AfD vor Stadtratsposten, Linke wollen Bezirksbürgermeisteramt - Linke in Marzahn-Hellersdorf jubeln nur gedämpft

Mo 19.09.16 | 16:27 Uhr | Von Sarah Mühlberger
Archivbild - Der Alice-Salomon-Platz in Berlin-Hellersdorf (Quelle: imago/Schöning) | Bild: imago/Schöning

Zwei Direktmandate, Anspruch auf einen Stadtratposten und das beste Zweitstimmenergebnis im Bezirk: Für die rechtspopulistische AfD war die Wahl in Marzahn-Hellerdorf ein voller Erfolg. Das trübt auch die Stimmung bei den Linken, obwohl sie künftig wohl wieder die Bürgermeisterin des Bezirks stellen werden. Von Sarah Mühlberger

Eigentlich war es ein guter Abend für Dagmar Pohle von den Linken: Ihre Partei wurde bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Marzahn-Hellersdorf mit 26,0 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, die Bezirksstadträtin für Gesundheit und Soziales wird deswegen aller Voraussicht nach neue Bürgermeisterin des Bezirks. Pohle freut sich dennoch nur verhalten.

"Es ist ambivalent", sagte sie am Montag im Gespräch mit rbb|24.  "Ich freue mich über das gute Ergebnis und bin ja auch dafür angetreten, dass die Linke wieder den Bürgermeisterposten beanspruchen will." Klar sei aber auch, dass es eine ganz andere Herausforderung werde als in der vorletzten Legislaturperiode, als Pohle schon einmal Bezirksbürgermeisterin war. "Das liegt bei der Konstellation auf der Hand", sagt die 63-Jährige, die aktuell Vizebürgermeisterin des Bezirks ist.

Linken-Bezirksstadträtin für Gesundheit und Soziales und stellvertretende Bürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf Dagmar Pohle (Quelle: imago/Sven Simon)
Bild: imago/Sven Simon

Pohle kann sich nicht vorstellen, einen AfD-Stadtrat zu wählen

Denn nur etwas schlechter als die Linke schnitt in Marzahn-Hellersdorf auf Bezirksebene die AfD ab, sie holte 23,2 Prozent der Stimmen und wird künftig 15 Bezirksverordnete und wohl auch einen Stadtrat stellen. Man müsse diesen gesetzlich verankerten Anspruch akzeptieren, sagte Pohle, bekräftigte aber gleichzeitig noch einmal, dass sie sich persönlich nicht vorstellen könne, einen AfD-Stadtrat zu wählen.

Noch besser als auf Bezirksebene schnitt die AfD in Marzahn-Hellersdorf auf Landesebene ab: Hier holte die Partei die meisten Zweitstimmen aller Parteien – knapp jeder Vierte machte sein Kreuz bei der AfD. Zudem holte die Partei zwei Direktmandate: Gunnar Lindemann gelang im Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf 1 (Ahrensfelde, Marzahn-West und Marzahn-Ost) mit 30,6 Prozent der Stimmen das beste Einzelergebnis für die AfD. In der Landsberger Allee, der Poelchaustraße und der Ringelnatzsiedlung (Marzahn-Hellersdorf 3) holte Jessica Bießmann 29,8 Prozent und damit die meisten Erststimmen.

"Nicht nur ein Problem der Plattenbausiedlungen"

Man dürfe es sich jetzt nicht zu leicht machen, warnt Dagmar Pohle mit Blick auf das gute Abschneiden der AfD. "Es ist nicht nur ein Problem der Plattenbausiedlungen." Schließlich habe die AfD auch im Siedlungsbereich des Bezirks gut abgeschnitten, in dem vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser stehen und in dem die soziale Struktur eine andere ist. Zudem zeigten die Wählerwanderungen, dass die AfD-Wähler nicht nur aus dem Spektrum der Nichtwähler kamen, sondern auch von den großen Parteien wie der SPD und der CDU. "Hier wurde nicht einfach eine Protestpartei durch eine andere ersetzt", sagt Pohle, das müsse man ernstnehmen.

Sie beschäftige deswegen, wie man die demokratischen Prozesse im Bezirk und im Land Berlin so ändern kann, dass sie verständlicher werden und mehr Bürger erreichen. Was sie damit meint, illustriert sie mit einem Beispiel: "Heute Morgen hat uns eine ältere Bürgerin angerufen und sich über ihren fehlerhaften Rentenbescheid beschwert. Sie erwartete, dass wir uns ihres Problems annehmen, dass wir diesem Fall gar nicht zuständig sind, wollte sie nicht einsehen", erzählt Pohle. "Na ein Glück, dass ich die AfD gewählt habe", habe die Anruferin gesagt und aufgelegt.

Pohle war schon einmal Bezirksbürgermeisterin

Von 2006 bis 2011 war Dagmar Pohle schon einmal Bezirksbürgermeisterin. Nach der BVV-Wahl 2011 verhinderten SPD, Grüne und CDU ihre Wiederwahl, obwohl die Linke stärkste Partei in Marzahn-Hellersdorf geworden war. Neuer Bezirksbürgermeister wurde damals Stefan Komoß von der SPD, jetzt wird er seinen Posten wohl wieder an seine Vorgängerin übergeben müssen. Eine Zählgemeinschaft aus SPD, Grünen und CDU käme nur noch auf 24 Stimmen und damit nicht mehr auf eine Mehrheit in der BVV Marzahn-Hellersdorf.

Die Linke wird 16 Bezirksverordnete stellen. Als stärkste Partei werde man nun Gesprächsangebote an "alle demokratischen Parteien" machen, sagt Dagmar Pohle.  

Beitrag von Sarah Mühlberger

Das könnte Sie auch interessieren

Symbolbild: Luftblick auf die Berliner Innenstadt Ost - Höchhäuser der Leipziger Straße. (Quelle: dpa/Maurice Tricatelle)
dpa/Maurice Tricatelle

Analyse | BerlinTrend - Im Osten was Neues

Das BSW hat zwar noch keinen Landesverband gegründet, wirbelt dennoch die Mehrheiten durcheinander. Der neueste BerlinTrend zeigt, dass das Bündnis nicht nur der AfD Konkurrenz macht. Von Christoph Reinhardt