Sendung vom 11.12.1963 - Teller, Edward

Günter Gaus im Gespräch mit Edward Teller

In dieser Hinsicht keine Gewissenslast

Edward Teller, geboren am 15. Januar 1908 in Budapest.
Studium der Physik in Karlsruhe, München und Leipzig, wissenschaftliche Arbeit in Göttingen, bei Niels Bohr in Kopenhagen und an der Londoner Universität. Seit 1935 in den Vereinigten Staaten. Bei Kriegsbeginn Teilnahme an den ersten Arbeiten zur Herstellung der Atombombe, schon sehr bald mit den theoretischen Fragen des Baus einer Wasserstoffbombe befaßt. Nach dem Kriege in teilweise scharfer Opposition zu anderen Kernphysikern Entwicklung der Wasserstoffbombe. 1953-60 wirkte er als Physik-Professor an der Universität von Kalifornien. Emeritierung 1975. Kurz und umstritten war seine Rolle als Mitglied des Beratenden Ausschusses der amerikanischen Atomenergie-Kommission. Er forderte energisch die Weiterführung der Atomwaffenversuche, hielt jede kontrollierte Einstellung der Versuche für unmöglich. Als Berater von US-Präsident Reagan unterstützte er in den 80er Jahren das Strategiekonzept eines mit Laser bestückten Satelliten-Systems zur Raketenabwehr im Weltraum (SDI). In den späten 80er Jahren befaßte er sich in Stanford mit den theoretischen Grundlagen der Supraleitung. Er schreibt Gedichte und Novellen in deutscher und ungarischer Sprache.
Das Gespräch wurde gesendet am 11. Dezember 1963.


Gaus: Herr Professor Edward Teller, Sie sind ein weltberühmter Mann und ein ebenso umstrittener Mann, weltberühmt und umstritten als Atomforscher, als ein Wissenschaftler, der bestimmte nukleare Forschungen mit besonderer Entschiedenheit vorangetrieben hat, gegen alle Widerstände, gegen alle Opposition. Manche Ihrer Kollegen sagen, daß Sie diese Zähigkeit aufgebracht hätten, weil Ihr Lebenslauf – Sie sind 1908 in Budapest als Sohn eines wohlhabenden ungarischen Juden geboren – ganz besonders schwierig gewesen ist. Sie gehören zu den Emigranten, die in Amerika eine neue Heimat gefunden haben. Glauben Sie, daß dies Einfluss gehabt hat auf Ihre Haltung gegenüber Ihrer Arbeit?

Teller: Ich weiß nicht. Ich glaube, daß keiner zuständig ist, über sich selbst sehr viel zu sagen. Ich glaube nicht, daß ich ein sehr schwieriges Leben geführt habe. Ich habe Europa verlassen vor dem Zweiten Weltkrieg, ich habe Deutschland verlassen, kurz nachdem Hitler an die Macht kam. Ich glaube, daß mein Teil sehr viel weniger schwierig war als das Schicksal derer, die zu Hause geblieben sind.

Gaus: Das ist gewiß richtig. Immerhin, Sie haben Ihren Studienort in Deutschland suchen müssen, weil Sie in Ungarn nicht studieren konnten.

Teller: Das ist auch nicht ganz richtig. Ich bin an der Technischen Hochschule in Budapest angenommen worden. Ich habe in Deutschland studiert, weil die deutschen Universitäten besser sind.

Gaus: Sie haben in Karlsruhe und Leipzig studiert ...

Teller: In Karlsruhe, München und Leipzig ...

Gaus: ... und dann in Göttingen gearbeitet.

Teller: Dann habe ich in Göttingen gearbeitet und nachher für eine kurze Zeit in Kopenhagen und London.

Gaus: Bevor Sie nach Amerika gingen.

Teller: Bevor ich nach Amerika kam, ja.

Gaus: Haben Sie jemals einen anderen Wunsch gehabt als den, Naturwissenschaftler zu werden?

Teller: Das hängt davon ab, was Sie meinen. Ich wollte an sich Mathematiker sein. Das ist eine meiner ersten Erinnerungen: Wenn ich zu Bett ging, gehen mußte, als Kind, ich war sicher noch nicht sechs Jahre alt, wenn das Licht ausgedreht wurde und ich noch nicht schlafen wollte, habe ich mich mit kleinen Rechnungen, ich glaube, wahrscheinlich mit falschen Rechnungen, amüsiert. Etwa: herauszufinden, wie viele Sekunden es an einem Tag oder in einem Jahr gibt. Ich hatte ein großes Interesse an Zahlen und etwas später an Mathematik, aber es war erst, nachdem ich nach Deutschland gekommen war und nachdem sich die Quantenmechanik einigermaßen entwickelt hatte, daß ich an der Physik ein sehr starkes Interesse genommen habe.

Gaus: Sie haben als Entspannung immer sehr die Musik geschätzt. Wer sind Ihre bevorzugten Komponisten?

Teller: Klassische Musik: Bach, Mozart, Beethoven. Besonders Mozart.

Gaus: Herr Professor Teller, Sie haben einen Sohn und eine Tochter. Haben Sie einen Berufswunsch für Ihren Sohn?

Teller: Mein Sohn geht jetzt nach Stanford, hat in Stanford bereits zwei Jahre studiert. Er studiert Mathematik. Aber ich bin ziemlich sicher, und er ist ziemlich sicher, daß er nicht ein Mathematiker wird. Ich glaube, er will Naturwissenschaftler sein. Er ist zwanzig Jahre alt. Er weiß noch nicht, in welchem Gebiet, aber Mathematik interessiert ihn. Und auf jeden Fall ist Mathematik eines der Werkzeuge, das man sich ganz am Anfang aneignen muß.

Gaus: Herr Professor Teller, als Sie 1934/35 bei Niels Bohr, dem Vater einer ganzen Generation von Atomwissenschaftlern, in Kopenhagen gearbeitet haben, waren Sie befreundet mit Carl-Friedrich von Weizsäcker, dem deutschen Atomforscher und Philosophen. Weizsäcker, der heute Professor in Hamburg ist –

Teller: Professor der Philosophie –

Gaus: – in Hamburg, ja, und vor wenigen Wochen den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten hat ...

Teller: ... das freut mich wirklich sehr ...

Gaus: ... war zu jener Zeit kein Nazi – er war niemals ein Nazi. Immerhin, es heißt, daß er gewisse Anzeichen, gewisse Möglichkeiten für die Wiederherstellung bestimmter Ordnungen im damaligen Deutschland sah. Sie selbst waren ein gebranntes Kind, dennoch waren Sie beide befreundet. Ich würde gern wissen, ob dieses ein Zeichen dafür ist, daß die kleine Familie der Atomforscher eine internationale Familie war, in der zu jener Zeit politische Fragen noch gar keine Rolle spielten.

Teller: Das läßt sich nicht einfach beantworten. Ich finde, daß wir im allgemeinen über Politik wohl weniger geredet haben, als jeder Bürger reden und denken sollte in einem demokratischen Staat. Im Spezialfall meiner Freundschaft mit Weizsäcker, wir waren in Kopenhagen sehr viel zusammen, muß ich sagen: Der Umstand, daß Hitler an die Macht gekommen ist und daß er in ganz klarer Weise angefangen hat, sein Unwesen zu treiben, machte es ganz unausweichlich, ganz notwendig, daß wir über diese Frage sprachen, und wir haben diese Frage, diese politische Frage, oft und wiederholt besprochen. Und natürlich kann ich nicht behaupten und will ich nicht behaupten, daß wir vollkommen einig gewesen wären. Aber in den Hauptpunkten waren wir uns einig. Ich finde natürlich, Weizsäcker hatte ein stärkeres Gefühl für Deutschland als einen Staat, während ich keinen Grund hatte, so ein Gefühl zu haben. Aber ich muß sagen, die Idee, daß Weizsäcker irgendwas mit den Nazis zu tun hatte, daß er irgendwelche Sympathien für die Nazis gehabt hätte, ist total falsch.

Gaus: Ich glaube, diese Tatsache ist unbestritten. Mich würde nur dennoch interessieren, noch einmal, ob zu jener Zeit die, wenn Sie so wollen, Lust am wissenschaftlichen Abenteuer im Kreise der Atomforscher größer war – zu jener Zeit Anfang der dreißiger Jahre, Mitte der 30er Jahre – als ein etwaiges politisches Engagement. Waren die Atomwissenschaftler zu jener Zeit unpolitisch?

Teller: Schwer zu sagen. Sie waren aber sicher nicht so stark politisch, wie viele andere Wissenschaftler sind. Aber Ihr Ausdruck »wissenschaftliches Abenteuer« gefällt mir sehr gut. An sich schließt Interesse an einem Gebiet nicht einiges Interesse an einem anderen, wichtigen Gebiet aus.

Gaus: Nun haben sich viele Ihrer Forscherkollegen, Herr Prof. Teller, nach dem 2. Weltkrieg gelegentlich angeklagt, daß sie eben doch ein ausschließlich wissenschaftliches Interesse gehabt hätten und politische Konsequenzen ihrer Forschungsarbeit nicht bedacht hätten. Wie ist es bei Ihnen selbst? Kennen Sie auch die selbstvergessene Hingabe an ein Forschungsproblem oder sind Ihnen stets, oder wenigstens heute, die politischen Konsequenzen immer geläufig?

Teller: Ich bin im Ersten Weltkrieg aufgewachsen, ich war zehn Jahre alt, als die österreich-ungarische Monarchie in Stücke zerfiel, ich mußte Deutschland aus politischen Gründen verlassen, ich bin dann schließlich nach Amerika ausgewandert. All das hatte sehr viel mit Politik zu tun. Schließlich, als Hitler kam, hätte ich auch nach Ungarn zurückkehren können. Das habe ich nicht getan.

Gaus: Aus politischer Einsicht?

Teller: Zu einem großen Teil aus politischer Einsicht. Es war mir damals ganz klar, daß Ungarn entweder von den Nationalsozialisten oder aber von den Kommunisten beherrscht werden würde. Zwischen diesen beiden Mühlrädern war es sicher nicht geheuer.

Gaus: Als der 2. Weltkrieg in Europa heraufzog, haben einige Atomforscher den Versuch unternommen, vor allem Ihr ungarischer Landsmann Dr. Szillard ...

Teller: ... ein sehr guter Freund von mir ...

Gaus: ... den Versuch unternommen, Herr Professor Teller, die Atomwissenschaftler zu einem Geheimhaltungsabkommen zu bewegen. Sie sollten ihre Forschungsergebnisse nicht mehr veröffentlichen. Sie selbst haben dieser Absicht sehr wohlwollend gegenübergestanden. Warum? Haben Sie zu jener Zeit die militärische Nutzung der Atomkraft für unverantwortlich gehalten?

Teller: Nein, im Gegenteil. Die meisten Wissenschaftler zu der Zeit dachten, daß die Atomwaffen zu Verteidigungszwecken gebraucht werden müßten. Und der Hauptgrund für die Geheimhaltung war im wesentlichen eine militärische Maßnahme, gegen Hitler gerichtet.

Gaus: Professor Heisenberg, der deutsche Atomforscher, hat nach dem Zweiten Weltkrieg einmal gesagt, daß seinerzeit, 1939, noch eine Übereinkunft unter nicht mehr als vielleicht zwölf Männern genügt hätte, um die Entwicklung atomarer Waffen zu verhindern. Glauben Sie, daß das richtig ist?

Teller: Ich glaube nicht. Ich glaube, daß das unrichtig ist. Man kann die Entwicklung nicht verbieten. Man kann sie aufhalten, man kann sie verzögern. Es wäre möglich gewesen, die Entwicklung der Atomwaffen mehrere Jahre zu postponieren. Ich glaube, daß das Resultat gewesen wäre, daß die russische Regierung die Atomwaffen sowieso hergestellt hätte. Man kann nicht durch Geheimhaltung einer Entwicklung im Wege stehen. Zwölf Leute mögen gescheiter sein als die nächsten hundertzwanzig, aber die nächsten hundertzwanzig sind immer noch gescheit genug, all das in zwei weiteren Jahren zu entdecken.

Gaus: Sie haben Ihrem Freunde Dr. Szillard 1939 geholfen, Albert Einstein zu bewegen, einen Brief an Präsident Roosevelt zu schreiben, in dem auf die Gefahr deutscher Atomwaffen hingewiesen werden sollte. Wie ist das vorgegangen? Dies ist doch ein sehr bedeutungsvoller Punkt in der Entwicklung der nuklearen Waffen?

Teller: Ja, aber ich muß sagen, daß das im wesentlichen nicht mein Vorschlag war und daß meine Beteiligung daher nicht besonders wichtig, nicht besonders bedeutend gewesen ist.

Gaus: Sie haben Einstein aber damals mit aufgesucht?

Teller: Szillard hat mit mir alle Phasen seiner Arbeit besprochen. Er war mir zu der Zeit bei weitem voraus. Er hat mir erzählt, daß er einen Brief an Roosevelt durch Einstein schicken wird. Szillard, der ein wirklich ausgezeichneter und phantasievoller Mann ist, hat seine kleinen Schwierigkeiten. Er fährt kein Auto, und Einstein verbrachte den Sommer 1939 am Ende von Long Island, etwa 70 Meilen von New York. Meine Rolle in diesem Abenteuer war, daß ich Szillards Chauffeur gewesen bin.

Gaus: Immerhin der Chauffeur in einer historischen Mission, Herr Dr. Teller.

Teller: Ja, schon. Außerdem war Einstein, der Szillard in Pantoffeln empfing, freundlich genug, nicht nur Szillard Tee anzubieten, sondern auch dem Chauffeur.

Gaus: War Ihnen die große folgenschwere Bedeutung dieses Schrittes seinerzeit schon bewußt?

Teller: Vollkommen.

Gaus: Sie wußten, dies würde der Anfang einer ganz neuartigen, sowohl kriegerischen wie auch möglicherweise friedlichen Energiegewinnung sein?

Teller: Ja, aber damals standen wir ganz kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, und die Warnungen waren überall sichtbar. Damals waren die kriegerischen Anwendungen sehr viel näher vor unseren Augen als irgend etwas anderes.

Gaus: Und dieses war Ihnen ganz bewußt?

Teller: Schon vollkommen bewußt.

Gaus: Sommer 1939?

Teller: Sommer 1939.

Gaus: Mit Beginn der 40er Jahre wurde dann in verschiedenen amerikanischen Forschungsstätten, vor allem in Los Alamos, die Arbeit an der Atombombe begonnen, und Sie hatten daran maßgeblichen Anteil. Ich würde gern wissen, Herr Dr. Teller, standen Sie und Ihre Kollegen während dieser Forschungsarbeit unter dem Eindruck der Gefahr, daß im Hitlerdeutschland eine solche Waffe vorher entwickelt werden könnte? Nach dem Kriege hat sich gezeigt, daß diese Annahme falsch war. Wenn Sie das während des Krieges gewußt hätten, glauben Sie, daß die Arbeit noch einmal eingestellt worden wäre, oder hatten die Wissenschaftler ihre Entscheidungsfreiheit darüber verloren, sobald sie sich mit den Militärs und den Regierungsstellen eingelassen hatten?

Teller: Das kann ich nicht sagen. Das weiß ich nicht. Wenn eine Entwicklung anfängt, ist es nicht ganz leicht, sie wieder zum Stillstand zu bringen. Ich kann mich sehr lebhaft daran erinnern, daß Oppenheimer, der ja die Arbeit in Los Alamos vorschlug und leitete, sagte, er hielte es für unmöglich – offenbar hat er nicht recht gehabt, aber er hielt es für unmöglich –, Europa Hitler zu entreißen, ohne so was wie eine Atomwaffe zu benutzen. Er sagte das laut und oft, und ich hörte niemals einen Widerspruch. Wir waren ja schließlich mit unserer Arbeit nicht ganz fertig, als Deutschland, als Hitler besiegt wurde. Wir hätten sogar dann aufhören können. Oppenheimer und andere haben aber Argumente vorgebracht, daß wir nicht nur die Atombombe vervollständigen sollen, sondern daß wir diese Bombe gegen Japan benutzen sollen. Damit war ich nun nicht mehr ganz einig. Mir schien es aber notwendig, unsere Arbeit zu beenden. Nicht nur das; es schien mir damals und auch später notwendig, die Arbeit an den Atomexplosionen durch Arbeit an Wasserstoffexplosionen zu erweitern, was dann in der Tat nach dem Krieg geschah. Ich fand es aber durchaus unrichtig, daß wir diese Waffen gegen Japan gebrauchten, ohne den Japanern erst klar zu sagen, was ihnen bevorsteht, ohne ihnen die Gelegenheit zu geben, unter dieser Drohung Frieden zu machen.

Gaus: Ihnen war also, als im Sommer 1945 die erste Testexplosion ausgelöst wurde, die in ihrer Wirkung größer war, als die Wissenschaftler zum Teil selbst vermutet hatten, die Schrecklichkeit, die Zerstörungskraft dieser neuen Waffe sehr wohl geläufig.

Teller: Durchaus, und ich muß sagen, daß meine eigenen Schätzungen ...

Gaus: ... über die Zerstörungskraft ...

Teller: ... über die Zerstörungskraft nicht so niedrig waren.

Gaus: Sie hatten sie in dieser Größe erwartet?

Teller: Nein, ich habe sie überschätzt.

Gaus: Sie hatten sie überschätzt. Herr Professor Teller, die führenden deutschen Atomwissenschaftler haben nach dem Kriege gesagt ...

Teller: Ich muß vielleicht sagen, ich habe das getan, weil ich einige Gründe dafür sah. Und weil mir die allgemeine Meinung etwas konservativ schien. Der Hauptpunkt, den ich dabei machen möchte ist, daß vor der Explosion keiner wußte, keiner von uns, wie groß die Explosion werden würde. Wir sahen Gründe, warum sie kleiner sein könnte und warum sie größer sein könnte, und das hebt hervor die Wichtigkeit, auch die beste Theorie durch Experimente zu prüfen.

Gaus: Ich verstehe, Herr Dr. Teller, darf ich noch einmal zurückkommen auf einen vorhin berührten Punkt: die Frage von Atomwaffenentwicklungen im nationalsozialistischen Deutschland. Die führenden deutschen Atomwissenschaftler haben nach dem 2. Weltkrieg gesagt, sie hätten aus Opposition gegen Hitler nicht zielstrebig gearbeitet. Würden Sie sagen, daß andernfalls ein anderer Kriegsausgang denkbar gewesen wäre?

Teller: Ich glaube schon. Durchaus. Ich würde auch sagen – natürlich weiß ich nicht, was die Motive von irgend jemand sind –, aber ich muß sagen, es ist sehr bemerkenswert, daß ein so hervorragender und wirklich ganz unvergleichlicher Physiker wie Heisenberg derartig einfache Ideen, die zu Atomexplosionen geführt haben, nicht gehabt hat. Und auch, daß er den Sachverhalt, nachdem die Explosion stattgefunden hatte, binnen weniger Stunden richtig erklärt hat. Ob bewußt oder unbewußt, ich glaube, es ist sehr wahrscheinlich, daß die Arbeit in Deutschland nicht zielstrebig war. Und das hat einen guten Grund – und einen Grund, der meinen Respekt vor den deutschen Wissenschaftlern in keiner Weise vermindert.

Gaus: Welches waren Ihre Gefühle, Herr Dr. Teller, als die Atomexplosion geglückt war?

Teller: Es war sehr eindrucksvoll. Aber sonst glaube ich, daß das ein Wendepunkt für mich war. Der Wendepunkt für mich kam 1940. Ich muß sagen, in den ersten Monaten – obwohl es mir ganz klar war, was aus alldem folgt – war es mir nicht klar, ob ich mich daran beteiligen sollte. Und es war eine Rede Roosevelts, die mich vollkommen überzeugt hat.

Gaus: Daß es richtig sei teilzunehmen.

Teller: Jawohl. Denn Roosevelts Punkt war, die Wissenschaftler sind für die technischen Entwicklungen oder vielmehr für die Art und Weise, wie die technischen Entwicklungen angewandt werden, in einer Demokratie nicht verantwortlich. Sie sind aber wohl verantwortlich dafür, daß diese technischen Entwicklungen stattfinden, so daß die Regierung des Volkes sich verteidigen kann.

Gaus: Sie teilen also nicht die Überzeugung vieler Ihrer Kollegen – eine Überzeugung, die vor allem um sich griff, nachdem am 7. August 1945 die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen worden war –, daß die Verantwortung des Atomwissenschaftlers nicht endet, sobald die Waffe konstruiert ist?

Teller: Ich fand dieses Gefühl der Schuld und der Verantwortung etwas merkwürdig. Gerade die Leute, die den Abwurf der Atombomben auf Japan am stärksten verteidigt hatten ...

Gaus: Oppenheimer zum Beispiel?

Teller: Alle. Auch Oppenheimer. Aber auch andere. Von einem weiß ich zum Beispiel, daß er sagte: "Wir müssen die Atombombe nicht abwerfen. Wir müssen warten, bis wir zwanzig haben, und dann müssen wir sie gleichzeitig abwerfen, und dann wird der Krieg aufhören." Dieselben Leute waren es, die es nachher mit dem Gewissen zu tun kriegten. Ich fand, daß wir einen Fehler gemacht hatten, einen Fehler, der unter Kriegsverhältnissen vielleicht verständlich ist, aber immerhin, es war ein Fehler. Aber daß man einen Fehler begangen hat, das ist nicht genügend, um mein Zutrauen in die demokratische Regierung zu erschüttern. Und ich finde noch immer, daß Roosevelts Worte gültig sind. Als Wissenschaftler haben wir die Aufgabe, die technische Entwicklung zu betreiben und dann, so würde ich noch gern hinzufügen, die Resultate in einfacher und klarer Weise zu erklären. Nachher ist es das Volk oder vielmehr die Regierung, vom Volk gewählt, die die Verantwortung hat, die Entscheidungen zu treffen.

Gaus: Sie haben mehrmals, Herr Professor Teller, in wichtigen staatlichen Beraterfunktionen gearbeitet. Glauben Sie, daß die Gefahr besteht, daß innerhalb des politischen Systems der modernen Welt eine Kräfteverschiebung zugunsten der Wissenschaftler stattfindet? Besteht die Gefahr unkontrollierbarer Einflüsse von Wissenschaftlern auf politische Entscheidungen?

Teller: Vielleicht. Ich glaube aber, diese Gefahr ist nicht groß. Ich glaube, daß die Wissenschaftler einen so unkontrollierbaren Einfluß nicht gewinnen dürfen. Natürlich habe ich selber an der Politik teilgenommen. Ich fand, daß dies in einer idealen Weise ganz streng als Ratgeber und nicht als Bestimmer sein sollte. Es waren aber viele unter den Wissenschaftlern, die ihren politischen Einfluss entwickelten und benutzten, um weitere Entwicklungen entweder zu stoppen oder wenigstens zu verzögern. Ich fand, daß dieser Einfluß so stark, fast so beherrschend geworden ist, daß gerade in einer demokratischen Gesellschaft der andere Standpunkt, von einigen Wissenschaftlern verteidigt, auch einen Platz haben muß und gehört werden muß.

Gaus: Dieser andere Standpunkt war dann Ihr Standpunkt, nämlich der, die Entwicklung an der Wasserstoffbombe, einer noch größeren Waffe, voranzutreiben und unter dem Eindruck des ...

Teller: Ich würde nicht sagen, das ist mein Standpunkt. Es gab mehrere, die diesen Standpunkt vertraten, und auch mehrere, die an der Arbeit teilnahmen. Ich hatte das gute oder üble Glück, irgendwie besonders in diesen Zusammenhängen erwähnt zu werden, aber in Wirklichkeit war das eine Gruppentätigkeit. In dieser Gruppe habe ich natürlich eine gewisse Rolle gespielt.

Gaus: Sie haben jedenfalls die Meinung vertreten, daß die Wasserstoffbombe entwickelt werden sollte. Welches waren Ihre Gründe?

Teller: Der Hauptgrund war in einer gewissen Weise einer, den ich bereits erwähnt habe: Man kann Entwicklungen nicht aufhalten, man kann sie etwas verzögern – man kann sie nicht aus der Welt schaffen. Die Entwicklungen sind da, und früher oder später werden sie zum Zuge kommen. Ich fand es praktisch sicher, daß die Sowjets diese Entwicklung aufnehmen und erfolgreich beenden würden. Ich hatte und ich habe unvergleichlich größeres Vertrauen in die richtige Anwendung dieser Werkzeuge in der Hand der demokratischen Regierungen.
Weiterhin gibt es noch einen kleinen Punkt, den ich betonen möchte. Mich interessierte an der Wasserstoffbombe, an der Wasserstoffexplosion nicht besonders die Größe der Explosion. Zufällig ist es so gekommen, daß die größten Explosionen relativ leicht und für das Militär interessant waren. Wasserstoffexplosionen haben die Eigenschaft, daß sie relativ billig sind im Roh-material, und daß man sie rein oder ziemlich rein leiten kann, so daß die unangenehmen radioaktiven Erscheinungen, die nicht besonders wichtig sind in der Welt, die aber sehr wohl wichtig sind in der Nachbarschaft der Explosion, ziemlich niedrig gehalten werden können; in der Tat sehr niedrig gehalten werden können in einer Wasserstoffexplosion. Mit anderen Worten: Man kann reine Explosivstoffe herstellen. Und das fand ich sehr interessant. Einerseits, weil man dadurch unkontrollierbare Nebeneffekte beschränken kann, und zweitens und mehr spezifisch, daß auf diese Weise die Wasserstoffbombe ein besseres Werkzeug ist – billig und rein –, das man dann auch für friedliche Zwecke anwenden kann.

Gaus: Der Ruhm, den Sie seit der ersten geglückten Explosion der Wasserstoffbombe 1954 tragen müssen, bedrückt er Sie manchmal, oder wird es leichter, weil Sie an die friedlichen Möglichkeiten dieser Energie denken?

Teller: Ich glaube nicht, daß friedliche Möglichkeiten sehr viel mit der Frage zu tun haben. Ich muß sagen, was mich sehr wohl bedrückt, ist die Meinungsverschiedenheit, die manchmal heftige Meinungsverschiedenheit, die sich in der Familie der Physiker entwickelt hat. Das finde ich nicht nur traurig, ich finde es schrecklich.

Gaus: Auch menschlich für Sie bedrückend?

Teller: Sehr stark. Schließlich habe ich meinen Wohnort gewechselt, ich habe meine Verwandten, die meisten Verwandten, in Ungarn gelassen. Mein Freundeskreis bestand fast ausschließlich aus Physikern, es war die Mehrzahl meiner Freunde, die ich durch diese Diskussion verloren habe. Dies war wirklich schwierig. Das übrige, die öffentliche Meinung und die öffentlichen Erscheinungen und was man sonst in der Presse hat, das fand ich relativ uninteressant.

Gaus: Auffallend scheint mir zu sein, daß kaum ein nennenswerter Atomforscher noch abseits von der Politik stand, nachdem die nuklearen Waffen einmal in der Welt waren …

Teller: Das ist falsch, das ist nicht so! Es ist einfach so, daß die Wissenschaftler – die ich in gewissem Sinne beneide –, die ihr Interesse weiterhin vollkommen auf die Wissenschaft konzentriert haben und von denen Sie wenig hören, in der Mehrzahl sind.

Gaus: Sie glauben, daß die Gruppe der noch immer ohne politische Nebengedanken, ganz gleich welcher Art, forschenden Wissenschaftler größer ist als die Gruppe derer, die zu Pazifisten geworden sind, oder die Gruppe, zu der Sie zu zählen sein mögen: die politisch-strategische Thesen aufstellt, um die richtige Verwendung der nun einmal in die menschliche Hand gegebenen Zerstörungskraft zu gewährleisten. Sie glauben, Sie sind immer noch die kleinere Gruppe?

Teller: Das weiß ich nicht. Es ist schwer, scharfe Unterscheidungen zu treffen. Natürlich ist die Atomphysik tief in die Politik gelangt, und natürlich hat das einen Einfluß auf alle Wissenschaftler. Aber es gibt viele, die diesen Fragen in ihrer persönlichen Arbeit kein großes Gewicht beilegen.

Gaus: Sie legen diesen Fragen in Ihrer Arbeit ein großes persönliches Gewicht bei?

Teller: Das scheint der Fall zu sein.

Gaus: Das scheint in der Tat der Fall zu sein. Ich würde gern wissen, Herr Professor Teller, ob die politische Konzeption, die Sie in verschiedener Form an die Öffentlichkeit gebracht haben, Ausfluß Ihrer Gewissensnot ist? Beschäftigen Sie sich mit diesen Fragen, weil es doch nicht mehr so ist, daß man eine Bombe konstruiert und sich dann dem nächsten wissenschaftlichen Problem zuwendet?

Teller: In dieser Hinsicht leide ich keine Gewissensnot. Ich bin mir durchaus bewußt, daß ich in den mehr als fünfzig Jahren meines Lebens viele Dinge falsch gemacht habe, aber in diesen politischen Hinsichten habe ich zu jeder Zeit getan, was mir richtig schien, was mir fast absolut notwendig schien. Ich muß sagen, wenn ich in jeder Hinsicht so ruhig meine Vergangenheit ansehen könnte wie in dieser Hinsicht, wäre ich in der Tat glücklich.

Gaus: Sie haben mehrfach, Herr Professor Teller, öffentlich die Weiterentwicklung der nuklearen Waffen gefordert, weil Sie sagen, daß nur auf diese Weise ein atomarer Weltkrieg vermieden werden könnte. Würden Sie so freundlich sein und mir das politische Konzept, das Sie darüber entwickelt haben, ausbreiten?

Teller: Das ist eine lange Geschichte und eine sehr wichtige. Ich glaube, die wesentlichen Teile sind dabei ganz einfach und ganz klar. Es kann kein Zweifel sein, daß die Macht des Menschen über die Materie, über die Natur, nicht nur zunimmt, sondern beschleunigt zunimmt. Es ist ganz klar, daß es eine wirklich große Gefahr eines Atomkrieges gibt. Diese Gefahr ist übertrieben. So ein Krieg wäre nicht das Ende der Menschheit, aber so ein Krieg wäre in aller Wahrscheinlichkeit noch viel fürchterlicher, als der Zweite Weltkrieg gewesen ist. Das ist eine Konsequenz unserer größeren Macht, es gibt auch gute Konsequenzen. Man kann die Wasserstoffexplosionen zu friedlichen Zwecken gebrauchen, man kann Häfen bauen, Kanäle bauen, man kann Erze, die tausend Fuß unter der Oberfläche sind, viel besser ausbeuten, als das je zuvor der Fall war. Einfach, weil wir in dieser konzentrierten Form der Energie die Möglichkeit haben, große Erdmassen billig zu bewegen. Es gibt viele andere Anwendungen, aber es ist ganz klar, daß diese Anwendungen nur mit der politischen Zustimmung von den verschiedenen Nationen zustande kommen.

Gaus: Sie glauben nicht, daß dieses die Aufgabe einer Nation, eines Volkes allein sein kann?

Teller: Ich möchte in meiner Ansicht gern noch fortfahren. Ich sehe Entwicklungen zum Beispiel in der Wetterkunde. Ich glaube, daß binnen weniger Jahre der Wetterprophet noch ein ehrlicher Mann werden wird. Ich glaube, daß, wenn wir in gewissen Grenzen das Wetter voraussagen können, es dann möglich werden wird, Methoden zu finden, das Wetter, das Klima zu beeinflussen. Das ist wiederum etwas, das nicht eine einzelne Nation unternehmen kann, denn die Luft ist ein Gemeineigentum, sie kennt keine nationalen Grenzen.
Wir sprechen von der Explosion der Bevölkerung. Ich glaube, daß man den Reichtum der Meere, den ungeheuren biologischen Reichtum, der sich in den Weltmeeren befindet, ausnutzen kann und ausnutzen wird in einer Weise, die heute phantastisch klingt. Ich meine nicht nur, daß man die Fische fängt. Ich meine, daß man die Fische züchtet.
Wenn man auf diese Weise die ganze Fauna eines Weltmeeres ändern wird, so kann das wieder nicht die Aufgabe einer Nation sein, es sei denn, daß diese Nation Rußland ist oder eine andere Nation, die die Änderungen in der Welt durch Gewalt und ohne Zustimmung der anderen Nationen durchführen wird. Ich glaube, daß es absolut notwendig geworden ist, eine Weltordnung zu schaffen. Nun, so eine Weltordnung könnte sich in hundert oder zweihundert Jahren entwickeln.
Leider ist Rußland da, und leider werden die russischen Kommunisten nicht hundert oder zweihundert Jahre warten. Ich glaube, daß vor dem Ende dieses Jahrhunderts es eine Weltordnung geben wird, und da der russische Kommunismus eine Tatsache ist, ebenso wie Hitler damals eine Tatsache war, eine Tatsache vielmehr von derselben Art, deshalb brauchen wir den Schutz der Waffen, wenn die freiwillige demokratische Kooperation der Nationen eine Chance haben soll.

Gaus: Sie glauben, daß dieser Traum einer geordneten Welt, möglicherweise sogar unter einer Weltregierung – ein Ausdruck, den Sie verwendet haben in einem Buch darüber –, daß diese Vorstellung sich zwangsläufig ergibt nur aus der Entwicklung der nuklearen Energiegewinnung?

Teller: Nein, das ergibt sich nicht aus der nuklearen Energiegewinnung. Es ergibt sich aus der größeren Macht des Menschen, die stammt von der wissenschaftlichen Revolution. Diese Revolution ist alt, diese Revolution ist mehr als zweihundert Jahre alt, aber sie ist beschleunigt, und ihre Konsequenzen werden immer mehr sichtbar und unausweichlich. Die nuklearen Energiequellen und die nuklearen Explosionen, Kernexplosionen, sind nicht der Grund, sie sind ein Beispiel, sie mögen ein Symbol sein, aber der Grund liegt tiefer.

Gaus: Sie sprechen von der größeren Macht, die in die Hand der Menschen gelegt ist. Woraus resultiert Ihre Hoffnung, daß diese Macht zur Verwirklichung des friedlichen Bildes, das Sie eben entworfen haben, verwendet wird, und nicht zu einem Krieg? Worauf gründet sich dieses Vertrauen?

Teller: Sehen Sie, ich habe eine Definition eines Optimisten und eines Pessimisten. Ein Pessimist ist ein Mensch, der immer recht hat, aber er hat nicht seine Freude daran. Ein Optimist ist ein Mann, der den Glauben besitzt, daß die Zukunft unbestimmt ist. Und dieser Glaube hat auch eine Verantwortung zur Folge. Wir müssen annehmen, daß es einen friedlichen Weg gibt, denn nur, wenn wir das annehmen, können wir für diesen Frieden arbeiten. Ich werde das annehmen, obwohl ich nicht so weit gehen kann zu sagen: "Wir legen unsere Waffen zur Seite, und dann ist der Frieden da." So einfach ist die Welt nicht.

Gaus: Wenn Sie aber diesen Glauben an die friedliche Möglichkeit, die neben der kriegerischen gegeben ist, wenn Sie diesen Glauben nicht hätten, könnten Sie dann Ihre Arbeit weitermachen?

Teller: Das kann ich nicht sagen. Ich habe diesen Glauben.

Gaus: Sie verfolgen Ihre politischen Thesen mit tiefem Ingrimm, mit Verbissenheit. Manche Gegner sagen sogar, mit Fanatismus. Woran liegt das? Sind Sie Ihrer selbst so sicher oder manchmal so unsicher?

Teller: Sehen Sie, wenn ich es an einem anderen Menschen sehe, dann nenne ich es Ingrimm, wenn ich es an mir selber sehe, dann nenne ich es Überzeugung. Vielleicht werden Sie mich entschuldigen, wenn ich dieses sage. Die einfache Lösung ist: Wir vernichten die Waffen, dann ist der Friede da. Es gibt wenige Leute, die diesen Standpunkt konsequent vertreten. Aber es gibt sehr viele Leute, die sich von unkonsequenten Anwendungen dieses Standpunktes verleiten lassen, und dadurch, wie es mir scheint, dadurch werden sie dann zu falschen, traumhaften Lösungen geleitet. Diese Vertreter, sehr viele unter ihnen, scheinen mir ihren Standpunkt mit großem Ingrimm zu verfolgen. Ich muß sagen, daß ich in dieser Beziehung getan habe, was mir als notwendig erschienen ist. Es gibt meiner Meinung nach eine Notwendigkeit, aber nicht mehr.

Gaus: Eine Notwendigkeit, diesen Standpunkt, Ihren Standpunkt, einzunehmen und zu vertreten?

Teller: Ja.

Gaus: Erlauben Sie mir ...

Teller: Ich möchte gern dabei noch sagen, ich möchte sehr gern sagen, daß mir nicht daran liegt, daß ich diesen Standpunkt einnehme. Aber durch Umstände bin ich in eine Lage geraten, wo es natürlich erscheint, daß ich diesen Standpunkt weiter einnehmen soll. Ich habe versucht – nicht immer ohne Erfolg –, andere Leute diesen Standpunkt übernehmen zu lassen. Mir persönlich wäre nichts lieber, als zur reinen Physik zurückzukehren.

Gaus: Sie beklagen die Notwendigkeiten und die Umstände, die Sie in diese umstrittene Position gebracht haben?

Teller: Ich bin nicht in einem Zustand, der für mich beklagenswert erscheint. Ich tue, was ich tue.

Gaus: Erlauben Sie mir eine letzte Frage, Herr Professor Teller. Glauben Sie, daß Sie in der Öffentlichkeit in Ihren Zielen und Absichten verkannt werden und nicht das Gehör finden, das Ihnen die Öffentlichkeit eigentlich schuldet?

Teller: Die Öffentlichkeit schuldet nichts. Die Öffentlichkeit schuldet sich selber gewisse Dinge. Und ich schulde der Öffentlichkeit und unserer Gemeinschaft, daß ich, wenn mir die Gelegenheit gegeben ist, klar und einfach sage, was ich denke. Ich möchte gern eine Frage beantworten, die Sie nicht gestellt haben, denn sie ist wichtig. Wir haben über eine Weltregierung geredet. Das Wort liebe ich nicht, den Begriff schon. Das ist etwas, das konkret, reell und wichtig ist, und es ist nicht ein Traum. Die Wirtschaftsgemeinschaft in Europa, die großartige Versöhnung von Deutschland und Frankreich scheinen mir Zeichen zu sein, daß eine friedliche Kooperation zwischen demokratischen Regierungen möglich ist, daß wir größere Einheiten schaffen können und daß wir irgendwie durch Fortschritt, durch Zusammenarbeit zwischen den freien Demokratien die Kraft, die Überzeugung und das moralische Niveau erreichen, mit deren Hilfe wir vielleicht in zwanzig Jahren selbst die totalitären Regierungen überreden können, mit uns aufrichtig zusammenzuarbeiten. Aber ohne Kraft wird das nicht gehen. Wir müssen die Kraft nicht anwenden. Sie muß da sein, und sie muß angewendet werden nur zur Verteidigung und zum Ausbau der positiven Möglichkeiten.