Übersicht | Bürgermeisterwahl am 24. September - Brandenburger bestimmen 34 neue Rathauschefs

So 24.09.17 | 06:30 Uhr

Brandenburg hängt nicht nur voller Wahlplakate für die Bundestagswahl. In fast drei Dutzend Städten und Gemeinden wird auch für die Kandidaten geworben, die auf den Chefsessel im Rathaus wollen. Wer am Sonntag wo antritt - eine Übersicht.

Angela Merkel, Martin Schulz, tausende andere Kandidaten - wenige Tage vor dem 24. September dreht sich fast alles um die Bundestagswahl. Doch an dem Sonntag können viele Bürger in Brandenburg noch über etwas anderes abstimmen: In insgesamt 34 Städten und Gemeinden stehen Wahlen hauptamtlicher Bürgermeister an. Einige Beispiele, nach der Zahl der Einwohner beziehungsweise der Wahlberechtigten geordnet:

Oranienburg: Neues Stadtoberhaupt nach 24 Jahren

Ganz gleich, wer gewinnt – in Oranienburg (Oberhavel) geht nach dem 24. September in jedem Fall eine Ära zu Ende. Denn Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) tritt nach 24 Dienstjahren nicht mehr zur Wiederwahl an.

Laesicke habe die 45.000-Einwohner-Stadt vom hässlichen Entlein mit übel riechenden Industriebetrieben zur wirtschaftlichen Boomtown entwickelt und sich als beharrlicher Kämpfer für seine Stadt einen Namen gemacht, lautet die Bilanz von Dominik Lenz, landespolitischer Reporter des rbb in Brandenburg. Eines der Herzensanliegen Laesickes: Auf den Kosten für die Entschärfung der vielen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg, von denen immer noch 300 in der Oranienburger Erde vermutet werden, darf nicht die Kommune sitzen bleiben. Dafür sollen vielmehr das Land Brandenburg und der Bund zahlen.

Neben der Bombenbeseitigung steht auch der Ausbau der sozialen Infrastruktur auf der To-Do-Liste des neuen Oranienburger Rathauschefs. Denn die Einwohnerzahlen steigen - auch wegen der guten Verkehrsanbindung an Berlin.

Acht Kandidatinnen und Kandidaten wollen nun in Laesickes Fußstapfen treten, darunter sein Sohn Alexander, der als Parteiloser für die Bürgermeisterwahl nominiert ist. Ebenfalls als parteilose Einzelkandidaten gehen der evangelische Pfarrer Friedemann Humburg und der Haus- und Gebäude-Manager Kevin Blüthgen ins Rennen. Die SPD hat die Politikwissenschaftlerin Jennifer Collin am Start, die Linke den Bürokaufmann Enrico Rossius. Für die CDU ist die Betriebswirtin Kerstin Kausche aufgestellt, für die Grünen der Management-Berater Heiner Klemp. Für die AfD möchte Diplom-Ingenieur Jan Radke Bürgermeister werden.

Königs Wusterhausen: Sechs Kandidaten im Rennen

Königs Wusterhausen liegt im Speckgürtel um Berlin (Dahme-Spreewald) - und davon profitiert die Stadt. Es gibt Zuzüge aus der Hauptstadt, Wohngebiete werden ausgebaut, die Einwohnerzahlen steigen seit Jahren, wie es von der Stadtverwaltung heißt. Dennoch ist das Ganze kein Selbstläufer. Einen Dämpfer gab es in diesem Jahr für den Hafen in Königs Wusterhausen durch den Wegfall von wichtigen Braunkohleumschlag-Aufträgen.

Für den Chefsessel im Rathaus empfehlen sich gleich sechs Kandidaten und Kandidatinnen bei den rund 30.000 Wahlberechtigten – so viele wie nie. Bemerkenswert: Linke und Grüne schicken mit Gudrun Eichler erstmals eine gemeinsame Kandidatin ins Rennen.  

Georg Hanke kandidiert in Königs Wusterhausen

Erster blinder Bürgermeister in Brandenburg?

Bei den Sozialdemokraten gibt es eine Art Generationswechsel: Amtsinhaber Lutz Franzke (63) tritt nicht mehr an – die SPD hat sich für den 48-jährigen Georg Hanke als Kandidat entschieden, der schon seit 2009 Vorsitzender des Stadtparlaments ist.

Hanke, von Beruf Dozent an der Landesfinanzschule Brandenburg, ist fast vollständig blind. Würde er gewählt, wäre er der erste blinde Bürgermeister Brandenburgs. Auf die Blindheit möchte der 48-Jährige nicht reduziert werden, er geht aber offensiv damit um: "Wenn ich mit Leuten in ein persönliches Gespräch komme, habe ich die Angewohnheit, einen Blindenwitz zu erzählen", sagt der Sozialdemokrat im Gespräch mit dem rbb. "Wenn mich die Menschen dann kennenlernen, ist es leichter, sich ein Bild davon zu machen, ob das [Blindsein] im Amt eines Bürgermeisters geht oder nicht."

Viele Altbekannte in Königs Wusterhausen

Die CDU in Königs Wusterhausen geht mit Jörn Perlick in die Bürgermeisterwahl. Er ist schon seit 1999 als Kämmerer für die Finanzen der Stadt zuständig. Auch die FDP hat eine eigene Kandidatin aufgestellt: Anke Gerth, Geschäftsführerin des Bildungsträgers Zukunftswerkstatt Wildau und früher bei den Linken aktiv.

Für die Freien Wähler tritt Swen Ennullat an, der zeitweise schon im Rathaus in Königs Wusterhausen saß: Der Ex-Polizist und heutige Jugendamtleiter im Kreis Teltow-Fläming verantwortete knapp zwei Jahre lang den Bereich Familie, Bildung und Soziales in "KW". Nach Kritik an Abrechnungen einer Kita und einem Streit mit dem damaligen Bürgermeister schied Ennullat Ende 2014 aus dem Amt. Jetzt aber will der "Whistleblower" (Märkische Allgemeine), der als Polizist auch als Neonazi-Jäger aufgefallen sein soll, ganz oben ins Rathaus einziehen.

Dorthin will auch Birgit Uhlworm. Die langjährige Stadtverordnete, Geschäftsführerin des Alleinerziehendenverbands Shia und studierte Sprachmittlerin ist Bürgermeisterkandidatin der Unabhängigen Frauenliste.

Eisenhüttenstadt - Schrumpfung und Sanierung

Eisenhüttenstadt zählt mit rund 28.000 Einwohnern nicht mehr zu den größeren Städten Brandenburgs. Dabei hatte der Ort an der polnischen Grenze, der Anfang der 1950er Jahre als sozialistische Wohnstadt in der Nähe des Stahlkombinats entstand, zu DDR-Zeiten teilweise fast doppelt so viele Einwohner und eine viel größere wirtschaftliche Bedeutung. Doch mit dem Strukturwandel seit der Vereinigung befindet sich "Hütte" in einem Schrumpfungsprozess. Böse Zungen sprechen von "Schrottgorod".

Die Sanierung des Kernbereichs der denkmalgeschützten Architektur ist seit Jahren ein Thema in der Stadt. Außerdem wird "Hütte" oft mit dem Thema Asyl in Verbindung gebracht: Dort liegt die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg.

Mehr Betriebe ansiedeln, weitere Gebäude sanieren oder abreißen, mehr für Kinder und Jugendliche tun, Kriminalität bekämpfen – das wünschten sich die Eisenhüttenstädter in einer rbb-Umfrage diesen Sommer.

Eine Frau und zwei Männer kandidieren in "Hütte"

Regiert wird Eisenhüttenstadt seit sieben Jahren von der Linken-Politikerin Dagmar Püschel. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde sie im vergangenen Jahr, als sie sich gegen ihre Stadtverordneten weigerte, Entschädigungen für Altanschließer zu zahlen.

Neben Püschel stellen sich Frank Balzer (SPD) und Thomas Rein (Einzelwahlvorschlag) zur Wahl des Bürgermeisters. Balzer ist studierter Maschinenbauer, arbeitet in der Personalabteilung des ArcelorMittal-Stahlwerks, wo er auch im Betriebsrat aktiv ist, und engagiert sich als Stadtverordneter. Der parteilose Rein ist gelernter Baufacharbeiter und studierter Diplom-Ingenieur und arbeitet selbständig. Früher sympathisierte er mit der FDP. Anfang der 1990er Jahre war er schon einmal Beigeordneter im Rathaus, jetzt will er auf den Chefsessel.

Nauen - Rathaus muss neu besetzt werden

In der Stadt Nauen im Havelland läuft vieles ziemlich gut. Es gibt Wachstum, die Arbeitslosenquote liegt nach Stadtangaben unter fünf Prozent. Die Nähe zu Berlin wirkt sich positiv aus, weil viele Hauptstädter hier ihren Wohnort wählen. Doch dadurch werden auch Investitionen notwendig. Kitas und Schulen müssen zum Beispiel ausgebaut werden.

Nauen geriet aber auch in die negativen Schlagzeilen, nachdem Neonazis im Sommer 2015 eine Sporthalle in Brand setzten, die als Notunterkunft für Flüchtlinge vorgesehen war. Inzwischen ist die Halle neu aufgebaut. Die Täter wurden zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt.

Wenn am Sonntag rund 15.000 Wahlberechtigte einen neuen Bürgermeister bestimmen, tritt der amtierende Rathauschef Detlef Fleischmann (SPD) nicht mehr an. Nach zwei Amtsperioden wollte er nicht mehr kandidieren. Die Nauener können sich dann unter drei Kandidaten von SPD, CDU und einer Wählergemeinschaft entscheiden.

Bad Freienwalde - Kann sich der Rathauschef nach dem Heilbad-Streit halten?

Negativ-Schlagzeilen machte Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland) mit einem Thema, das eigentlich die Schokoladenseite der Stadt hervorheben sollte: den Status als Moorheilbad. In einem zähen Streit ging es darum, ob eine Bundesstraße erhalten oder abgerissen werden soll. Ein Fachgremium für Kurorte befand, dass diese Straße nicht ins Bild eines Kurortes passt. Freienwalde stand kurz davor, den Heilbadstatus zu verlieren. Der Streit hatte so weit geführt, dass sogar Bürgermeister Ralf Lehmann (parteilos) um sein Amt bangen musste - eine Bürgerinitiative scheiterte aber mit einem Bürgerentscheid zu dessen Abwahl.

Lehmann tritt jetzt bei der Bürgermeisterwahl am Sonntag wieder an. Es gibt drei Gegenkandidaten: die SPD-Landtagsabgeordnete Jutta Lieske, die erst 20-jährige Leonie Schölzel von den Freien Wählern sowie Lars Günther von der AfD. Mehr als 10.000 Bürger sind wahlberechtigt.

Großräschen: Kontinuität auch nach 23 Jahren

Keinen Gegenkandidaten hat der Großräschener Bürgermeister Thomas Zenker (56), der schon 23 Jahre lang im Amt ist und zu dieser Wahl erneut antritt. Schon bei der letzten Wahl gab es in der 10.000-Einwohner-Stadt im Kreis Oberspreewald-Lausitz keinen Gegenkandidaten für den Diplom-Ingenieur und gelernten Verwaltungsfachmann. "Er gibt der Stadt Selbstbewusstsein und schreckt damit möglicherweise Konkurrenten ab", sagt rbb-Reporterin Anke Blumenthal. Großräschen sei nach der Wende eine geradezu märchenhafte Verwandlung "vom Kohle-Dreckloch zum Städtchen am See" gelungen. Im nächsten Jahr werde die Flutung des einstigen Tagebaus bereits abgeschlossen.

Möglicherweise habe der extrem schwierige Start in den 1990er Jahren die Einwohner zusammengeschweißt, mutmaßt der alte und voraussichtlich neue Bürgermeister selbst.

Dass ihm weder der Aufstieg zum Landrat noch der zum Bundestagsabgeordneten gelang, sieht Thomas Zenker nach seinen eigenen Worten nicht als Drama an. "Mein Platz wäre immer hier gewesen, in meiner Heimatstadt Großräschen."

Mit Informationen von  Anke Blumenthal, Dominik Lenz, Robert Schwaß und Martina Rolke

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Sendung: Brandenburg aktuell, 21.09.2017, 19:30 Uhr

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