Sendung vom 08.03.2004 - Bulmahn, Edelgard

Günter Gaus im Gespräch mit Edelgard Bulmahn

Gaus:
Meine heutige Interviewpartnerin Edelgard Bulmahn, geboren 1951 im Westfälischen, ist Bundesministerin für Bildung und Forschung. Seit 1969 gehört sie der SPD an. Sie ist verheiratet mit einem Hochschullehrer für Geschichte der Landschafts- und Gartenarchitektur. Sehen Sie ‚Zur Person’ Edelgard Bulmahn.
In der ersten Amtsperiode Bundeskanzler Schröders, von 1998 bis 2002, galten Sie, Frau Ministerin Bulmahn, neben Otto Schily und Hans Eichel als eine der tragenden Säulen in Schröders Kabinett. Seit ein paar Monaten nun wird Ihr Name genannt, wenn es um etwaige Ministerentlassungen geht. Wie erklären Sie sich diesen Stimmungsumschwung in der öffentlichen Meinung?

Bulmahn:
Zum Leben einer Politikerin – im Übrigen auch eines Politikers - gehört auch das Auf und Ab. Nach dem Auf und Ab folgt auch wieder ein Auf. Und dann gibt es irgendwann auch wieder ein Ab. Entscheidend ist für mich, dass ich einfach weiß, warum ich dieses tue und dass ich auch noch sehr viel vorhabe und deshalb auch mich bemühen werde, das umzusetzen.

Gaus:
Darauf kommen wir. Jetzt bleiben wir bei der Frage: Wie erklären Sie sich dieses Ab? Ich sage nicht, dass es nicht dieses Auf und Ab beinahe gesetzmäßig gibt. Obwohl – es gibt genügend Ausnahmen. Dennoch, ich akzeptiere: Es ist fast gesetzlich Auf und Ab. Ich frage nach dem Grund für das jetzige Ab von Edelgard Bulmahn.

Bulmahn:
Das ist schwierig zu erklären, auch für mich.

Gaus:
Wir haben Zeit.

Bulmahn:
Weil die Kritik sich ja sehr wenig auf die eigentlichen inhaltlichen Punkte bezieht – das heißt auf die Arbeit als Bildungs- und Forschungsministerin. Aber ich will auch klar sagen: Natürlich bin ich nicht immer bequem in meiner Arbeit als Bildungs- und Forschungsministerin. Es ist nicht bequem, wenn ich zum Beispiel ganz klar sage: Wir brauchen in diesem Land mehr Ganztagsschulen - und es ja auch erreicht habe, dass wir hier endlich einen Durchbruch geschafft haben. Obwohl dieses ja eigentlich keine Bundeszuständigkeit ist, die Bundesministerin da eigentlich überhaupt nichts zu sagen hat, sondern eine Landeszuständigkeit. Es gibt sicherlich auch einige inhaltliche Unterschiede, zum Beispiel was die Fragen betrifft: Welchen Stellenwert muss eigentlich Bildung und Forschung haben bei den konkreten Entscheidungen? Was heißt Innovation?

Gaus:
Da gibt es eigentlich keine unterschiedlichen Meinungen. Heute...

Bulmahn:
Doch. Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Weil ich zum Beispiel schon der Auffassung bin, dass es nicht ausreicht, den Stellenwert zu betonen - sondern zum Beispiel auch bereit zu sein, auf der einen Seite wirklich mehr Geld auch für Bildung und Forschung zu investieren. Und das bedeutet auch Konflikte mit anderen Ressorts, mit Kolleginnen und Kollegen. Es bedeutet auch Konflikte innerhalb der Fraktion.

Gaus:
Wie beliebt sind Sie im Kabinett?

Bulmahn:
Ich werde sicherlich... ich habe sicherlich Freundinnen, Freunde und ich habe sicherlich auch Leute, die kritischer meine Arbeit sehen. Das geht im Übrigen auch jedem anderen Kabinettsmitglied so, das gehört auch zum Politiker sein...

Gaus:
Und das gilt übrigens für jedes Kollegium, das es gibt.

Bulmahn:
Das gilt eigentlich, glaube ich für jeden Menschen.

Gaus:
Ja gut, aber er muss dann ein Kollegium haben, wo sich das entfalten kann.

Bulmahn:
Richtig, klar.

Gaus:
Ich bleibe noch ein bisschen zäh an meiner Grundfrage. Sie gelten intern durchaus als durchsetzungsstark, waren aber immer auch umstritten. Das ist ja keine Schande, ist ja fast ein Kompliment. Aber es heißt, Sie könnten Ihre Politik nicht gut verkaufen. Ist Schröders Ministerin für Bildung und Forschung nicht tauglich oder nur bedingt tauglich für die Mediendemokratie?

Bulmahn:
Dann kommt es darauf an, welche Maßstäbe Sie an eine Ministerin setzen - auch an die Mediendemokratie. Ich bin davon überzeugt, dass eine Ministerin – im Übrigen auch in einer Mediendemokratie - eine gute Arbeit machen muss, weil alles andere nach einem halben Jahr oder nach einem Jahr und zwei Jahren spätestens dann auch nicht mehr wirklich Wirkung zeigt. Und das nehme ich für mich in Anspruch, dass ich eine gute Arbeit mache. Das werde ich auch weiterhin tun. Es mag sein, dass ich vielleicht nicht – ja, die Allüren einer Kronprinzessin habe. Das ist richtig, die habe ich nicht. Das wird sicherlich in einer Mediengesellschaft manchmal erwartet. Aber auch das – davon bin ich jedenfalls persönlich zutiefst überzeugt - wirkt nur für eine kurze Zeit, für eine bestimmte Zeit. Auf Dauer setzt sich immer durch, wenn man ganz gezielt und auch stringent auch versucht, die Ziele zu erreichen, umzusetzen – also, ganz deutlich zum Beispiel die Bildungschancen für Menschen zu verbessern, die Qualität von Bildung zu verbessern...

Gaus:
Darauf kommen wir.

Bulmahn:
Also, deshalb sage ich ganz ausdrücklich: Ich glaube auf Dauer ist auch in einer Demokratie immer entscheidend, dann auch die Qualität der Arbeit und sicherlich auch das Vertrauen, das Menschen in die Person setzen.

Gaus:
Frau Bulmahn – erstens, erste Frage an der Stelle: Sie sind sehr aufgeregt, oder?

Bulmahn:
Eigentlich nicht. Aber stimmt, ich bewege meine Hände oft.

Gaus:
Ist ja keine Schande, aufgeregt zu sein. Wollen Sie den Eindruck erwecken, dass Sie gar nicht aufgeregt sind?

Bulmahn:
Nein, ich glaube, auch das gehört immer - auch für Politikerinnen - dazu, dass man immer ein Stückchen auch mehr Adrenalinausstoß hat, wenn es in solche Sendungen geht, oder wenn eine ganz besonders wichtige Entscheidung ansteht. Wenn ich das nicht mehr hätte, dann würde ich glauben, dann wäre ich zu gleichgültig. Dann würde ich sagen...

Gaus:
Sie mögen diesen Adrenalinausstoß.

Bulmahn:
Ja, den mag ich auch. Also, was ich nicht will - ich möchte niemals in eine Situation kommen, wo mir Entscheidungen oder Dinge gleichgültig werden. Deshalb mag ich dann auch den Adrenalinausstoß.

Gaus:
Ich komme noch mal auf die Mediendemokratie. Sie haben in Ihrer letzten Antwort zu der Frage dann von Demokratie gesprochen und nicht mehr von Mediendemokratie, während ich auf Mediendemokratie abgehoben hatte. Kann es sein... Das ist eine Frage - ich frage, Sie antworten, das ist ein Interview. Kann es sein, dass die Mediendemokratie bestimmte Gesetzmäßigkeiten der herkömmlichen Demokratie außer Kraft gesetzt hat inzwischen? Zum Beispiel im Sinne von: Das Verkaufen ist inzwischen wichtiger als der Inhalt dessen, was man verkauft? Denken Sie daran niemals?

Bulmahn:
Doch, daran denke ich natürlich auch. Aber etwas zu verkaufen ohne Inhalt überzeugt auch in einer Mediendemokratie jedenfalls nicht für lange Zeit. Das ist kein Erfolgsrezept. Und auch gerade für eine Demokratie kein Erfolgsrezept. Aber es ist sicherlich richtig, dass man in einer Mediendemokratie auch immer davon ausgehen muss, dass es auch wichtig ist, dass die Inhalte transportiert werden. Aber ich sage ausdrücklich: Der Inhalt ist nach wie vor, meiner Meinung nach, das Entscheidende, weil alles andere auf Dauer nicht trägt.

Gaus:
Sind Sie vielleicht altmodisch?

Bulmahn:
An dem Punkt bin ich vielleicht auch altmodisch, ja.

Gaus:
Meine Interviews, Frau Bulmahn, zielen auf ein Porträt. Sie sind also nur bedingt tagesaktuell. Zwischen ihrer Produktion und ihrer unveränderten Ausstrahlung liegen gewöhnlich einige Tage. Vorsorglich gefragt daher: Gesetzt den Fall, Sie verlören in dieser Zeit Ihr Ministeramt, was würde das für Sie bedeuten emotional?

Bulmahn:
Es würde erst mal deutlich mehr Freizeit bedeuten und es würde gleichzeitig bedeuten, mich auch politisch weiterhin zu engagieren. Da ich nicht davon ausgehe, dass ich es verliere, heißt das, dass ich weniger Freizeit auch in Zukunft haben werde...

Gaus:
Sind Sie imstande für den Augenblick, für die Frage, für die Antwort auf diese Frage sich mal vorzustellen, was Ihnen fehlen würde, wenn Sie es verlören?

Bulmahn:
Also, ich kann mir durchaus ein Leben ohne ein Ministeramt vorstellen.

Gaus:
Ich frage ja, was Sie verlieren würden für Ihr Empfinden? Dass Sie es sich vorstellen können, will ich Ihnen wünschen.

Bulmahn:
Ich würde sicherlich ein Stück Gestaltungsmöglichkeit verlieren, die ich jetzt habe und auch nutze. Ich würde vielleicht verlieren mit Menschen - mit denen ich sehr gerne zusammenarbeite - in diesem Umfeld zusammen arbeiten zu können in Zukunft. Aber ich würde auch wieder etwas gewinnen.

Gaus:
Was würden Sie gewinnen? Zeit?

Bulmahn:
Nicht nur Zeit. Ich würde Zeit gewinnen. Ich würde sicherlich auch ein Stückchen Freiheit wieder gewinnen.

Gaus:
Resignieren würden Sie nicht?

Bulmahn:
Ich würde nicht resignieren, nein.

Gaus:
Was würden Sie mit der Freiheit machen?

Bulmahn:
Die würde ich nützen.

Gaus:
Ja - wozu?

Bulmahn:
Ich würde sie nützen sowohl in meiner politischen Arbeit - aber ich hätte sicherlich auch wieder ein Stück mehr Freiheit, meine Neugier zu befriedigen, die ich immer noch habe. Ich habe noch unheimlich viel vor und möchte auch selber noch sehr viel Neues kennen lernen, neues an Wissen auch dazu gewinnen. Das ist manchmal etwas schwierig in diesem Beruf. Obwohl in meinem das noch wieder einfacher ist, als in anderen.

Gaus:
Weil Sie sozusagen vom Ressort her Ihre Neugier befriedigen können?

Bulmahn:
Richtig. Die kann ich vom Ressort her immer mit befriedigen. Aber es gibt auch ein paar andere Sachen, die ich noch außerhalb des Ressorts habe.

Gaus:
Das ist meine Frage: Worauf sind Sie sonst noch neugierig?

Bulmahn:
Also ich würde auf jeden Fall noch ein zwei Sprachen dazu lernen...

Gaus:
Was sprechen Sie jetzt?

Bulmahn:
Ich spreche jetzt Englisch sehr gut.

Gaus:
Ein bisschen Hebräisch.

Bulmahn:
Ein bisschen Hebräisch, genau.

Gaus:
Wir kommen darauf.

Bulmahn:
Die Sprache möchte ich wieder richtig lernen. Und ich möchte auf jeden Fall auch noch Spanisch lernen, weil ich da auch nur so ein paar Brocken kann.

Gaus:
Das ist ein Muss.

Bulmahn:
Richtig, stimme ich Ihnen zu.

Gaus:
Zur Person Edelgard Bulmahn. Geboren am 4. März 1951 im Westfälischen Minden. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf an der Weser. Der Vater ist Binnenschiffer, die Mutter Friseurin. Welche Prinzipien, welche Urteile und welche Vorurteile bestimmten Ihr Elternhaus?

Bulmahn:
Vielleicht weniger Prinzipien, aber Werte.

Gaus:
Bitte.

Bulmahn:
In meinem Elternhaus herrschte eine sehr liebevolle, einander zugewandte Atmosphäre. Ich habe eine sehr liebevolle, gleichzeitig aber auch sehr konsequente Mutter gehabt, die leider nicht mehr lebt. Das Prinzip Selbstverantwortung spielte eine große Rolle, auch der Wert. Das war auch gar nicht anders möglich in meiner Familie. Mein Vater war als Binnenschiffer auch sehr viel unterwegs. Das hatte einen Vorteil...

Gaus:
Sie durften Ihn sommers manchmal begleiten.

Bulmahn:
Da durfte ich im Sommer manchmal mitfahren, genau. Von daher konnte ich schon als Kind auch mal Schifffahren, was ich ganz spannend fand und toll. Das hatte Vorteile und Nachteile. Es hatte den Nachteil, dass ich meinen Vater sicherlich in meiner Kindheit nicht so häufig gesehen habe. Es hatte den Vorteil, dass ich als Mädchen nie daran gezweifelt habe, dass Frauen genauso gut alles können wie Männer. Also Angst vor Technik, Angst vor Handwerk habe ich nie gehabt, weil das ganz selbstverständlich war, dass wir drei Frauen das zu Hause auch alles machen konnten.

Gaus:
Sie, Ihre Schwester und Ihre Mutter.

Bulmahn:
Genau.

Gaus:
Edelgard Bulmahn besucht die dörfliche Volksschule, die zum Teil noch einklassig ist. Was hatten Ihre Eltern für Vorstellungen, was Ihre Tochter Edelgard lernen sollte und aus dem Leben machen?

Bulmahn:
Also meine Eltern hatten Vorstellungen für Ihre Töchter. Nicht nur für Ihre eine.

Gaus:
Ja.

Bulmahn:
Für Ihre beiden Töchter.

Gaus:
Ja. Aber ich interviewe jetzt Edelgard. Sprechen Sie für Ihre Schwester mit!

Bulmahn:
Da kann ich durchaus mitsprechen.

Gaus:
Was tut die jetzt?

Bulmahn:
Für meine Eltern und besonders für meine Mutter war es sehr, sehr wichtig, dass ihre Töchter einmal auf eigenen Füßen stehen können. Das heißt, dass sie selber in der Lage sind, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, dass sie nicht abhängig sind von anderen Menschen.

Gaus:
Nicht abhängig sind von Ehemännern.

Bulmahn:
Auch nicht von Ehemännern. Sondern, dass sie wirklich auf eigenen Füßen stehen können. Und was für meine Mutter auch eine große Rolle gespielt hat, war wirklich Bildung. Sie war eine sehr kluge Frau, die - wie viele ihrer Generation – die Bildungschancen nicht erhalten hat, sie nicht nutzen konnte.

Gaus:
Wusste sie das?

Bulmahn:
Das wusste sie.

Gaus:
Wusste sie, dass ihr was entgangen war?

Bulmahn:
Das wusste sie. Sie wollte - und sie wollte ihren Töchtern das ermöglichen. Und das fand ich – das war eine große Unterstützung, die wir durch sie dort erhalten haben und erfahren haben.

Gaus:
Sie haben - so habe ich bei der Vorbereitung gelernt, kann ja falsch sein – dass das Ziel, das man anstrebte für die Töchter, war die Handelsschule.

Bulmahn:
Das war das Ziel, genau.

Gaus:
Ja.

Bulmahn:
Das war ja für meine Eltern durchaus schon ein großer Schritt.

Gaus:
Natürlich, das war ein großer Schritt. Und dann sagt Edelgard: Nein, ich gehe nach Petershagen ins Aufbaugymnasium, mache das Abitur. Wie kam es dazu? Wie kam es zu diesem weiteren Schritt in die höhere Bildung?

Bulmahn:
Also, es kam dazu, dass ich mit dreizehn oder mit vierzehn – das war eigentlich keine Entscheidung, die jahrelang vorbereitet war, sondern die dann relativ schnell getroffen worden ist - dass ich selber einfach das Gefühl hatte, ich will einfach noch viel mehr wissen. Ich will einfach auch andere Möglichkeiten im Beruf noch haben und will es einfach probieren, ob ich es schaffe, ob ich es kann. Und das habe ich mit meinen Eltern, mit meiner Schwester - die dann übrigens den gleichen Weg gegangen ist, mit mir dann gemeinsam... Sie ist älter. Sie hat erst die Handelsschule gemacht und ist dann den Weg mit mir gemeinsam gegangen. Wir haben das mit meiner Mutter vor allen Dingen, dann mit meinem Vater - der am Anfang etwas zurückhaltender war und sagte: Na ja, ob wir das so hinkriegen - wirklich diskutiert. Und das ist typisch eigentlich gewesen. Da hat meine Mutter gesagt: Macht es. Aber ihr wisst, wir können euch von zu Hause aus nicht unterstützen. Wir geben euch das Vertrauen und die Unterstützung, aber ihr müsst es selber schaffen.

Gaus:
Sie sind einmal sitzen geblieben. Haben Sie sich geniert vor den Eltern?

Bulmahn:
Also, ich habe ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Eltern gehabt, dass ich, weil ich einfach auch - das muss ich auch ehrlich sagen - da war ich auch faul. Ich habe auch meine Phase gehabt, wo ich die Schule nicht an die erste Stelle gestellt habe. Das ging mir genauso wie allen anderen Jugendlichen so. Und da habe ich mich schon ein bisschen geniert. Oder ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, was das für meine Eltern bedeutete.

Gaus:
Hatten Ihre Eltern ein bisschen Angst vor einer Entfremdung der Töchter durch deren höhere Bildung, die ihnen verschlossen geblieben war?

Bulmahn:
Ich glaube nicht, dass sie Angst hatten vor einer Entfremdung ihrer Töchter. Da muss ich vielleicht etwas unterscheiden. Vielleicht hatte mein Vater eine Zeit lang Angst. Aber ich habe – und das gilt für meine Schwester ebenfalls – wir haben ein sehr gutes Verhältnis, eine sehr gute Beziehung zu meinen Eltern gehabt. Und wir haben das ja auch in unserem Leben gezeigt, dass diese Entfremdung nicht eintrat. Wir haben unsere Freundinnen und Freunde immer mit nach Hause in meine Familie mit hinein genommen. Das fanden meine Eltern auch toll.

Gaus:
Das ist nicht die Antwort auf die Frage: Hatten die Eltern, bevor sich das erwies, Angst? Und Sie sagen, der Vater ein bisschen.

Bulmahn:
Nein die Angst war – es war eine andere Angst eher da.

Gaus:
Bitte.

Bulmahn:
Die Angst, dass sie ihren Kindern nicht die Unterstützung geben konnten, die vielleicht Kinder aus anderen Familien erhalten hätten.

Gaus:
Eben. Woraus Entfremdung resultieren kann.

Bulmahn:
Ich glaube nicht, dass mit vierzehn Jahren die Angst vor der Entfremdung da war. Da hatten sie großes Vertrauen in uns.

Gaus:
Definieren Sie die Angst.

Bulmahn:
Nein, die Angst war wirklich, dass sie selber einfach sagten: Wir können euch nicht diese...

Gaus:
Dass sie euch nicht geben konnten, was sie meinten, was ihre Elternpflicht war.

Bulmahn:
Genau. Richtig. Oder vielleicht, was andere Eltern ihren Kindern dann geben konnten. Aber das – wir haben schon in der Zeit, als wir dreizehn, vierzehn waren über solche Fragen diskutiert. Aber ich habe meinen Eltern immer auch gesagt, dass ich es viel wichtiger finde, dass meine Eltern mir – uns - wirklich sehr viel Vertrauen, Eigenständigkeit vermittelt haben, übertragen haben. Uns einfach auch viel zugetraut haben. Und ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig für die Entwicklung von Kindern, dass man ihnen auch etwas zutraut. Dass man ihnen etwas abverlangt, aber ihnen auch etwas zutraut. Das macht ja auch Mut und beflügelt.

Gaus:
Wissen Sie, dass Sie von Ihren Eltern schwärmen?

Bulmahn:
Ja, das glaube ich. Man merkt auch... Ich mag sie.

Gaus:
Wenn man Ihnen zuhört, Sie schwärmen von Ihren Eltern

Bulmahn:
Ich habe auch eine ganz hohe Achtung vor meinen Eltern.

Gaus:
Von Ihrem Geburtsjahr 1951 her, Frau Bulmahn, sind Sie eine geborene 68erin.

Bulmahn:
Ja. Von meinem Geburtstag, ja.

Gaus:
Angehörige – wir kommen darauf – Angehörige jener aufmüpfigen Studentenbewegung in Westdeutschland, die in manchen Bereichen eine Art Kulturrevolution in der Bundesrepublik in Gang setzten. Edelgard Bulmahn ist 1969, mit 18 Jahren, der SPD beigetreten. Hätten es der Zeitläufte wegen auch die Grünen sein können?

Bulmahn:
Ja, das ging ja nicht. Die gab es ja damals noch nicht.

Gaus:
Nein, aber Sie hätten natürlich bei den Vorläufern, bei den ideologisierten Nur-Demonstranten bleiben können. Sie hätten auf der Seite auch vielleicht von Fischer sein können oder Trittin. Was hat Sie zur SPD geführt?

Bulmahn:
Soziale Gerechtigkeit. Ich bin in die SPD eingetreten, weil für mich soziale Gerechtigkeit ein ganz wichtiges politisches Ziel war. Weil ich sicherlich damals auch - wie so viele - auch mit dazu beitragen wollte, die Welt zu verbessern, bessere Lebensbedingungen auch für Menschen zu schaffen. Und ich mir nie vorstellen konnte, dass man das alleine auf ein Thema beschränkt. Am Anfang haben die Grünen ganz sicherlich das Verdienst gehabt, Umweltschutz wirklich in den Vordergrund zu rücken. Aber das hat mir damals schon nicht ausgereicht. Umweltschutz war für mich damals auch ein wichtiges Thema. Das haben wir ja auch damals schon in der SPD diskutiert. Wasserproben in der Weser entnommen, etc. - das haben wir damals auch schon alles gemacht.

Gaus:
Ich weiß noch, wie Willy Brandt sagte...

Bulmahn:
‚Der blaue Himmel über die Ruhr...’

Gaus:
... während des Wahlkampfes: ‚Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden’.

Bulmahn:
Richtig, genau.

Gaus:
Und ganz Deutschland hat gelacht.

Bulmahn:
Ja, ich nicht damals. Ich fand das schon wichtig. Gerade wenn man in einem Dorf aufwächst, habe ich auch sehr hautnah erlebt, wie die Umwelt, auch die Natur sich verändert, auch teilweise zerstört wurde. Ich fand es schrecklich, dass ich zum Beispiel nicht mehr in der Weser baden konnte. Das habe ich als Kind gemacht und das auch genossen. Ich bin geschwommen in der Weser. Ich fand das toll. Und das ist... Ich habe das bedauert.

Gaus:
Kann man heute wieder?

Bulmahn:
Ähm - wieder...

Gaus:
Würden Sie es tun?

Bulmahn:
Ich bin schon mal wieder rein gegangen, ja. Es ist nicht so ganz toll. Nicht so wie in meiner ganz frühen Kindheit.

Gaus:
Laden Sie Trittin ein. Und dann sagen Sie, er muss. Er muss vom Ressort...

Bulmahn:
Genau, er muss dann auch mehr machen.

Gaus:
Tun Sie das. Vielleicht haben Sie dann eine bessere Verkaufschance für Ihre Politik in der Mediendemokratie.

Bulmahn:
Wenn ich das gleichzeitig mit einem Vortragsprojekt verknüpfe.

Gaus:
Laden Sie die Medien dazu ein.

Bulmahn:
Genau.

Gaus:
Noch eine Frage zu den Grünen, oder zu den Vorläufern der Grünen in der 68er Bewegung. Haben Sie bewusst oder gespürt empfunden: Das sind eigentlich Bürgerkinder und ich bin kein Bürgerkind. Man musste in einer Straße mit Bäumen aufwachsen, damit man lernen konnte, die Bäume sollen stehen bleiben.

Bulmahn:
Ich bin ja in einer Umgebung mit vielen Bäumen aufgewachsen.

Gaus:
Ich weiß, Sie sind auf dem Dorf aufgewachsen, natürlich. Aber die Frage ist: Bürgerkinder?

Bulmahn:
Es ist sicherlich richtig, dass... Ich glaube schon, dass gerade in den Anfängen auch zu den Grünen mehr Bürgerkinder gegangen sind. Und für mich hat ganz klar die Frage wirklich von Gerechtigkeit, von Chancen auch für Menschen eröffnen, die diese Chancen nicht aufgrund ihrer Herkunft oder Familie haben, eine ganz große Rolle für meine politische Überzeugung und für meine Entscheidung, Mitglied einer Partei zu werden, gespielt. Das waren die entscheidenden Punkte. Und deshalb war für mich schon die SPD eigentlich der Ort, wo ich geglaubt habe, da kann ich meine Ideen und meine Ziele auch verwirklichen.

Gaus:
Sie wurden immer zum linken Flügel der SPD gerechnet. Ist das noch so, ist das noch zutreffend, oder dämpft ein Ministeramt solche Gesinnungen?

Bulmahn:
Ich bin immer noch davon überzeugt, dass es eine ganz wichtige Aufgabe von Politikerinnen und Politikern ist, die Welt zu verbessern. Ich glaube nicht mehr, dass es so schnell geht, wie ich mir das gewünscht habe und wie ich es vielleicht gehofft habe. Und ich bin immer noch der Auffassung, dass man als Politikerin sich nicht mit den Verhältnissen abfinden darf.

Gaus:
Und das heißt, dies ist - was Sie jetzt gegeben haben, ist die Definition dessen, was Sie links nennen.

Bulmahn:
Nein, das ist eine zu allgemeine Definition, da gebe ich Ihnen Recht. Aber...

Gaus:
Warum? Nein, ich habe gefragt. Denn, wenn Sie das nicht auf sich beruhen lassen wollen - als links definiert - dann müssen Sie mir definieren, was links ist.

Bulmahn:
Also, Emanzipation im wirklichen Sinne des Wortes. Dass Menschen wirklich die Möglichkeit haben, ihr Leben selbstständig und eigenständig zu gestalten. Dass sie sich nicht vor einem anderen bücken müssen. Das sind schon sehr wichtige politische Überzeugungen, die ich teile.

Gaus:
Die Entwicklung läuft nicht in die Richtung, nicht?

Bulmahn:
Die läuft nicht per se in die Richtung.

Gaus:
Und die läuft derzeit überhaupt nicht in die Richtung.

Bulmahn:
Sie läuft im Augenblick ganz sicher nicht - gebe ich Ihnen recht - sie läuft nicht in die Richtung. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir wieder in diese Richtung gehen werden und auch gehen müssen. Und ich werde auch dafür arbeiten, dass das wieder geschieht.

Gaus:
Jetzt reden Sie wirklich wie eine Politikerin.

Bulmahn:
Das bin ich ja auch.

Gaus:
Richtig. Nach Ihrem Abitur 1972 gehen Sie für ein Jahr in einen israelischen Kibbuz - eines der Dorfkollektive aus der Gründerzeit des jüdischen Staates. Sie arbeiten dort vor allem im Kinderhort. Was hat Sie veranlasst, ein Jahr nach Israel zu gehen?

Bulmahn:
Mehrere Dinge. Zum Einen wollte ich nach der Schule im Ausland für eine bestimmte Zeit arbeiten.

Gaus:
Dort haben Sie Hebräisch ein bisschen gelernt.

Bulmahn:
Dort habe ich ein wenig Hebräisch gelernt. Musste ich ja. Mit den Kindern musste ich ja Hebräisch sprechen. Ich wollte also wirklich einmal eine Zeit lang im Ausland erleben. Zweitens fand ich die Lebensform Kibbuz einfach unheimlich interessant und wollte sie auch kennen lernen. Also, es war eine ganz bewusste Entscheidung, in ein Kibbuz zu gehen. Nicht in irgendeinem anderen Land als Au pair zu arbeiten, sondern in den Kibbuz zu gehen. Und dieses Jahr hat für mich persönlich auch eine wichtige Rolle gespielt, weil ich erstens dort zum Beispiel erlebt habe, dass Ganztagsschulen - die in einem Kibbuz ganz selbstverständlich sind - Frauen ganz andere Möglichkeiten geben, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Das, worüber wir als junge Frauen ja diskutiert haben. Aber ich hatte es vorher nicht konkret erlebt, nicht gesehen, wie tatsächlich Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern dort praktiziert wurde. Das ist auch nicht immer einfach so weiter fort gegangen, sondern dort hat es auch massive Rückschläge gegeben. Und was mich selber auch sehr beeindruckt hat – Sie müssen wissen, dass ich aus einem Elternhaus komme, in dem meine Mutter, aber auch mein Großvater zum Beispiel strikte Gegner der Nationalsozialisten waren. Ich habe dann selber im Kibbuz auch zum Beispiel ehemalige Flüchtlinge aus dem Nazideutschland getroffen. Auch Menschen, die zeitweilig im Zuchthaus von den Nationalsozialisten verhaftet worden sind, die fliehen konnten in den dreißiger Jahren, häufig über Südamerika dann nach Israel gekommen sind. Das sind Erfahrungen und Erlebnisse, die mich schon sehr stark geprägt haben und die mich auch einfach davon überzeugt haben, dass es sinnvoll ist und wichtig ist, sich zu engagieren.

Gaus:
Lassen Sie mich eine wahrscheinlich unfaire Frage stellen: Können Sie so aus dem Stand – Sie kennen die Fragen nicht vorher - können Sie mir vier Zeilen eines hebräischen Kindergedichtes sagen?

Bulmahn:
Nein, das kann ich nicht.

Gaus:
Können Sie nicht.

Bulmahn:
Das kann ich nicht.

Gaus:
Das tut mir leid.

Bulmahn:
Das werde ich noch nachholen.

Gaus:
Hätte ich gern gehört.

Bulmahn:
Ja.

Gaus:
Wenn Sie es können, rufen Sie mich an, sprechen es mir vor.

Bulmahn:
Das mache ich.

Gaus:
Versprochen?

Bulmahn:
Das ist versprochen.

Gaus:
Zurück in der Bundesrepublik studieren Sie politische Wissenschaften und Anglistik, legen 1980 das zweite Staatsexamen ab und werden Oberschullehrerin, Studienrätin. Warum um Gottes Willen Studienrätin? Jener Beruf, von dem Bundeskanzler Schröder mal flapsig gesagt hat, er neige zur Faulenzerei. Warum Lehrerin?

Bulmahn:
Das ist eine falsche Einschätzung.

Gaus:
Er hat manche falsche Einschätzung in den letzten Jahren gehabt. Warum Lehrerin?

Bulmahn:
Weil ich gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten wollte. Und weil ich mir eigentlich keinen Beruf vorstellen konnte, wo ich nicht mit Menschen zu tun habe. Sondern, ich wollte einen Beruf mit Menschen und finde, das ist ein wirklich interessanter, sehr herausfordernder Beruf, der eine ganze Menge an Anforderungen auch stellt, der aber auch eine ganze Menge zurückgibt. Nicht immer so viel, wie man sich das vielleicht wünscht...

Gaus:
Würden Sie heute noch Lehrerin sein mögen?

Bulmahn:
Ich finde das nach wie vor, dass es einer der wichtigsten Berufe ist, die es überhaupt gibt...

Gaus:
Frau Ministerin, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Würden Sie es sein wollen, heute? Ist es nicht heute einer der schlimmsten, noch schlimmer als Politiker?

Bulmahn:
Es ist heute ein sehr, sehr schwerer Beruf, ein schwieriger Beruf. Aber es ist auch heute noch ein Beruf, wo Lehrerinnen und Lehrer auch jeden Tag merken, dass sie auch immer wieder etwas bewirken können und erreichen können.

Gaus:
Sind Sie ganz sicher, dass die das noch jeden Tag merken? Ist es nicht so, dass...

Bulmahn:
Doch, doch, bin ich ganz sicher, weil meine Schwester Lehrerin ist und...

Gaus:
Die schont Sie.

Bulmahn:
Nein, die schont mich nicht. Sondern wir sprechen sehr oft miteinander. Und sie erzählt mir auch manchmal, wie ihre Woche durchaus ausgesehen hat. Und das ist manchmal ziemlich hart.

Gaus:
Warum ist es so viel härter geworden?

Bulmahn:
Insgesamt, weil erstens Bildung in unserem Land nicht mehr wirklich die Rolle spielt in vielen... Und zwar nicht nur aufgrund der Tatsache,...

Gaus:
Die Bildung ist tot.

Bulmahn:
..., dass einige Familien nicht mehr den Stellenwert zumessen. Sondern insgesamt hat Bildung einfach nicht den Stellenwert in unserem Land, den sie braucht. Und das führt natürlich auch dazu, dass einzelne Menschen Bildung dann auch nicht mehr diesen Stellenwert zumessen. Ich sehe hier die skandinavischen Länder als Vorbilder, die wirklich Bildung als eine ganz wichtige Sache für ihre Gesellschaft betrachten und die einen Bildungsoptimismus haben. Den wünsche ich mir wieder zurück.

Gaus:
Und dann die Politik, Frau Bulmahn. Beginnend bei den Jungsozialisten, erstes Mandat auf kommunaler Ebene. Seit 1987 Abgeordnete im Bundestag. Seit 1994, denke ich, Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft. Einige Zeit Landesvorsitzende der SPD in Niedersachsen. Mitglied im Bundesvorstand der SPD. Seit 1998 Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft. Ein steiniger Weg. Nun hatten wir die Lehrerin gefragt – und jetzt: Warum Politik? Warum nicht geachtet bleiben und leben in einem bürgerlichen Beruf? Warum Politik als Beruf? Denn es ist Ihr Beruf.

Bulmahn:
Ja, das ist richtig. Ich hätte es - es war auch eigentlich nicht mein Ziel...

Gaus:
Niemand hat das Ziel als Berufspolitiker...

Bulmahn:
Doch es gibt da welche, die haben schon sehr früh darauf hin gearbeitet, wirklich Berufspolitiker zu werden.

Gaus:
Herbert Wehner.

Bulmahn:
Ich kenne auch eine Reihe anderer Namen.

Gaus:
Aus Ihrer Generation?

Bulmahn:
Auch aus meiner Generation, die sehr konsequent...

Gaus:
Nennen Sie Namen! Gerhard Schröder?

Bulmahn:
Unter anderem. Aber wirklich noch mehr. Und auch jetzt bei den jüngeren Kollegen. Aber es war nicht mein Ziel – jedenfalls nicht meins.

Gaus:
Ja, also warum?

Bulmahn:
Erstens, weil ich ganz konkret von meinem Ortsverein dann auch gefragt worden bin, als die Frage eines Nachfolgers stand. Mein Vorgänger war Helmut Rohde - im übrigen auch mal Bundesbildungsminister...

Gaus:
Ja, ich weiß. Der sang gerne Lieder zur Klampfe.

Bulmahn:
Ja, konnte er auch sehr gut.

Gaus:
Können Sie das auch?

Bulmahn:
Ein bisschen.

Gaus:
Ist das wahr?

Bulmahn:
Ja, sicher.

Gaus:
Das habe ich nicht recherchiert. Ich hätte eine zur Hand.

Bulmahn:
Das muss ich ja auch nicht alles immer erzählen, Herr Gaus. Ein Stück Privatleben muss ich behalten.

Gaus:
Ich lasse Ihnen mehr als die Lieder zur Klampfe.

Bulmahn:
Gut. Also, kurz gesagt: Ich kann mir ein Leben ohne Politik nicht vorstellen. Ich kann mir sehr wohl ein Leben vorstellen, ohne Berufspolitikerin zu sein. Aber ein Leben ohne Politik kann ich mir nicht vorstellen.

Gaus:
Warum nicht?

Bulmahn:
Ja, weil das ja bedeuten würde, dass ich mich mit dem abfinde, wie es ist. Und das kann ich mir nicht vorstellen.

Gaus:
So, dann müssen Sie jetzt definieren, was für Sie soziale Gerechtigkeit ist. Heutzutage, unter den jetzigen Bedingungen - nicht nach Utopien.

Bulmahn:
Ja, das gehört ja auch ein bisschen dazu.

Gaus:
Darauf komme ich noch.

Bulmahn:
Schritte zur Utopie hin.

Gaus:
Ja, okay.

Bulmahn:
Heute heißt für mich soziale Gerechtigkeit vor allen Dingen, Menschen immer wieder auch neue Chancen zu eröffnen. Chancen, Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen, eine bestmöglichste Bildung und Ausbildung auch zu erhalten. Deshalb finde ich mich auch nicht damit ab, dass wir viele Jugendliche haben, die keinen Ausbildungsplatz erhalten.

Gaus:
Sind Sie für die Ausbildungsabgabe?

Bulmahn:
Ich bin dafür, dass alle Jugendlichen einen Ausbildungsplatz erhalten.

Gaus:
Natürlich, wer sollte denn wohl dagegen sein?

Bulmahn:
Und Herr Gaus, wenn die Unternehmen es nicht schaffen und es nicht bereit sind und es nicht hinkriegen, dass wir allen Jugendlichen ein Ausbildungsplatzangebot machen können, dann müssen wir auch den Schritt machen und sagen, dann muss es auf diesem Weg erreicht werden. Dass nämlich die Unternehmen herangezogen werden, die jetzt ihrer Verantwortung ja nicht gerecht werden.

Gaus:
Bei der Vorbereitung auf dieses Interview war einer der Hauptvorwürfe, die gegen Sie erhoben wurden, dass Sie Bildungspolitik als Teil der sozialen Gerechtigkeitspolitik betreiben. Ich stelle das nur fest, ich werte es nicht. Ist das im Grunde richtig?

Bulmahn:
Ganz sicher ist Bildungspolitik auch zum Teil Gerechtigkeitspolitik - auch soziale Gerechtigkeitspolitik.

Gaus:
Dann gibt es zwangsläufig die nächste Frage: Die SPD versucht derzeit, sage ich mal, den Spagat zwischen Eliteuniversitäten und der Ganztags-, der Gesamtschule. Das heißt, zwischen Elitebildung und Breitenförderung. Die gängige Antwort der Politik lautete - und ich sage das, damit Sie das vielleicht überspringen in dieser Antwort - dass man beides tun muss. Die Umstände, denke ich, sind so – vor allem die finanziellen Umstände – dass beides nicht auf Dauer möglich sein wird. Grübeln Sie gelegentlich - wenn der Kopf einmal von der sehr schweren Tagesarbeit frei ist - über solche bitteren Einsichten nach, dass manches, was man für unverzichtbar am Anfang seines politischen Lebens angesehen hat, vielleicht nicht zu verwirklichen ist? Weil Sie sich irgendwann entscheiden müssen unter dem Druck der Mediendemokratie, unter dem Druck der Fakten, nicht nur der Mediendemokratie, unter dem Druck der leeren Kassen. Schlechtes Bild - aber Sie wissen, was ich meine. Dass man irgendwann sagen muss: Elite. Und dann ein bisschen weniger Breite. Die Antwort, die Politiker geben - beides muss sein – haben wir ja schon abgehakt.

Bulmahn:
Na, die haben wir noch nicht wieder abgehakt. Da widerspreche ich Ihnen. So einfach mache ich es mir nicht.

Gaus:
Ich habe gefragt: Grübeln Sie manchmal darüber?

Bulmahn:
Ja, sicher. Ich grübele nicht nur manchmal darüber nach, sondern ich denke sehr oft darüber nach. Und ich diskutiere diese Fragen auch mit sehr vielen anderen Menschen aus der Hochschule - aber auch außerhalb der Hochschule.

Gaus:
Über diese Alternative?

Bulmahn:
Über diese Beziehung. Braucht man eine solche Beziehung - Spitze und Breitenförderung? Wie kann sie gestaltet werden? Wie kann sie so gestaltet werden? Oder ist es – würde es genau zu dem gegenteiligen Ergebnis führen? Was ich eigentlich erreichen will, nämlich insgesamt unsere Hochschulen – das ist mein Ziel – insgesamt unsere Hochschulen wirklich voranzubringen. Voranzubringen sowohl in der Qualität von Lehre und Forschung, aber auch voranzubringen zum Beispiel im internationalen Standing, weil ich weiß, dass das sehr wichtig ist. Und zwar sowohl wieder für die Anerkennung der Ausbildungsleistung, wie auch der Forschungsleistung. Und das ist der Grund, warum ich überzeugt bin – obwohl Sie vorhin gesagt haben, das ist die einfache Antwort – dass wir beides brauchen. Das ist eigentlich nämlich die schwerere Antwort. Es wäre viel leichter, wenn ich sagen würde: Wir müssen nur Spitzenuniversitäten. Oder wenn ich sagen würde: Das brauchen wir gar nicht, wir machen vor allen Dingen Breite. Das sind die eigentlich einfacheren Antworten.

Gaus:
Aber dann müssen Sie beides bezahlen können.

Bulmahn:
Ja. Da stimme ich Ihnen zu.

Gaus:
Und Sie können nicht beides bezahlen und da müssen Sie sich entscheiden.

Bulmahn:
Herr Gaus, ich widerspreche Ihnen. Wir werden in unser Bildungssystem insgesamt deutlich mehr Geld investieren müssen. Daran geht kein Weg vorbei. Und ich bin auch nicht bereit und werde auch keine Politik mitmachen, die immer weniger Geld in Bildung und Forschung investiert. Wir müssen mehr Geld investieren.

Gaus:
Sind wir da an einem Punkt, wo nicht Schröder Sie vielleicht entlässt, sondern wo Sie Schröder vielleicht sagen: ‚Gerhard, ich verzichte’?

Bulmahn:
Also, als Ministerin sollte man nie mit solchen Drohungen arbeiten. Das ist auch gar nicht der Punkt. Ich glaube im Übrigen – ich sage das ausdrücklich - dass ich da in Gerhard Schröder im übrigen, wie in Franz Müntefering, Verbündete habe.

Gaus:
Wen wollen Sie jetzt noch loben? Sie müssen jetzt Clement erwähnen.

Bulmahn:
Fallen mir noch mehrere ein.

Gaus:
Sagen Sie Clement.

Bulmahn:
Ich habe deshalb Verbündete, weil schon in meiner Partei - und ich sage jetzt ausdrücklich auch bei diesen beiden Personen - eines völlig klar ist. Sie wissen, dass wir in unserem Land nur mit gut qualifizierten, ausgebildeten Menschen Zukunft sichern können.

Gaus:
Sie kennen Amerika?

Bulmahn:
Ich kenne Amerika.

Gaus:
Sie wissen, dass das, was Sie hier als Notwendigkeit für die deutsche Gesellschaft beschreiben, in Amerika nicht mehr hergestellt wird. Warum glauben Sie, dass wir uns dieser Amerikanisierung, dieser neuen Art Amerikanisierung entziehen können?

Bulmahn:
Deshalb mache ich ja unter anderem auch Politik. Weil ich nicht nur eine Kopie will...

Gaus:
Haben Sie im Ministerium denn eine Maschine, die Geld druckt?

Bulmahn:
Nein. Aber ich bin lange genug auch Politikerin, um zu wissen, dass wir in einem Bundeshaushalt von über 240 Milliarden – und das gilt im übrigen auch für die Landeshaushalte – immer auch Geldknappheiten haben werden.

Gaus:
An welcher Stelle wollen Sie sparen?

Bulmahn:
Muss ich das jetzt hier sagen?

Gaus:
Ja, dies ist einfach. Dies ist keine Talkshow. Ich frage, Sie antworten. Sie werden keinen Widerspruch – ich will es nur hören.

Bulmahn:
Also, ich sage Ihnen ganz offen, ich bin davon überzeugt, dass es zum Beispiel wichtiger ist, in Bildung zu investieren als in immer - auch noch weiter mit Aufwüchsen - in Autobahnen zu investieren oder in Straßen. Das ist eine Antwort.

Gaus:
Ich weiß nicht, ob Sie mir das jetzt glauben. Ich habe, als ich das fragte, gedacht: ‚Was wird sie sagen?’ Ich habe das gedacht.

Bulmahn:
Sie waren ja auch mal Politiker.

Gaus:
Ich hatte eine hohe politische Funktion. Ich war Gott sei Dank nur eine sehr kurze Zeit Politiker - im Sinne, in dem Sie es sind. Die hohe politische Funktion ist so etwas, wie Horst Köhler sie hat. Das ist etwas ganz anderes.

Bulmahn:
Ja, es ist anders. Das stimmt.

Gaus:
Und es ist das einfachere. Ihres ist das Schwerere. Wenn Sie zu Ende...

Bulmahn:
Aber sicher... Ich glaube, dass man in solchen Situationen natürlich auch immer vor solchen Entscheidungen auch steht. Ich weiß, dass das eine auch nicht einfach ist. Aber wenn ich die Bedeutung, die mittelfristige und langfristige Bedeutung für unser Land einschätze und bewerte - und das muss ich ja als Politikerin - dann halte ich die Investition in Bildung für das Entscheidende - in Wissenschaft, Forschung ist das Entscheidende, was wir schaffen müssen.

Gaus:
Niemand widerspricht, denke ich. Wer traut sich denn, dem zu widersprechen?

Bulmahn:
Na, es gibt genügend. Leider.

Gaus:
Ja, aber nicht öffentlich.

Bulmahn:
Das ist richtig.

Gaus:
Und der Punkt ist jetzt: Wenn Sie einmal bis zur Resignation denken würden, würden Sie dann handlungsunfähig sein, politisch?

Bulmahn:
Wenn ich resigniere, dann wäre ich handlungsunfähig, ja.

Gaus:
Wenn Sie bis zur letzten Konsequenz denken und denken: Es geht nicht, es geht nicht - würden Sie dann... Es gibt die zwei Möglichkeiten - ich sage, das Schöne am real existierenden Leben ist seine Unlogik - man kommt dahin, zu sagen, es wird nicht gehen und trotzdem macht man weiter - oder man lässt es. Was würden Sie tun?

Bulmahn:
Also, ich denke Sachen durch.

Gaus:
Wie weit?

Bulmahn:
Bis zum Ende.

Gaus:
Bis es weh tut?

Bulmahn:
Durchaus auch bis es weh tut. Ich bin gleichzeitig - ich kämpfe gleichzeitig... Für das inhaltliche Ziel kann ich sehr stark kämpfen und kämpfe ich auch.

Gaus:
Stammzellenforschung, Klonen von Embryonen – wäre es nicht ethisch konsequent, das ganz zu verbieten? Die Bundesregierung versucht einen Kompromiss. Kann man in solcher Sache einen Kompromiss – ein bisschen Schwangerschaft gibt es nicht. Kann man da einen Kompromiss haben? Begründen Sie den Kompromiss bitte.

Bulmahn:
Ich begründe den Kompromiss. Die Forschung mit den Stammzellen kann uns vielleicht wirklich neue Erkenntnisse geben, die uns in die Lage versetzen, Menschen wirklich zu helfen. Menschen, denen wir im Augenblick noch nicht helfen können. Das gilt für ganz furchtbare Krankheiten wie zum Beispiel Alzheimer oder Krebs oder andere.

Gaus:
Dafür muss man dann - ein Ziel aufs innigste zu wünschen – die Frage ist nur: Gott ins Handwerk pfuschen? Das ist doch die ethische Frage. Und das ist - was Sie jetzt gesagt haben, ist in Wahrheit nicht die Begründung des Kompromisses, sondern ist die Erläuterung eines Ausweges. Gibt es einen ethischen Kompromiss?

Bulmahn:
Nein, ich glaube auch... Für mich ist das kein Kompromiss, sondern wir müssen – und ich treffe jedenfalls eine Abwägung. Ich habe für mich eine Abwägung getroffen, dass ich der Auffassung bin, dass ich die Nutzung der Eizellen, die entnommen worden sind zum Zwecke, eine Schwangerschaft zu erreichen, die aber nicht genutzt worden sind - dass man diese Eizellen nutzen kann und einsetzen kann für die Gewinnung von Stammzellen. Ich würde eine Beschlussfassung und ein Gesetz nicht mit unterstützen, die die Erzeugung von Embryonen zu reinen Forschungszwecken...

Gaus:
Das ist das Klonen.

Bulmahn:
..., die Entnahme von Eizellen zu reinen Forschungszwecken möglich macht. Das halte ich aus Überzeugung hier für nicht legitim. Von da her ist es eine sehr differenzierte Position, die ich da vertrete. Das macht es für die Öffentlichkeit nicht immer einfach – Stichwort Medien. Ich bin aber überzeugt, dass Menschen in der Lage sind, solche differenzierten Positionen zu entwickeln. Wir haben ja schließlich unseren Verstand, um ihn zu nutzen. Und deshalb habe ich auch den Anspruch, dass es auch möglich sein muss, in einer Demokratie zu solchen differenzierten Positionen zu kommen.

Gaus:
Glauben Sie an die Veränderbarkeit des Menschen zum Besseren hin?

Bulmahn:
Ja.

Gaus:
Als Sozialdemokratin?

Bulmahn:
Als Sozialdemokratin.

Gaus:
Waren Sie je in der Versuchung, weiter nach links zu geraten? Bekennen Sie, es steht im Verfassungsschutzbericht noch drin.

Bulmahn:
Nein, nein. Ich war nicht in Versuchung, zum Beispiel in eine kommunistische Partei zu geraten, weil sie mir viel zu autoritär waren und sehr dogmatisch. Und ich an der Sozialdemokratie es wirklich schätze, dass in meiner Partei es immer möglich ist, dass man über unterschiedliche Meinungen auch streitet und ringt. Das gehört für mich mit zu Politik, ist auch wichtig, um gute Entscheidungen zu treffen. Das bewahrt nicht vor Fehlern – keine Illusionen. Aber es ist richtig, dass wir diese Freiheit uns in der eigenen SPD und in einer Demokratie auch nehmen.

Gaus:
Worin hat sich die SPD in den 35 Jahren, seit Sie der Partei angehören, in Ihrem Wesen am stärksten verändert? Unter den sozialdemokratischen Kanzlern Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Worin liegt für eine altgediente Sozialdemokratin...

Bulmahn:
Oh, eine altgediente Sozialdemokratin?

Gaus:
Sie sind weit davon entfernt, alt zu sein. Nur, nach 35 Jahren und dieser aktiven Karriere wird man sagen können: Altgedient.

Bulmahn:
Bin ich schon lang... Ja, das stimmt.

Gaus:
Worin liegt für Edelgard Bulmahn die stärkste Veränderung im Wesen der SPD in diesen 35 Jahren – unter Brandt, Schmidt, Schröder?

Bulmahn:
Das kann ich Ihnen so nicht – die Frage kann ich Ihnen nicht so einfach beantworten. Weil ich die Entwicklung der SPD nicht als eine Entwicklung empfinde und wahrnehme in eine bestimmte Richtung oder an einen - wo es an einem Punkt ganz massive Veränderungen oder Brüche gegeben hat.

Gaus:
Aber sie ist heute anders als zu Zeiten von Willy Brandt.

Bulmahn:
Sie ist heute anders. Sie ist heute viel weiblicher geworden als zu Zeiten von Willy Brandt. Das finde ich gut - logischerweise.

Gaus:
Hätte er auch gefunden.

Bulmahn:
Ich hätte mir gewünscht und ich wünsche mir und versuche das auch mit zu erreichen, dass wir wieder mehr junge Menschen und junge Leute und damit meine ich jetzt wirklich junge – also 17, 18, 20jährige, 21jährige - in meiner Partei haben, weil wir die auch brauchen. Und zwar nicht nur, um die Partei am Leben zu erhalten, sondern um genau die inhaltliche Debatte auch voran zu treiben. Und ich wünsche mir – und das ist vielleicht etwas, wenn Sie mich fragen, das hat sich vor allen Dingen verändert, was ich ja in den Jahren schon feststelle, dass weniger Menschen eigentlich aktiv mitdiskutieren und mitentscheiden. Und das bedauere ich.

Gaus:
Das hat sich auch innerhalb der SPD verändert?

Bulmahn:
Ja. Das hat sich auch innerhalb der SPD verändert. Wenn ich an die Mitgliederversammlungen meines eigenen Ortsvereins zum Beispiel denke: Wir haben nicht nur über Kommunalpolitik in den siebziger Jahren diskutiert, sondern auch über Weltpolitik, über Friedenspolitik, über internationale Politik, natürlich auch über Sozialpolitik und auch Kommunalpolitik. Und das finde ich, ist auch ganz wichtig, dass man den Zusammenhang sieht in dem das eigene – in dem man selbst als Politikerin wirkt. Egal, ob als Berufspolitikerin oder mit ehrenamtlichem Engagement.

Gaus:
Hätte jemand wie Helmut Schmidt Sie zur SPD verführen können?

Bulmahn:
Das weiß ich nicht.

Gaus:
Versuchen Sie es mal zu ergründen.

Bulmahn:
Ich glaube nicht, dass mich eine Person zur SPD hätte verführen können.

Gaus:
Also, Willy Brandt war nicht so ein Zugpferd für Sie.

Bulmahn:
Ich bin ja vorher eingetreten. Also ich bin ja nicht im Zusammenhang...

Gaus:
Na ja, ’69 war er schon eine bekannte sozialdemokratische Größe.

Bulmahn:
Ja, das ist richtig.

Gaus:
Er war Vorsitzender der SPD.

Bulmahn:
Das ist richtig. Aber ich habe jetzt mich auf das Jahr ’72 bezogen, wo wir ja eine - ’71, ’72 - wo wir eine – gerade ’72 - wo wir eine ganz große Eintrittswelle hatten in die SPD, weil wirklich es auch um die Person Willy Brandt ging - mit seinen Zielen, mit seinen Ideen. Also, die Person war für mich - sage ich ausdrücklich - nicht das Entscheidende. Ich achte Willy Brandt sehr. Er ist für mich auch durchaus ein Vorbild, aber er war nicht als Person entscheidend.

Gaus:
Nun sprechen Sie dasselbe noch mal über Helmut Schmidt.

Bulmahn:
Auch er war nicht für mich als Person entscheidend. Er hat aber auch eine ganze Menge für die SPD erreicht und gemacht.

Gaus:
Er ist für Sie nicht ein Sozialdemokrat der Sorte, von denen die Eltern immer gesagt haben, der Junge soll es mal weiter bringen - bis man gar nicht mehr merkt, dass er Sozialdemokrat ist.

Bulmahn:
Nein, er war und ist auch ein Sozialdemokrat. Sozialdemokraten sind auch durchaus unterschiedlich.

Gaus:
Ich habe Sie nicht nach Gerhard Schröder gefragt.

Bulmahn:
Auch er ist ein Sozialdemokrat.

Gaus:
Erlauben Sie mir eine... Wollen wir auf die Wesensverschiedenheiten der alten und der jetzigen SPD noch mal zurückkommen? Erlauben Sie mir eine letzte Frage: Wovor fürchten Sie sich am stärksten, Frau Bulmahn?

Bulmahn:
Am stärksten fürchte ich mich davor, dass die Menschen zu gleichgültig werden. Gleichgültig gegenüber Armut, gleichgültig gegenüber Gewalt, sich einfach abfinden mit dem, was ist. Das ist meine – ich glaube, das ist meine größte Befürchtung. Und ich werde alles dafür tun, dass das nicht geschieht.