Screenshot von "DIE IMPROVISIONÄRE SPIELEN WELTREISE" (Quelle: Facebook/DIE IMPROVISIONÄRE)
Audio: Inforadio | 24.05.2020 | Magdalena Bienert | Bild: Facebook/DIE IMPROVISIONÄRE

Streamkritik | Improvisionäre - Improtheater goes Home Office

Streamen hat dank Corona immer noch Hochkunjunktur in der Kulturszene, die Zuschauer haben da eher eine passive Rolle. Das geht bei den "Improvisionären" gar nicht - hier ist Interaktion gefragt, denn die Zuschauer machen das Stück. Von Magdalena Bienert

Via Splitscreen sind die vier "Improvisionäre" Jacob Methner, Vera Schmidt, Doreen Wermelskirchen und Marc C. Behrens gleichzeitig zu sehen. Special Guest und für die musikalische Unterhaltung zuständig ist an diesem Abend Musiker Kai Dewitzka.
 
"Toll, dass Ihr wieder dabei seid, wir improvisieren uns völlig kontaktlos durch den Stream aus unseren Wohnzimmern! Und wir werden heute mit euch gemeinsam eine Weltreise begehen", begrüßt Marc C. Behrens die 17 Zuschauer im Facebook-Livestream.

Veganes Hot-Dog-Fahrrad-Business in Moskau

An diesem Samstag ist das Thema also "Weltreise", schließlich ist unser aller Urlaub schon viel zu lange her und die Aussichten auf selbigen sind auch eher mau. Das Prinzip Improtheater ins Netz zu verlegen ist schnell erklärt: In den Kommentarfeldern neben dem Live-Video sollen die Zuschauer und Zuschauerinnen Vorschläge schreiben, in welche Charaktere das Ensemble schlüpfen soll. Namen, Dialekte, Eigenarten inklusive. Und weil jede Figur an diesem Abend in einem anderen Land agieren soll, dürfen auch die Beweggründe der Reise abgegeben werden.
 
Nach einer knappen halben Stunde stehen sie fest: Ina Sternenreiter (improvisiert von Doreen Wermelskirchen) beispielsweise soll in Moskau ein veganes Hot-Dog-Fahrrad-Business leiten. Nils Sonnenschein, nicht weniger durchgeknallt verkörpert von Marc C. Behrens, muss lispelnd im Süden Tadschikistans eine Demokratie aufbauen und zugleich den Unterhalt für seine sechs Kinder aufbringen - alles Ideen der streamenden Fans.

Anonym geht es nicht beim Improstream

Viel Zeit, um in eine Rolle zu schlüpfen, haben die Schauspieler und Schauspielerinnen kaum - wie im Theater auch. Eine Stimme aus dem Off (Ole) sortiert die Kommentare, die neben dem Video beständig reinkommen und moderiert das Ganze.

Immer wieder werden die Zuschauer aufgefordert, Entscheidungen abzugeben, was im Gegensatz zu jedem anderen Stream sehr lebendig ist und den Stream als Live-Event seiner wahren Bestimmung zuführt. Es ist aber – natürlich - kein Vergleich zu einer dynamischen Live-Impro-Show, in der man vor allem total anonym absurdeste Vorschläge in den Theaterraum rufen kann. Hier bei Facebook erscheint der komplette Name, er wird sogar mal groß eingeblendet, wenn der Vorschlag von Ole laut aufgenommen wird.

Pups-Witze kommen trotzdem vor: Jemand schreibt, dass Chili con Carne der Figur von Jacob Menthel zu schaffen machen soll. Der ist als Martin von Matterhorn nach Island ausgewandert, um Papageitaucher zu beobachten.
 
In kurzen Vorstellungsrunden fühlen sich alle in ihre Rollen ein und treffen am Ende auf Nils Sonnenschein, der seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen in ihren jeweiligen Ländern besucht, was dank Marc C. Behrens ziemlich komisch ist. Ein wirklich tragender Plot ist das nicht, aber für die gute Stunde, die die Show dauert, ist es ausreichend.

Tonprobleme und verspätete Lacher - geschenkt

Mehr als einmal vergessen die Darsteller und Darstellerinnen, ihren Ton einzuschalten, wenn sie wieder an der Reihe sind, oder die eingespielten Lacher setzen erst kurz nach der Pointe ein. Egal. Alle Fünf machen das sehr charmant und mitunter auch witzig.  

"Die Improvisionäre spielen Home Office", heißt es auf der Seite des Ensembles, das seit acht Jahren zusammen unterwegs ist, meistens in der Brotfabrik in Berlin-Weissensee. Diese Idee, ihr Home Office öffentlich zu machen, ist naheliegend in diesen Zeiten, und immer wieder wird auf die Spendenmöglichkeit hingewiesen. Großes Theater oder ein Riesenvergnügen ist das zwar nicht, aber kurzweilig allemal. Die 80 Minuten stechen außerdem angenehm aus dem musikalischen Überangebot des Samstagabends hervor. Es gibt sogar eine beeindruckende Bildregie, die kunstvoll zwischen allen hin- und herschaltet.
 
Wer sich also online nicht einfach nur berieseln lassen will, ist bei den Improvisionären genau richtig. Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht, ja muss sogar sein, und das Thema für kommenden Samstag darf auch noch in den Ideenpool, beziehungsweise die Kommentarspalte geworfen werden. Also, auf die Plätze, Impro los!

Sendung: Inforadio, 24.05.2020, 06:55 Uhr

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