Reporterplätze bei Union - Ohne Dach, ohne alles, bei Regen und Gewitter

Mo 18.01.16 | 06:30 Uhr | Von Nikolaus Hillmann
Bild: rbb Oliver Ziebe

Als Fußball-Reporter berichte ich seit fast einem Viertel-Jahrhundert über Union. Dabei habe ich eine ganz besondere Eigentümlichkeit festgestellt: Ich saß an so vielen verschiedenen Reporterplätzen bei den "Eisernen" wie bei wohl keinem anderen Fußballverein auf diesem Planeten. Von Nikolaus Hillmann

Es gibt keinen Fußballverein auf diesem Planeten, bei dem ich an so vielen verschiedenen Reporterplätzen gesessen habe wie bei Union. Insgesamt sechs – falls ich mich nicht verzählt oder einen vergessen haben sollte.

Erst saß ich jahrelang in einem kleinen, verrosteten und wackeligen Häuschen auf Stelzen, gemeinsam mit dem Einsatzleiter der Polizei und dem Stadionsprecher. Sehr eng und kuschelig, erklimmbar über eine Leiter, genannt "Der Turm". Es war trocken und windstill – ein unschätzbarer Vorteil, der mir immer dann bewusst wurde, wenn es mal hieß: heute nicht, das Fernsehen ist da! Dann musste ich mir irgendeinen Platz auf der Tribüne suchen – wenn etwas frei war – und durfte mich vollregnen und vom Wind zerzausen lassen.

Elfmeterschießen bei Sturm und Regen

Was das Aushalten von Naturgewalten angeht, gab es allerdings noch eine Steigerung: das DFB-Pokal Halbfinale im Februar 2001 gegen Mönchengladbach. Wegen der Komplettübertragung war der Turm voll, also ging es rechts daneben in ein sogenanntes Kameranest – eine windschiefe Stange mit einer kleinen Plattform in rund vier Metern Höhe, ohne Dach, ohne alles, bei Regen, Sturm und Gewitter. Die Zahl der Blitze blieb übersichtlich, doch die Notizen zerliefen im Regen. Aber Union gewann nach dem Elfmeterschießen und zog ins Finale ein.

Verbesserungen und Höhepunkte

Anschließend hielt der schiere Luxus Einzug: ein Container auf der Haupttribüne, trocken, warm und großzügig. Zwar waren die Spielfeldecken links und rechts nicht zu sehen, und manchmal versperrten auf der Treppe stehende Kollegen die Sicht. Doch das war egal. Am letzten Spieltag 2002 gegen Mainz war es besonders krass: Union vermasselte Mainz mit Klopp den Aufstieg, ich habe zwar kaum was gesehen hinter der Scheibe wegen der vor mir johlenden Fans, aber die Konferenz war legendär.

Der unbestreitbare Höhepunkt für mich am 12. August 2012: Der Reporterplatz war im Anzeigetafelhäuschen, ein Ausweichquartier nach dem Abriss der Haupttribüne. 20 Nummerntafeln, der Tafeljongleur und ich, hinten in der Ecke. Zum Reportieren musste ich mich weit aus dem Fenster lehnen, dennoch war das Handspiel zum entscheidenden Elfer für Braunschweig nicht zu sehen. Aber ansonsten war es herausragend.

Heute ist alles very british

Danach wieder Containeralltag, diesmal unterm Dach hängend über der Gegentribüne. Wieder Leiterkletterei, Aufgang neben dem Wurststand, unter mir die singende Masse, zu den Interviews einmal rund um das Stadion – auch schön.

Und nun? Top-Plätze unterm Dach der Haupttribüne, very british, mit großartiger Sicht nach unten aufs Spielfeld. Vier Etagen hoch, kurz durch den VIP-Raum, noch eine Treppe, ein langer Gang und schon ist man da. Ausprobiert habe ich das Ganze erstmals im Sommer 2013 zum Testspiel gegen Celtic Glasgow.

Sehr schön ist es hier, und ich bin schon gespannt, was als nächstes kommt. Oder sollten die Reporterplätze etwa in den kommenden 25 Jahren hier bleiben? Ich bin mir da nicht ganz sicher!

Nikolaus Hillmann ist seit 1992 Sportredakteur für den SFB, der 2003 mit dem ORB zum rbb fusionierte. Für das Inforadio und RadioEins berichtet er über Fußball - und ist zudem bundesweit als Live-Reporter der legendären Bundesliga-Konferenz aller ARD-Wellen bekannt.

 

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