in seiner Rede vor dem Parlament die Deutschen dazu auf, sich auch in Zukunft dem dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte zu stellen. "Abgeschlossen ist die deutsche Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit nicht, und sie wird es auch niemals sein." Aus der Geschichte leite sich die besondere Verantwortung ab, "unter allen Umständen die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen zu achten". Dabei müsse jede Generation ihren eigenen Zugang zur deutschen Vergangenheit suchen. “Niemand erwartet von den Nachgeborenen, dass sie sich schuldig fühlen“, sagte der Historiker.

Großbritannien, USA und Ukraine kommen nicht nach Karlshorst

Mit einem Fest wurde auch im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst an das Kriegsende erinnert. In dem Museumsgebäude war mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende gegangen. Das Haus richtet an diesem Datum jährlich ein Museumsfest aus. Am späten Abend wollte dort mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erstmals ein Mitglied der Bundesregierung den traditionellen "Toast auf den Frieden" sprechen.

Auf dem Empfang muss das Deutsch-Russische Museum allerdings in diesem Jahr auf die Vertreter Großbritanniens, der USA und der Ukraine verzichten.

Die Hintergründe für ihr Fernbleiben liegen im Streit um den Ukraine-Konflikt. Der Direktor des Hauses, Jörg Morré, bedauerte im rbb die Absage der Vertreter: "Wir wollen hier an dem Ort markieren: Es war ein Alliierten-Sieg, deshalb hätten wir gern auch alle Alliierten in irgendeiner Form hier vertreten." Und ein Treffen aller in Karlshorst könne eine wichtige Geste dafür sein, dass Karlshorst ein Ort ist, an dem man sich austauschen kann.

Museumsdirektor wirbt für Austausch über das Gedenken

Morré erklärte, als Beispiel für einen fruchtbaren Austausch - trotz der aktuellen Differenzen - könne die Arbeit des Trägervereins für das Museum sein. Auch wenn hier die Ansichten von Russen, Weißrussen, Ukrainern und anderen nationalen Vertretern zunehmend auseinanderdrifteten, gebe es eine Diskussionskultur, die eine gemeinsame Arbeit an der Aufarbeitung der Geschichte ermögliche. "Wir wissen, dass das weiter schwierig ist, hoffen aber alle auf bessere Zeiten und haben hier einen Gesprächsfaden, der nach wie vor nicht abgerissen ist."

Sympathisanten und Mitglieder des russischen Motorradclubs Nachtwölfe am Deutsch-Russischen Museum in Berlin (Quelle: dpa)
Bild: dpa-Zentralbild

Besuch von den Nachtwölfen

Beleg dieses nur schwer zu vereinheitlichen Gedenkens in Karlshorst war am Freitagnachmittag ein Besuch des Museums durch Mitglieder und Sympathisanten des kremlnahen russischen Motorradclubs "Nachtwölfe". Die Männer hatten sich vor mehreren Wochen auf den Weg nach Berlin gemacht, um hier den "Tag des Sieges", wie der 9. Mai in Russland heißt, zu begehen. Die Männer erklärten in Karlshorst, sie wollten der Gefallenen im Zweiten Weltkrieg gedenken und legten rote Nelken nieder.  

Enthüllung der Gedenktafel für Richard von Weizsäcker (Quelle: dpa)
Bild: dpa

Richard von Weizsäcker mit Gedenktafel geehrt

Im Stadtzentrum von Berlin würdigte der Axel-Springer-Konzern den Ende Januar gestorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit einer Gedenktafel. Wie der Konzern mitteilte, wurde die Tafel bewusst am 70. Jahrestag des Kriegsendes vor dem Axel-Springer-Haus enthüllt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte bei der Feierstunde: "Wenn wir heute an diesem Ort stehen, gedenken wir unwillkürlich zweier Befreiungen: der des 8. Mai 1945 und der des 9. November 1989." Weizsäcker, der selbst im 2. Weltkrieg als Offizier der Wehrmacht im Krieg war, setzte sich später in seiner politischen Laufbahn für die Aufarbeitung der deutschen Geschichte und die Versöhnung der einstigen Kriegsparteien ein.  

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