Maßkrüge auf der Schänke in einem Biergarten (Quelle: dpa)
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Pflanzenschutzmittel Glyphosat - Hopfen, Gift und Malz

Erst tauchte es in Muttermilch auf, nun auch im Bier: das Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Das Herbizid steht im Verdacht krebserregend zu sein. Für Wasser gibt es deshalb Obergrenzen. Nun haben Untersuchungen eines Umweltinstituts Spuren von Glyphosat im Bier nachgewiesen – im schlimmsten Fall in 300-facher Konzentration über dem Grenzwert.

Anlass für die Untersuchung war ein besonderes Jubiläum: Weil in diesem Jahr das deutsche Reinheitsgebot 500-jähriges Jubiläum feiert, hatte das Umweltinstitut München ein Labor beauftragt, sich die 14 meistgetrunkenen Biere des Landes einmal genauer anzuschauen. Unter anderem wurde auf Rückstände des Herbizids Glyphosat getestet, da der Wirkstoff aus Pflanzenschutzmitteln erst vor Kurzem für Aufruhr gesorgt hatte, als er in Muttermilch nachgewiesen wurde. Hier stellten sich die Konzentrationen allerdings als unbedenklich heraus – die rbb Praxis berichtete am 17. Februar darüber.
 
Bei der Untersuchung des Bieres kam das Münchner Umweltinstitut aber nun zu besorgniserregenderen Ergebnissen: In allen getesteten Bieren wurde Glyphosat nachgewiesen. Die Werte lagen zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm pro Liter und damit im extremsten Fall fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm. Im Gegensatz zum Trinkwasser gibt es für Bier keinen gesetzlichen Grenzwert.

Über 5.000 Tonnen in Deutschland eingesetzt

Glyphosat ist ein Wirkstoff, der vor allem in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt wird. In den 1970er Jahren wurde Glyphosat patentiert und ist mittlerweile weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Unkrautvernichtungsmitteln sowie das am weitesten verbreitete Pflanzengift. Durch den Einsatz in der Landwirtschaft gelangt Glyphosat einerseits in Lebensmittel, andererseits auch ins Grundwasser. 2014 wurden allein in Deutschland rund 5.400 Tonnen glyphosathaltiger Unkrautvernichtungsmittel auf Äckern und in Gärten eingesetzt.
 
Der Deutsche Bauernverband (DBV) verwies am Donnerstag auf weitere Untersuchungen und wies die Verantwortung von sich und den deutschen Bauern. Wie ein Sprecher in Berlin erklärte, sei der Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmitteln "bei der Vorerntebehandlung von Braugerste hierzulande verboten". Es sei aber möglich, dass vereinzelt Bauern vor dem Einbringen der Gerstesaat den Boden mit glyphosathaltigen Mitteln behandelten, um diesen von Unkraut zu befreien. Glyphosat zersetze sich im Boden binnen zwei bis drei Wochen. Sollte es zur Saat noch im Boden sein, würde nichts wachsen, so der DBV-Sprecher. Allerdings sei es möglich, dass Spuren von Glyphosat durch den Import von Braugerste Eingang in die Produktionskette gefunden hätten. Deutschland importiert in etwa so viel Tonnen Braugerste aus dem Ausland, wie es selbst herstellt: etwa eine Million Tonnen pro Jahr.

Krebserregend oder nicht?

Ob Glyphosat tatsächlich krebserregend ist und in welchen Konzentrationen – das ist bisher umstritten. Die EU-Kommission stützt sich auf eine Stellungnahme der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa), die das Mittel im November 2015 als „wahrscheinlich nicht krebserregend“ beurteilte. Auch Aufsichtsbehörden in Deutschland kamen bisher zu diesem Schluss. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärt in einer Presseerklärung vom Donnerstag:  Unabhängig von der aktuellen Bier-Untersuchung seien selbst die höchsten Werte von rund 30 Mikrogramm pro Liter so niedrig, dass die hieraus rechnerisch resultierende Aufnahmemenge bei einem Erwachsenen (60 kg Körpergewicht) mehr als 1000-fach niedriger liegen würde als die derzeit als unbedenklich geltenden Aufnahmemengen. Kurz: Um gesundheitlich bedenkliche Mengen Glyphosat aufzunehmen müsste ein Erwachsener rund 1000 Liter Bier am Tag trinken.
 
Dagegen stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Mittel als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Hintergrund ist eine von der IARC durchgeführte Studie, die im März 2015 in der Fachzeitschrift Lancet Oncology erschienen ist. Die Studie fasst Daten aus den USA, Kanada und Schweden zusammen und kommt zu dem Schluss, dass diverse Herbizite, darunter auch Glyphosat, definitiv bei Tieren und höchstwahrscheinlich auch beim Menschen Krebs auslösen können. Die Wissenschaftler konnten in letzterem Fall auch Beweise für eine Verbindung zwischen der Verwendung von Glyphosat und dem Vorkommen von Lymphdrüsen- und Lungenkrebs nachweisen.

Zulassung für Glyphosat soll 15 Jahre verlängert werden

Die Zulassung für glyphosathaltige Mittel in Europa läuft im Sommer 2016 aus. Bisher hatte die EU-Kommission geplant, die Zulassung bis 2031 zu verlängern. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Martin Häusling, hatte das erst am Mittwoch, also vor der Veröffentlichung der Untersuchung aus München, kritisiert.
 
Aus Verhandlungskreisen habe es geheißen, dass die Entscheidung zur weiteren Zulassung am 7. und 8. März in einem Ausschuss von Experten und Vertretern der EU-Mitgliedstaaten fallen soll. Die Grünen forderten von der deutschen Bundesregierung in Brüssel die Zustimmung zur Zulassungsverlängerung abzulehnen, da Experten noch nicht sagen könnten, ob Gefahr von dem Wirkstoff ausgehe. Den entsprechenden Antrag brachten sie am 25. Februar im Bundestag ein. Er wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
 
Die SPD fordert, das Unkrautvernichtungsmittel zumindest für private Gärten, Spielplätze und öffentliche Grünflächen zu verbieten. "Bei der privaten Nutzung ist die Gefahr durch Fehlanwendung und Überdosierungen am größten", sagte die SPD-Agrarpolitikerin Rita Hagl-Kehl am Donnerstag im rbb Inforadio.

Beitrag von Lucia Hennerici