Jens Eitmann, Psychologe am Deutschen Institut für Entspannungstechniken und Kommunikation (Foto: Jens Eitmann)
Bild: Jens Eitmann

Tipps vom Psychologen Jens Eitmann - Was tun gegen Nervereien

Komplizierte Webseiten, unverständliche Bahnautomaten und unzuverlässige Serviceleistungen im öffentlichen Dienst sind nur wenige der kleinen Nervereien mit denen wir uns zwangsläufig arrangieren müssen. „Es kommt auf einen selbst an, ob man sich davon nerven lässt“, betont Psychologe Dr. Jens Eitmann vom Deutschen Institut für Entspannungstechniken in Berlin.Von Vanessa Reske

„Stress gibt es so eigentlich gar nicht. Es ist ein Resultat aus Selbstwahrnehmung, wenn man sich überfordert oder nicht wahrgenommen fühlt“, sagt Eitmann. Zum Beispiel sei Stau nicht das Problem, sondern wir machen es stressig, weil wir denken zu spät zu kommen oder Zeit zu verlieren.

Sein breites Wissen über das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Gefühl in nervigen Situationen gibt der Psychologe an angehende Therapeuten weiter. Ob Musik-, Kunst- oder Sporttherapie, Entspannungsübungen, Autogenes Training oder Erlebnispädagogik, all diese Techniken verfolgen das gleiche Ziel: eine Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wer das kann, senkt seine Reizbarkeit gewaltig.  

Was eigentlich nichts bringt

  • Zwischenruf (Bild: imago/Westend61)
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    Mancher spricht vom „Reinigenden Gewitter“, andere sagen „Alles rauslassen, was keine Miete bezahlt“. Wer seine Wut immer sofort rauslässt, anderen seine Meinung sagt und Ärger niemals runterschluckt, soll ich nach diesen Weisheiten besser fühlen. Das ist Quatsch, findet Eitmann. „Wer unüberlegt schimpft und Vorwürfe macht, verschlimmert den Konflikt.“ Denn oft sind diese Ausbrüche unberechtigt und man verletzt sein Gegenüber.

  • Dass Antidepressiva den Stresspegel senken, ist wissenschaftlich belegt. Mithilfe von Maschinen können das Ärzte an den Gehirnwellen messen. Sie sehen, welche Botenstoffe das Gehirn ausschüttet und können daran ein Stresslevel bestimmen. „Wer gestresst ist, schüttet Adrenalin aus. Wenn uns etwas überraschend angenehmes passiert, konzentrieren sich Opiate im Gehirn - die gleichen Stoffe, die auch bei Drogen freigesetzt werden.“, erklärt Heitmann. Allerdings sind Medikamente - wie Drogen auch – nur Scheinbefriedigungen. Ihre Wirkung lässt schnell nach. „Antidepressiva sollen lediglich bei der Problemlösung beistehen. Das eigentliche Problem können sie nicht lösen.“ Langfristige Einnahme hat andere Folgen: man wird dick und entwickelt ein Abhängigkeitsgefühl.   

  • Eine zur Faust geballte Hand. (Bild: Colourbox)
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    Besonders erfolglos ist auch zu hohe Toleranz. „Wenn man sich nicht verstanden fühlt, entsteht unnötiger Stress“, sagt Eitmann. Deshalb muss man unbedingt Probleme ansprechen und darf sich nicht zu viel gefallen lassen. Zwar sollte man sich die Wortwahl vorher überlegen, aber reden hilft. „Man kann nicht erwarten, dass der andere seine Gedanken liest.“

  • Twitter-Logo

    „Aus Wut zu twittern finde ich tendenziell sinnlos. Wer seinen Ärger in die Öffentlichkeit posaunt, vergiftet damit nur die Atmosphäre. Es macht nichts besser und löst bei anderen schlechte Laune aus“, meint Psychologe Jens Eitmann. Er kann verstehen, dass man seinem Ärger Luft machen möchte und sich vielleicht durch einen Tweet subjektiv besser fühlt, aber rät dazu sich still aufzuregen.   

So wird man gelassener

  • 1. Zeit als Geschenk sehen

  • 2. Die Wut zulassen

  • 3. Mund auf!

  • 4. Blick auf sich selbst

  • 5. Gegen Dauerstress

  • 6. Geheimtipp - Vom Tod rückwärts denken

ABER: Therapien können auch nicht zaubern..

„Natürlich kann man nicht jede Nerverei mit einem anderen Blickwinkel aus der Welt schaffen“, gibt Eitmann zu. Wer zum Beispiel juristische Kriege führt, unter politischen Entscheidungen oder Mobbing leidet, kann sich die Welt nicht so leicht schön reden. Ist man jedoch grundsätzlich ein unsicherer, angespannter Mensch, regt sich häufig auf oder explodiert bei Kleinigkeiten, kann man das mit Therapien ändern.

Dabei sind der Leidensdruck und der Wille etwas zu verändern gute Indikatoren, um die Notwendigkeit dafür zu prüfen. „Für den einen ist es Musik, der andere malt lieber, macht Sport oder braucht Erlebnisse mit Delfinen“, sagt Eitmann. Ziel all dieser Therapie ist nicht, ein Problem aus der Welt zu schaffen, sondern sich selbst zu entwickeln und Perspektivenwechsel zu lernen.

Beitrag von Vanessa Reske

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Illustration of a nerve cell (Quelle: colourbox)

Nerven und Nerven lassen

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