Von Reuter und Brandt zu Müller und Henkel - Berlins Politiker glänzen nicht mehr

Sa 17.09.16 | 20:09 Uhr | Von Alex Krämer
Kollage - Berlins damaliger Oberbürgermeister Willy Brand (l.) bei einem Besuch 1962 in Washington. (Quelle: imago/ZUMA/Keystone) | Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (r.) im Abgeordnetenhaus von Berlin. (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: Landespolitische Redaktion des rbb | 16.09.2016 | Alex Krämer | Bild: imago/ZUMA/Keystone | dpa/Britta Pedersen

Berlin wählt und die wichtigsten Politiker heißen Michael Müller und Frank Henkel. Dabei gab es doch mal große bekannte Namen: Reuter, Brandt, Weizsäcker, auch Wowereit. Warum glänzt das nicht mehr wie früher? Von Alex Krämer

Auf der Insel West-Berlin, eingeschlossen von sowjetischer Besatzungszone beziehungsweise DDR, musste ein Regierender Bürgermeister jederzeit damit rechnen, unversehens von jetzt auf gleich in historische Situationen zu geraten. So passierte es Ernst Reuter 1948 mit der Blockade und der Luftbrücke: "Ihr Völker der Welt: Schaut auf diese Stadt!"


Dreizehn Jahre später wurde die Mauer gebaut und Willy Brandt sprach die historischen Worte: "Wir rufen die Völker der Welt hierher nach Berlin zu sehen, wo die blutende Wunde eines Volkes verkrustet werden soll, durch Stacheldraht und genagelte Stiefel!"


Stadtpolitik war Weltpolitik und Außenpolitik. Das gab es so nur in West-Berlin, sagt Gero Neugebauer, Politologe an der Freien Universität. Das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin sei wegen der auftauchenden Schwierigkeiten oft eine echte Herausforderung für die Amtsinhaber gewesen, so Neugebauer: "Manche waren eben in der Lage, die so anzunehmen, dass sich Persönlichkeiten wie Willy Brandt herausgebildet haben. Willy Brandt hat in einem bestimmten Moment nach dem Mauerbau gesagt, so geht das nicht weiter, ich kann hier nicht zu einer Provinzstadt verkümmern, sondern das Problem muss gelöst werden!" Daraus wurde dann die Ostpolitik, und Willy Brandt wurde Kanzler. Krisen formen Persönlichkeiten.

Diese herausgehobene Situation West-Berlins war aber spätestens mit der Wiedervereinigung vorbei. Vorher hatte Walter Momper noch kurz die Chance, bei der Öffnung des Brandenburger Tors dabei zu sein: "Berlin hat sein altes Wahrzeichen wieder. Berlin, nun freue dich!"


Dann aber war Schluss mit Frontstadt, sagt Gero Neugebauer. Und damit verschwand auch der internationale Hintergrund. "Berlin ist jetzt Hauptstadt, der Krisenhintergrund ist verschwunden. Wenn die Staatsoberhäupter kommen, dann gehen die nicht mehr zum Regierenden Bürgermeister. Dann gehen die zur Bundeskanzlerin oder zum Bundeskanzler."

Entsprechend ist die Berliner Landespolitik grauer und normaler geworden. Die Versuche, bekannte Bundespolitiker in die Hauptstadt zu schicken, sind sowohl bei SPD als auch bei der CDU gescheitert. Ohne Frontstadt-Status passierte weniger Glanz, so einfach könnte die Erklärung sein für das Personal in der Berliner Politik. Gäbe es nicht die Ausnahme Klaus Wowereit: "Damit auch keine Irritationen aufkommen: Ich bin schwul und das ist auch gut so!"


Damit war Klaus Wowereit schon beim Amtsantritt 2001 Aufmerksamkeit sicher - und die blieb: Wowereit regierte erstmal mit der Linken, verordnete der subventionsverwöhnten Stadt einen dringend nötigen Sparkurs. Das Kleingeld – so Gero Neugebauer – habe der Regierende Wowereit so gut poliert, dass man gedacht habe, die ganze Stadt sei wieder glänzend. "Wowereit hat ihr ein Image verschafft mit diesem 'arm, aber sexy'. Es ist auch die Art und Weise, wie er regiert hat, dass er auch gesagt hat, Glamour-Faktor ist wichtig für die Darstellung. Das heißt, es gibt so eine ganze Reihe von Mosaiksteinen, bei denen man, wenn man die dann zusammenfügt, sagt: Donnerwetter! Er ist das Scharnier, dass das alte mit dem neuen Berlin verbindet."

Insofern ist arm-aber-sexy-Wowereit eine Ausnahme von der Fronstadt-Regel, die im Übrigen aber gilt. Berlin ist jetzt halt so wie andere große Städte - fast jedenfalls.

Beitrag von Alex Krämer

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