Nikolaus Riehl (um 1900), Quelle: Max-Planck-Gesellschaft
Dr. Nikolaus Riehl (um 1950)

- Biografische Angaben zu Nikolaus Riehl

Physiker, * 24.5.1900 Sankt Petersburg, † 2.8.1990 München

Forschungsschwerpunkte: Physik der Lumineszenz und angewandte Kernphysik. Als einer der ersten Festkörperphysiker in Deutschland erwarb sich Riehl einen internationalen Ruf auf dem Gebiet der Lumineszenz. Riehl gilt als "Vater der Leuchtstofflampe", die 1935 von Auer auf den Markt gebracht wurde. Zu den herausragenden wissenschaftliche Leistungen zählen die Entwicklung eines großtechnischen Verfahrens zur Herstellung eines "graphitfreien pulverförmigen Urankarbids mit einem Kohlenstoffanteil von über 3 %". Im Gegensatz zu anderen Verfahren arbeitete es fast verlustfrei während die anderen Erzeugerverfahren etwa 30% Metallverlust aufwiesen.

Biografie

Familie
 
Vater Wilhelm Riehl (1867–1933, ev.), aus St. Petersburg, 1884-1917 zuletzt Chefingenieur der Russischen Elektrotechnischen Werke Siemens & Halske in St. Petersburg, 1921-31 b. Siemens & Halske, Berlin; Mutter Helene Kagan (1872–1927), aus russ. Ärztefam.; 1933 Heirat mit Ilse Przybyla (* 1914), aus Berlin, Chemotechnikerin am KWI f. Chemie in Berlin, 3 Kinder
 
Leben
 
Nikolaus Riehl wurde 1900 in St. Petersburg geboren, wuchs zweisprachig auf und beendete die Schule als die Oktoberrevolution ausbrach.
 
Nach Abschluss des Friedensvertrages von Brest-Litowsk im Februar 1918 übersiedelte die Familie nach Berlin.
 
Von 1920 bis 1927 studierte Riehl im Rahmen der deutsch-sowjetischen Militärkooperation an der Staatlichen Polytechnischen Universität Sankt Petersburg und der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin Nuklearchemie.
 
1927 Promotion über einen Geigerzähler für Beta-Strahlen-Spektroskopie in der Abteilung für Radioaktivität des KWI für Chemie bei Lise Meitner (1878-1968).
 
Anschließend in der radiologischen Abteilung der „Auer-Gesellschaft“ in Berlin tätig,
 
Seit 1937 Leiter der lichttechnischen Abteilung, 1939-45 Direktor der neugegründeten wissenschaftlichen Hauptstelle der Auer-Gesellschaft.
 
1938 erfolgte die Habilitation an der Technischen Hochschule Berlin.
 
Im Rahmen des Deutschen Atomprogramms seit September 1939 als Verantwortlicher für Arbeiten zur Reindarstellung des Urans betraut.
 
1945-55 arbeitete Riehl zwangsverpflichtet in der Sowjetunion, wo er eine Arbeitsgruppe deutscher Wissenschaftler im Sowjetischen Atombombenprogramm leitete (in Elektrostal bei Moskau, später in Sungul im Ural, dann in Agudseri).
 
Nach dreijähriger "Quarantänezeit" aus der Sowjetunion in die DDR entlassen, ging Riehl wenige Wochen später in die Bundesrepublik.
 
1955-57 betreute er zusammen mit Heinz Maier-Leibnitz (1911–2000) den Aufbau des Forschungsreaktors der TH München in Garching bei München und wirkte 1957-69 als ordentlicher Professor und Leiter des Instituts für Technische Physik an der TH München.
 
Riehls Hauptarbeitsgebiete waren angewandte Kernphysik und Lumineszenz; besonders hervorzuheben sind Arbeiten zur Entwicklung der Leuchtstofflampen sowie zur Reindarstellung des Urans, wichtig auch Forschungen zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung mittels radioaktiver Materialien.
 
Seine Bemühungen um die Reindarstellung von Uran für den Einsatz im Reaktor führten Anfang der 1940er Jahre zu einer entsprechenden Produktion im Oranienburger Werk der Auer-Gesellschaft und wurden von ihm in Elektrostal im Rahmen des sowjet. Atombombenprogramms großtechnisch umgesetzt.
 
In Sungul standen strahlenbiologische, dosimetrische und radiochemische Forschungen im Vordergrund, die ebenfalls an frühere Arbeiten anknüpften und an denen u. a. seine früheren Mitarbeiter Hans-Joachim Born (1909–87), Karl Günther Zimmer (1911-88) und Nikolai W. Timoféeff-Ressovsky (1900–81) beteiligt waren. Arbeitsgebiete der letzten Jahre waren v. a. die Lumineszenz anorganischer Festkörper bei tiefen Temperaturen, protonische Halbleiter, die physikalischen Eigenschaften organischer Molekülkristalle sowie Struktur- und Funktionseigenschaften des Hämoglobins.|

Auszeichnungen 
 
Stalinorden I. Kl. (1949); Leninorden (1949); Held d. Sozialist. Arbeit (1949); bayer. Verdienstorden (1973).

Werke  
 
u. a. ein neues, sehr einfaches Verfahren zur Herstellung von konzentrierten Radium-Emanations-Präparaten, in: Die Naturwiss. 17, 1929, S. 566 f. (mit P. M. Wolf); Grundlagen d. Werkstoffprüfung mit Gammastrahlen, in: Zs. d. VDI 76, 1932, S. 401-06 (mit R. Berthold); Physik u. techn. Anwendungen d. Lumineszenz, 1941 (russ. 1946, Japan.); Über Energiewanderungsvorgänge u. ihre Bedeutung f. einige biolog. Prozesse, in: Protoplasma 38, 1943, S. 105-26 (mit R. Rompe, N. W. Timofeeff-Ressovsky u. K. G. Zimmer); Einf. in d. Lumineszenz, 1971; Zehn J. im goldenen Käfig, Erlebnisse b. Aufbau d. Sowjet. Uran-Ind., 1988 (engl. 1996); |

Literatur  
 
L. Becker u. L. Mader, in: Physikal. Bll. 46, 1990, S. 450 (P); F. Seitz, Biogr. Einl., in: ders. (Hg.), Stalin's Captive, N. R. and the Soviet Race for the Bomb, 1996, S. 1-63 (Übers. v. „Zehn J. im goldenen Käfig“) (P); Geheimdokumente z. dt. Atomprogramm 1938-1945, Ausst.kat. d. Dt. Mus., München 2001; Pogg. VII a.

 
(Quelle: DNB / Horst Kant; Thomas Claus)