Chinesische Wohnungskäufer in Berlin - Reich nach Mitte

Do 13.07.17 | 17:06 Uhr | Von Sebastian Schneider, rbb|24
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Die chinesische Psychologieprofessorin Li BoBo (links) und ihre Tochter Li Qing besichtigen am 23.06.17 eine neue Eigentumswohnung in Berlin-Charlottenburg (Quelle: rbb|24 / Schneider).
Video: zibb | 13.07.17 | Robin Avram | Bild: rbb|24 / Schneider

Berliner Eigentumswohnungen sind billig, jedenfalls im Vergleich zu anderen Metropolen. Besonders bei chinesischen Kunden wird die deutsche Hauptstadt zunehmend beliebter. Unterwegs auf Besichtigungstour mit Familie Li. Von Sebastian Schneider

Unter dem Fenster dröhnt die Baustelle der Kanzler-U-Bahn, drinnen flackern bunte Bilder von Häusern, die es noch nicht gibt, auf einem Flatscreen an der Wand. Sie wechseln im Zwei-Sekunden-Takt. Willkommen in einem Berlin, in dem Reiche "Hochvermögende" heißen und Luxus "Premium-Segment". In der von Preisen die Rede ist, die noch "Luft nach oben" haben und es als Vorteil betont wird, dass in der ganzen Stadt Wohnungen fehlen. 

Bei Zabel Property, feinste Lage Unter den Linden, ist man auf wohlhabende Kunden aus dem Ausland spezialisiert. Auf schwarzen Ledersesseln nehmen Platz: Li Bobo, ihre Tochter Qing und eine Maklerin. Die Lis möchten kaufen.

Eine Wohnung für Tochter und Schwiegersohn - und eine als Kapitalanlage

Li Bobo ist fast 16 Stunden lang von ihrer Heimatstadt Guilin im Südosten Chinas nach Berlin geflogen, um ihr einziges Kind zu besuchen - und sich Immobilien vorführen zu lassen. Ein Apartment für die 30-jährige Tochter und den Schwiegersohn soll es sein, ein zweites als Kapitalanlage - und als Zuhause, wenn sie gelegentlich vorbeischaut. Die Ingenieurin Li Qing hat in Deutschland studiert, ihre Mutter nennt sie "Mutti".

"Hier haben Sie ein Ambiente wie in einem Vier-Sterne-Hotel", sagt die Maklerin Luyan Wang über ein Hochhaus in Mitte, das in zwei Jahren eröffnet werden soll. Auf der Animation sieht man, wie sich Sonnenlicht in der Fassade spiegelt. Weit hinten steht der Fernsehturm. "Ich werde nicht oft hier sein. Wie flexibel kann ich die Wohnung nutzen?", fragt Li Bobo, eine elegante Frau Anfang 50, sie trägt eine moosgrüne Bluse und die Sonnenbrille über die Stirn geschoben. In ihrer Abwesenheit wolle sie das Apartment gern vermieten. "Das ist möglich", antwortet Wang. Li Bobo ist interessiert.

Nachfrage von chinesischen Kunden mehr als verdreifacht

Also ab Richtung Europacity, die Lis und Frau Wang klettern in einen schwarzen Mercedes-Van. Ein ganzer Stadtteil wird nahe des Hauptbahnhofs für die künftigen "High Potentials" dieser Metropole hochgezogen. Apartments, die am Bedarf der meisten Berliner vorbei gebaut werden.

Jede dritte Neubauwohnung in der Hauptstadt kostet inzwischen mehr als 5.000 Euro pro Quadratmeter, mit steigender Tendenz. Das kann sich kaum ein einheimischer Wohnungskäufer leisten. Viele der Abnehmer in dieser Preislage sind Kapitalanleger, etwa die Hälfte von ihnen kommt aus dem Ausland. Längst haben sich Anbieter wie Zabel darauf eingestellt - für 2017 erwarte man ein Absatzplus von mindestens 30 Prozent, teilt die Sprecherin mit.

Kriegt man die Aufenthaltsgenehmigung gleich dazu?

Alleine die Nachfrage von chinesischen Käufern habe sich im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht. "Chinesen mögen große Städte. Berlin ist sehr abwechslungsreich und tolerant, zudem gibt es viele Annehmlichkeiten. Und im Vergleich zu anderen Metropolen ist Berlin relativ günstig", sagt Li Bobo.

Die wenigsten Makler bei Zabel sind deutsche Muttersprachler, sie beherrschen unter anderem Arabisch und Türkisch, Russisch, Englisch und Mandarin. Asien sei ein stark wachsender Markt, sagt der Chef Thomas Zabel, Russland ziehe nach ein paar Jahren Flaute wieder an. Und auch viele türkische Millionäre erkundigten sich gerade, ob sie mit dem Kauf einer Wohnung in Berlin auch eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen könnten. "Ausländer, die in unsicheren Zeiten gerne in einen sicheren Standort investieren wollen", nennt Zabel diese Kundschaft. Manche kaufen per Whatsapp-Nachricht.

"Es kommt nur darauf an, wie das Geld transferiert wird"

Li Bobo ist Psychologieprofessorin, ihr Mann Stadtplaner in der Fünf-Millionen-Metropole Guilin, damit gehören sie in ihrem Land längst nicht zu den Superreichen, aber durchaus zur Oberschicht. Auf der Fahrt nach Mitte sprechen Mutter, Tochter und Maklerin über die Erfahrungen von Bekannten mit Wohnungskäufen in Europa. 

Ungarn? Eine Fehlentscheidung. London? Teuer, außerdem muss man sich zu viel um die Wohnung kümmern. Frankfurt? Nirgendwo gibt es etwas Gutes zu essen. Es klingt, als sprächen Easyjet-Touristen über billige Wochenendziele.

In China gehört der Boden dem Staat, man kann nur das Wohnrecht für maximal 70 Jahre erwerben. Die Lis sprechen mit der Maklerin darüber, wie schwierig es ist, Vermögen ins Ausland zu bringen. Offiziell dürfen Chinesen nur umgerechnet bis zu 50.000 Dollar pro Jahr ausführen. "Unsere Entscheidung fiel auf Deutschland, weil hier kein Unterschied gemacht wird zwischen einheimischen und ausländischen Kunden. Es kommt nur darauf an, wie das Geld transferiert wird", sagt die Tochter Li Quin. Wichtig sei, dass man auf das Vermögen im Ausland zugreifen könne, wenn man es brauche.

Ihre Eltern haben sich auch in ihrer Heimat nach Immobilien umgeschaut - aber dort ist der Markt noch viel überdrehter als in Berlin. Umweltverschmutzung und Verkehrsprobleme, dazu kommt die unsichere wirtschaftliche Lage - seine Wachstumsziele hat China zuletzt verfehlt. Viele Familien wie die Lis schicken ihre Kinder deshalb ins Ausland. Die deutschen Schulen und Unis haben einen guten Ruf in China - und außerdem sind sie kostenlos. Eine schwangere Chinesin hat bei Zabel ein Apartment mit der Begründung gekauft, dass ihr Kind später mal in Berlin studieren solle.

Die Baugrube an der Lehrter Straße - hier entsteht das "Quartier Mittenmang".

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13 Apartments auf einen Streich

Die Lis stehen nun vor einer Baugrube in der Lehrter Straße, gegenüber eines ehemaligen Frauenknasts. Im Sommer 2019 soll hier ein 18-stöckiger Turm mit 266 Wohnungen in den Himmel ragen, der "FritzTower" - gezielt gebaut für Kapitalanleger. Ein Chinese shoppte schon 13 Apartments auf einen Schlag - noch existiert nicht mal das Fundament.

Nach einem Blick auf den Stadtplan entspinnt sich ein Gespräch über die Wohnlage.

Tochter: "Die gesamte Regierung befindet sich in diesem Viertel."

Maklerin: "Man kann dort direkt rüber gehen, dort hinspazieren."

Tochter: "Von der obersten Etage aus wird man das alles sehen können."

Mutter: "Dann kann man das alles sehen."

Tochter: "Die Aussicht wird super sein."

Maklerin: "Ja, genau."

Mutter: "Toll."

"Unkompliziertes Investitionsobjekt"

In einem anderen Rohbau neben der Grube hat man drei Musterwohnungen eingerichtet, Mikroapartments heißen sie in der Werbesprache, zwischen 22 und 51 Quadratmeter groß. Weil die Flächen in Berlin knapp, die Quadratmeterpreise so teuer geworden sind, baut man die schicken Wohnungen einfach kleiner - am Ende zählt sowieso nur der absolute Preis. Ab 800.000 Euro lasse das Interesse seiner Kunden spürbar nach, sagt Thomas Zabel.

Typ A, B oder C kann man im "FritzTower" heute begutachten - mehr Auswahl gibt es nicht. Der "Berlin Lifestyle" wird komplett eingerichtet angeboten, löffelfertig, nennen die Entwickler das. Die Lis streifen durch diese wie Ikea-Kulissen ausstaffierten Wohnträume, auf dem Tisch strahlen Kunsttulpen, auf der Fernsehattrappe an der Wand klebt ein "Bericht aus Berlin"-Logo. Ihnen gefalle die Einrichtung gut, sagen sie. Nur die Spülmaschine sei doch ziemlich klein. 

Den Concierge und das Fitnessstudio im Haus muss man sich dazudenken. 30 Quadratmeter kosten etwa 170.000 Euro, je nach Stockwerk. Dafür könne man dann etwa 900 Euro Kaltmiete aufrufen, hat die Maklerin den Lis vorgerechnet. Wohnen auf Zeit sei besonders lukrativ, es bringe etwa vier Prozent Rendite und die Eigentümerin müsse sich um nichts kümmern. Ein Mieter darf hier zwischen sechs Monaten und zwei Jahren leben, dann muss er Platz machen für den nächsten. "Ein unkompliziertes Investitionsobjekt", sagt die Maklerin. Genau das, was Frau Li gesucht hat. Entscheiden aber will sie sich noch nicht.

360 Grad: So sieht ein "löffelfertiges" Apartment im "FritzTower" aus.

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"Die Nachfrage nach diesem teuren Wohnraum ist nicht da"

Li Bobo sagt, es komme ihr in Berlin gar nicht auf hohe Gewinne an. "Ich gehe ohne große Erwartungen an die Sache heran. Wenn es Einnahmen gibt - gut. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm", erzählt sie. 

So könnte es auch kommen - denn es spricht viel dafür, dass sich die Preise nicht mehr wesentlich steigern lassen. Die Bundesbank bezeichnet die Kaufsummen in Berlin inzwischen als 15 bis 30 Prozent zu teuer. Und selbst der Dachverband der deutschen Immobilienwirtschaft warnt vor massiven Preisübertreibungen in der Hauptstadt. Es sei dort "nicht mit weiter steigenden Neuvertragsmieten zu rechnen", heißt es in einem Gutachten aus dem Frühjahr. Schon jetzt gebe es ein Überangebot an teuren Eigentumswohnungen.

"Die Nachfrage nach diesem teuren Wohnraum ist nicht da", so beurteilt auch der Ökonom Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) den Markt. Die großen deutschen Unternehmen säßen in München, Hamburg oder Frankfurt, und sie würden nicht in nennenswertem Umfang ihren Geschäftssitz nach Berlin verlagern. In der so vielgepriesenen Start-Up-Szene verdienten meist nur die Chefs gut, aber nicht die Angestellten. 

"Manche Investoren aus Ländern wie China denken immer noch, Berlin sei die Insel der Glückseligen - aber das stimmt nicht", sagt der erfahrene Projektentwickler Dirk Germandi. "Ich glaube nicht, dass jemand, der für 7.500 Euro den Quadratmeter kauft, das wirklich wieder mit Miete reinholen kann."

Ich gehe ohne große Erwartungen an die Sache heran. Wenn es Einnahmen gibt - gut. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm."

Li Bobo, Professorin aus China über ihr geplantes Investment in Berlin

Die Bekannten zuhause haben sich schon erkundigt

Der schwarze Van hält auf einer Brache in Charlottenburg, neben einem Krankenhaus. Die Lis stehen vor einem imposanten Backsteinbau, es ist eine ehemalige Geburtsklinik, gebaut Anfang des 20. Jahrhunderts.

Jetzt heißt das Haus "Joli Coeur", hübsches Herz, heißt das auf französisch. Dahinter werden Gebäuderiegel mit neuen Apartments hochgezogen. Auf einem Balkon sitzt ein bärtiger Mann Anfang 50, er trägt Flip-Flops und hämmert in sein silberfarbenes MacBook. Der kleine Park zu seinen Füßen versprüht die Atmosphäre eines Sanatoriums.

Auf den letzten Metern läuft die Nachfrage im denkmalgeschützten "Joli Coeur" nur schleppend: Zabel hat das Objekt erst vor sechs Wochen übernommen, weil der Vorgänger mit den übrigen 16 Wohnungen nicht mehr voran kam. Die Lis setzen Baustellenhelme auf und fahren mit dem Aufzug in den vierten Stock. Es riecht nach frischer Farbe.

Die Maklerin schließt auf, man sieht: Fischgrätenparkett, bodentiefe Fenster, ein ausladendes Wohnzimmer mit zwei Balkonen. Von der bis zu sechs Meter hohen Decke hängen Stromkabel mit Glühbirnen. Die knapp 150 Quadratmeter sollen insgesamt mehr als eine Million Euro kosten.

Das Penthouse im "Joli Coeur" im 360-Grad-Panorama

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"Die Wohnung ist recht günstig, und trotzdem erfüllt sie die meisten Wünsche, die in unserer sozialen Schicht üblich sind", sagt Li Bobo als sie im Wohnzimmer steht. Sie meint: Eine große Küche, viel Platz, um Freunde zum Essen einzuladen. Den Grundriss kann man selbst gestalten, in China gebe es sowas nicht. Nur das Bad ist eine Enttäuschung, es hat kein Tageslicht. "Aber es muss ja nicht mir gefallen, sondern meiner Tochter", sagt Li.

An Berlin liebe sie, dass es so viele Parks gebe, das sei typisch europäisch. Einen Ausblick ins Grüne wie hier habe man in einer chinesischen Großstadt nur selten. Sie läuft durch das Penthouse und macht Fotos mit ihrem Smartphone. "Meine Freunde und Bekannten haben mir vor meiner Reise schon tausend Fragen zu Berlin gestellt", sagt Li. Es hängt jetzt davon ab, was sie zuhause von den Wohnungen erzählt. Wenn sie überzeugt ist, wollen die anderen auch kaufen.

Die Europacity in Mitte

Mit Informationen von Robin Avram und Siyuan He.

Sendung: zibb, 13.07.17, 18.30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schneider, rbb|24

2 Kommentare

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  1. 2.

    Ich muss mittlerweile schmunzeln wenn Leute sagen Berlin sei eine "Metropole". Berlin ist einfach nur ein Haufen von Armen bis unterer Mittelstand. Start-ups sind wenn dann darin erfolgreich, bisher (halbwegs) gut bezahlte Branchen in Billiglohnwüsten zu verwandeln. Dazu kommt noch die hohe Kriminalität. "Metropole" dass ich nicht lache.

  2. 1.

    Vom Reich der Mitte Reich nach Mitte.
    Mussten die Armen schon immer auf Haus, Auto, Urlaub verzichten können sich heutzutage immer häufiger nicht einmal mehr sogenannte Durchschnittsbürger eine bescheidene Wohnung leisten. Keine bezahlbare Wohnung, schlechte Zähne, keinen Urlaub. Dies ist für immer mehr Arbeitnehmer der Alltag in Deutschland.

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