Tribüneneinweihung mit Spitzenspiel - Die neue "Alte Försterei"

Do 11.07.13 | 17:41 Uhr | Von Jörg Hellwig

Fünf Jahre lang halfen tausende von Union-Fans beim Umbau der "Alten Försterei" - am Freitag kann das neue Stadion nun endgültig eröffnet werden - mit einem Spiel gegen Celtic Glasgow. rbb-Reporter Jörg Hellwig hat sich umgehört.

Für viele ist es das schönste Berliner Stadion überhaupt: Die "Alte Försterei" in Köpenick. Fünf Jahre lang legten tausende Union-Anhänger beim Umbau selbst Hand an, am Freitag kann der Verein offiziell die Fertigstellung seiner Heimspielstätte feiern – mit einem Spiel gegen den schottischen Meister Celtic Glasgow.

Dirk Thiemes Telefon klingelt in diesen Tagen fast unaufhörlich. Es läuft der Endspurt an der "Alten Försterei", nur noch wenig Zeit bleibt für die letzten Arbeiten an der Sportstätte bis zum Spitzenspiel am Freitag . "Zuletzt war ich 13, 14 Stunden täglich auf der Stadionbaustelle", erzählt der 51-Jährige Projektverantwortliche, den bei Union alle nur "Eldi" rufen.

Sechs Jahre war Thieme alt, als ihn sein Vater zum ersten Mal mit zu einem Spiel von Union genommen hat. Die Leidenschaft für seinen Verein ließ ihn nicht mehr los: Jahrzehntelang feuerte der gelernte Baufacharbeiter und jetzige Bauingenieur seine "Eisernen" aus dem Fanblock an. Stehend, auf den maroden Stufen des Köpenicker Stadions.

Einweihung mit einem Spiel gegen den Deutschen Meister

Die Sportstätte wurde am 7. August 1920 als "Sportpark Sadowa" mit einem Spiel des heimischen Sport-Clubs Union Oberschöneweide gegen den damaligen Deutschen Meister, den 1. FC Nürnberg, eingeweiht. 10.000 Zuschauer fasste die Anlage seinerzeit, deren unmittelbare Umgebung während des Zweiten Weltkrieges als Flakstellung genutzt wurde. Wiederaufbau- und Umbauarbeiten bestimmten die Nachkriegsjahre, erst seit Herbst 1955 tritt die Mannschaft – nun unter dem Namen "SC Motor Berlin" – wieder regelmäßig in der Wuhlheide an.

Der Einsatz der Fans für den 1966 in "1. FC Union Berlin" unbenannten Verein hat Tradition: Mit der Unterstützung von hunderten Berliner Bürgern wurde 1968 im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks der DDR die Kapazität des Stadions "An der Alten Försterei" auf 15.000 Zuschauer erweitert, unter anderem entstand auch ein Sprecherturm auf der kleinen Sitzplatztribüne.

Den nächsten Schub für das Stadion gab es erst Anfang der Achtziger Jahre, als hinter den Toren die Traversen aufgeschüttet wurden und die Anlage nunmehr Platz für 23.500 Besucher bot. Zu den hunderten Union-Anhängern, die in ihrer Freizeit die Schaufel schwangen, gehörte auch der junge Dirk Thieme. 1986 entstand das gemauerte Anzeigetafelhäuschen - heute das einzig übrig gebliebene Relikt aus alten Stadionzeiten. Danach passierte lange nichts mehr und das Stadion wurde immer baufälliger.

Die Geschichte der Alten Försterei

Mangelnde Hygiene, Baufälligkeit und keine Gastronomie

Die Wende stellte den Verein Anfang der Neunzigerjahre vor neue, große Herausforderungen. Der Deutsche Fußballbund legte nun die Standards für Bundesligastadien fest. Die Bilanz für die "Alte Försterei" fiel vernichtend aus. Teile des Sozialtraktes wurden aus hygienischen und bautechnischen Gründen gesperrt, die Treppen an den Traversen erfüllten nicht die Sicherheitsanforderungen, an Parkplätzen mangelte es ebenso wie an Möglichkeiten zur gastronomischen Versorgung der Besucher. Spielgenehmigungen für das Stadion wurden teilweise nur unter Vorbehalt erteilt.

Mannschaft und Besucher mussten sich in den Folgejahren an Zelt- und Containerprovisorien gewöhnen. Bewegung in die Sache kam erst um die Jahrtausendwende. Am 20. Dezember 2000 feierte das Stadion seine Flutlichtpremiere im Landespokal gegen den SV Norden-Nordwest.
Gleichzeitig entstanden erste Ideen und Planungen für ein komplett neues Stadion.

Auf Wunsch von Union-Präsident Dirk Zingler präsentierte auch der mittlerweile als Fanvertreter in den Aufsichtsrat gewählte Dirk Thieme Anfang Januar 2005 einen eigenen Entwurf für eine neue "Alte Försterei". Mit gelben Klinkerfassaden im Stil der Oberschöneweider Industriebauten und 80 Prozent Stehplätzen. "Eldis" Vorschlag bildete schließlich die Grundlage für das größte Bauvorhaben in der Geschichte des Vereins.

2333 ehrenamtliche Stadionbauer packen mit an

Nach jahrelangen Verhandlungen mit dem Berliner Senat um das Grundstück - am Ende einigte man sich auf einen Erbbaurechtsvertrag über 65 Jahre - rollten am 8. Juni 2008 endlich die Bagger an. Mit dem Abriss der alten Stadionwälle begann eine aufsehenerregende Aktion, die weit über die Grenzen Berlins hinaus Aufmerksamkeit und Anerkennung erlangte. Denn es waren wieder mal vor allem die Union-Anhänger selbst, die freiwillig und unentgeltlich mit anpackten. 2.333 Stadionbauer schufen in über 140.000 Arbeitsstunden einen Wert von mehr als vier Millionen Euro. Als nach 311 Tagen Bauzeit am 8. Juli 2009 das Stadion mit einem Spiel gegen Hertha BSC wiedereröffnet wurde, waren die drei Stehplatztribünen neu betoniert und komplett überdacht, es gab nun eine Rasenheizung sowie eine moderne Videoleinwand.

Doch noch fehlte etwas an der Vollendung von Dirk Thiemes Lebenswerk: die Haupttribüne, ein Multifunktionsgebäude mit allem Drum und Dran für Fußballverein und Sitzplatzzuschauer. Der Bau begann im Sommer 2012. Die Planer rund um "Eldi" setzten sich das ehrgeizige Ziel, in nur einem Jahr das gewaltige Projekt auf die Beine zu stellen. "Ein extrem kalter Jahrhundertwinter und ein sehr feuchtes  Frühjahr machten uns doch zu schaffen", erinnert sich Thieme. Doch rund 500 Arbeiter aus über 30 Fachfirmen bewiesen am Ende, dass man in Berlin mit einem Bauvorhaben auch pünktlich fertig werden kann.

Bei der Errichtung des technisch anspruchsvollen 15 Millionen Euro teuren Objektes durften die Union-Anhänger und Vereinsmitglieder nicht direkt mithelfen. Sie taten das in diesem Fall mit dem Kauf von Stadionaktien und sicherten somit die Finanzierung des Bauvorhabens. "Das ist das Einzigartige daran", erklärt Thieme. "Nach der Fertigstellung gehört das Stadion "An der Alten Försterei" nicht dem Verein oder irgendeinem Mäzen, sondern ausschließlich den Mitgliedern und Aktionären von Union Berlin."

Volles Haus gegen Celtic Glasgow

Auf vier Etagen bietet die neue Haupttribüne 12.000 Quadratmeter Nutzfläche, beinhaltet alles Notwendige für den sportlichen Bereich sowie Komfort für die Zuschauer. Wenn der 1. FC Union am Freitagabend mit dem Eröffnungsspiel gegen Celtic Glasgow den Abschluss der Sanierung des Stadions feiert, wird die Haupttribüne mit ihren 27 Logen und insgesamt über 3.500 Sitzplätzen voll besetzt sein.

Bis kurz vor Öffnung der Stadiontore stehen im Innern noch letzte Maler- und Elektroarbeiten an. Putzkolonnen sorgen für den nötigen Glanz am Eröffnungstag. Erst dann wird für Dirk Thieme der Zeitpunkt gekommen sein, an dem der ganze Druck der letzten Jahre mit einem Mal von ihm abfällt. Das Fußballspiel wird sich "Eldi" ganz entspannt anschauen. Wahrscheinlich nicht einmal von "seiner" Tribüne aus. "Wenn der offizielle Teil vorbei ist, werde ich mir vielleicht irgendwo gegenüber ein Plätzchen suchen." Dort, wo die Kumpel stehen - und er selbst seit mehr als 40 Jahren.

Beitrag von Jörg Hellwig

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