Gute Infrastruktur und Verkehrsanbindung sind gefragt - Der Trend geht zum Wohnen in der Berliner Innenstadt

Mi 15.07.15 | 11:57 Uhr | Von Markus Streim
Der Bogen der Oberbaumbrücke rahmt den Blick auf das Spreeufer in Richtung Mitte (Quelle: dpa)
Bild: dpa

Viele hat es überrascht, dass Berlins Stadtentwicklungssenator Geisel ein deutlich schnelleres Bevölkerungswachstum in der Stadt prognostizierte, als bisher angenommen. Doch in den Innenstadtbezirken ist diese Entwicklung längst abzusehen. Überall wird modernisiert oder neugebaut. Wird das in den nächsten Jahren so weitergehen? Von Markus Streim

In der Flottwellstraße am Berliner Gleisdreieck werden derzeit nach über zweijähriger Bauzeit die letzten Häuser fertiggestellt. Alle 270 Miet- und Eigentumswohnungen sind längst vergeben. Wolfgang Clausmeier zieht gerade im sechsten Stock ein. "Ich bin von Schöneberg hierher gezogen. Ich habe in der 5. Etage gewohnt, ohne Aufzug. Jetzt habe ich mich um 30 Quadratmeter verkleinert, bin aber beim selben Preis."

Gut 1300 Euro Warmmiete für 85 Quadratmeter zahlt er jetzt, inklusive U-Bahn-Lärm, dafür mit einem tollen Ausblick und dem Park direkt vor der Tür. So etwas wünschen sich ganz viele in Berlin, sagt Jan Hebecker vom Onlineportal Immobilienscout24: "Der Trend geht dahin, dass die Menschen nah der Innenstadt wohnen wollen, mit guter Verkehrsanbindung und Infrastruktur. Kreuzberg, auch Teile von Neukölln sind attraktiv geworden. Dort ziehen die jungen Menschen hin, gründen Familien und schaffen dort auch Eigentum."

Bis zum letzten ausgeknautscht

Gegen Preissteigerung und Gentrifizierung kämpft Hans Panhoff. Der Grünen Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg weiß aber auch, dass nur neuer Wohnraum diese Entwicklung bremsen kann. Er hat für seinen Bezirk eine Wohnungsbaupotenzialstudie erstellen lassen. "Wenn man alles nutzt, wenn bis zu 38.000 Menschen zuziehen, dann heißt das, dass die ganzen Dachgeschosse ausgebaut werden, dass die Fünfzigerjahre-Siedlungen nachverdichtet werden. Aber dann ist wirklich alles bis zum letzten ausgeknautscht."

Alles ist machbar

Die freien Flächen im Innenstadtbereich erkennt man sehr gut aus der S-Bahn heraus: Baulücken aus dem Krieg, nicht ausgebaute Dachgeschosse, ungenutzte Brachen, leestehende Fabrikgebäude oder einstöckige Supermärke. Man könnte hier längst weiter sein, meint Jan Hebecker von Immobilienscout, wären da nicht bürokratische Hürden und eine schlecht aufgestellte Baubranche. "Alles ist machbar, wenn man die Visionen hat, sehen Sie sich Tokyo oder London an. Wir haben ganz viele innenstadtnahe Flächen, die man nachverdichten kann. Wir haben aber ein relativ restriktives Baugesetz. Da müsste von der Politik ein bisschen mehr Kreativität kommen, um die Lücken zu füllen."

Wichtige Prozesse über die Bühne kriegen

Senat und Bezirke setzen weiter auf einen Mix aus privatem und städtischem Wohnungsbau. In Friedrichshain West, wo die WBM neue Hochhäuser plant, will Baustadtrat Panhoff die empörten Anwohner noch überzeugen, dass der Wohnungsbau im Interesse aller ist. "Ohne zusätzlichen Wohnungsneubau wird man den Bedarf nicht decken können. Das wird Verdrängungsprozesse geben, die viel schlimmer sind als der ein oder andere Neubau in einer Bestandssituation."

So gehen die Überlegungen in viele Richtungen. Zum Beispiel: Wie kann man Alleinwohnende überzeugen, in kleinere Wohnungen umzuziehen. Aber auch das Thema Tempelhofer Feld wird irgendwann kein Tabu mehr sein. Bis dahin sind kluge und weitsichtige Ideen gefragt, sagt Stadtplanerin Cordelia Polinna von der TU Berlin. "Dass es nicht überall Blockaden gibt, und dass es von Seiten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht wieder so ein Durchregieren geben muss, das wird ein wichtiger Prozess, den wir in den nächsten Monaten über die Bühne kriegen müssen."

Wolfgang Clausmeier kann diesen Prozess entspannt am Gleisdreieck verfolgen, auf einem seiner zwei Balkone. Er hat sein neues Zuhause gefunden. Für viele andere geht die Suche weiter.

Beitrag von Markus Streim

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