Datenanalyse zum Berliner Mietwohnungsmarkt - Suche Mitte, finde Stadtrand

Mo 10.10.16 | 11:39 Uhr
Symbolbild: Straßenszene um ein Café in Berlin (Quelle: imago/Schöning)
Bild: imago/Schöning

Berlin wächst, das macht auch das Wohnen teurer. Alle Berliner Parteien haben sich das Thema bezahlbarer Wohnraum vor der Abgeordnetenhauswahl ganz oben auf die Agenda gesetzt. Aber wie sieht die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt eigentlich genau aus? Eine Daten-Recherche von Jana Göbel, Götz Gringmuth und Dominik Wurnig

Seit 2007 sind die Angebotsmieten für Wohnungen in allen Bezirken Berlins deutlich gestiegen. Friedrichshain-Kreuzberg hat laut Erhebung von Immobilienscout24 Charlottenburg-Wilmersdorf als teuerstes Pflaster abgelöst. 2007 kostet eine Mietwohnung in Friedrichshain-Kreuzberg nach Berechnung des Immobilienportals nur 5,90 Euro pro Quadratmeter - 2016 sind es schon mehr als zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter.

2007 noch an erster Stelle, ist Charlottenburg-Wilmersdorf heute der zweitteuerste Wohnbezirk in Berlin. Die Bezirke Mitte und Pankow liegen dicht gefolgt auf Platz drei und vier. Weiterhin die günstigste Wohngegend in Berlin ist der Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Im Vergleich zu den teuren Bezirken ebenfalls moderat bleiben Spandau, Reinickendorf und Treptow-Köpenick mit Quadratmeterpreisen unter acht Euro monatlich. Eine neu zu vermietende 100 Quadratmeter große Mietwohnung im trendigen Kreuzberg kostet auf dem freien Markt kalt durchschnittlich über 1000 Euro monatlich; in Marzahn wäre die selbe Wohnung wohl schon um 630 Euro zu haben.

Der Trend zeigt auch, dass die Mietpreise in den Bezirken immer weiter auseinanerdriften. 2007 lag die Differenz bei den Mieten zwischen dem teuersten (Charlottenburg-Wilmersdorf) und dem günstigsten (Marzahn-Hellersdorf) Kiez bei 1,90 Euro pro Quadratmeter. 2016 kostet eine Mietwohnung in Friedrichshain-Kreuzberg schon 3,80 Euro pro Quadratmeter mehr als in Marzahn-Hellersdorf.

Nicht überall entwickeln sich die Mieten gleich: Während in einigen Trendbezirken die angebotenen Mieten auf durchschnittlich über neun Euro pro Quadratmeter gestiegen sind, haben sich in anderen Stadtteilen die Mieten moderater entwickelt.

Lange Zeit als Problembezirk geschmäht, ist Neukölln aktuell ein beliebter Wohnbezirk: Im Schnitt um 73 Prozent sind dort die Mietpreise in den letzten zehn Jahren gestiegen - mehr als irgendwo sonst in Berlin. In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte sind die Mieten ebenfalls um mehr als 65 Prozent in die Höhe geschossen. Weniger stark war das Wachstum in den Außenbezirken Berlins: In Marzahn-Hellersdorf stiegen die Mieten "nur" um 34 Prozent. In Spandau, Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick und Reinickendorf sind die Mieten in den letzten zehn Jahren um rund 43 Prozent gestiegen.

Die Daten zeigen die Durchschnittswerte für die einzelnen Bezirke. Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese in einzelnen Kiezen darüber oder darunter liegen können.

Laut IBB-Wohnungsmarktbericht bewegt sich beispielsweise in Friedrichshain-Kreuzberg die Spanne bei den Angebotsmieten überwiegend zwischen 8 und 14 Euro pro Quadratmeter.

Überall in Berlin sind die Einkommen der Haushalte seit 2007 gestiegen, wie die grünen Balken zeigen: Während im Bezirk Spandau das Plus magere sechs Prozent ausmacht, liegt das mittlere Haushaltsnettoeinkommen in Friedrichshain-Kreuzberg im Jahr 2015 um 38 Prozent höher als 2007. Doch das prozentuelle Wachstum täuscht. 2007 war Friedrichshain-Kreuzberg noch abgeschlagen der Bezirk mit dem geringsten Einkommen, 2015 haben die Haushalte dort noch immer das zweitniedrigste Einkommen im Mittel. Dennoch muss man in dem angesagten Kiez mittlerweile die teuersten Angebotsmieten bezahlen. Einkommensstärkster Bezirk ist und bleibt Steglitz-Zehlendorf.

Vergleicht man die Entwicklung der Einkommen mit der Steigerung der Mieten, zeigt sich ein Problem, mit dem insbesondere Haushalte mit einem geringeren Monatseinkommen zu kämpfen haben: Ein mittlerer Haushalt in Berlin-Mitte hatte 2015 (neueste Zahlen) nur um ein 14 Prozent höheres Nettoeinkommen als 2007. Wer innerhalb seines Bezirks in Mitte umziehen will, muss für eine neue Mietwohnung aber inzwischen im Schnitt 64 Prozent mehr bezahlen.

Ähnlich weit auf geht die Schere auch in den beliebten Bezirken Neukölln und Pankow. Die Einkommen steigen zwar überall, die Mieten rasen aber weiterhin davon.

Wer innerhalb Berlins umzieht, lässt sich vermehrt am Stadtrand nieder. Dargestellt auf der Grafik oben ist der Saldo der Berliner, die aus den Bezirken zu- bzw. wegziehen. Der Blick auf den Binnenwanderungssaldo zeigt eine Entwicklung: Mehr Menschen sind von Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg in andere Bezirke gezogen als umgekehrt. Die Randbezirke Treptow-Köpenick, Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf gewinnen besonders stark aus anderen Bezirken dazu. Ein ganz anderes Bild zeichnen die Zuzüge aus anderen Bundesländern und dem Ausland.

Berlin ist ein Magnet. In den vergangenen zehn Jahren sind etwa 1,5 Millionen Menschen aus anderen Bundesländern und dem Ausland neu nach Berlin gekommen, die sich fest oder temporär in der Hauptstadt niedergelassen haben. Besonders attraktiv für Neu-Berliner sind die Innenstadtbezirke Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow mit dem beliebten Prenzlauer Berg.

Nachdem im Jahr 1998 die Berliner Stadtflucht ihren Höhepunkt erreicht hatte, ging jahrelang die Zahl der Umzüge in den Speckgürtel zurück. 2011 hat sich der Trend umgekehrt. Nun ziehen langsam aber stetig Jahr für Jahr wieder mehr Menschen aus Berlin in die umliegenden Städte und Gemeinden.

(Korrektur: In einer früheren Version der Grafik hatte sich eine falsche Zahl eingeschlichen. Statt der ursprünglich ausgewiesenen 27.816 haben im Jahr 2015 nur 22.235 Menschen ihren Wohnsitz von Berlin ins Umland nach Brandenburg verlegt.)

Die Statistik zeigt, dass die Berliner vor allem in die angrenzenden Brandenburger Landkreise ziehen. Ganz vorne liegt Oberhavel: 41.672 Berliner haben sich dort in den letzten zehn Jahren niedergelassen.  Ebenfalls beliebt sind die Landkreise Märkisch-Oderland, Barnim, Dahme-Spreewald und Potsdam-Mittelmark.

Auch wenn es sich hier um einen Trend handelt, besteht nicht die Gefahr, dass Oberhavel Berlin-Mitte den Rang abläuft. Während von 2006 bis 2015 254.000 Menschen von außerhalb nach Mitte gezogen sind, haben im selben Zeitraum gerade mal 42.000 Menschen Berlin Richtung Oberhavel verlassen.

Wie verändern die steigenden Wohnkosten das Leben in den Bezirken und im Berliner Umland? Abendschau, Inforadio, radioBerlin 88,8 und das Wirtschaftsmagazin was! senden ab dem 9. Oktober eine Woche lang die Geschichten hinter den Zahlen.