Julia Jentsch als Effi Briest (Mitte) - in der Verfilmung EFFI von 2008
picture alliance/Everett Collection
Julia Jentsch als Effi Briest (Mitte) - in der Verfilmung EFFI von 2008 | Bild: picture alliance/Everett Collection

- Berlin - Keithstraße

Keithstraße 1c, in dieser Adresse bündeln sich Effi Briests' Hoffnungen auf ein neues Leben: Eine Wohnung im Grünen. Man kann "den Finkenschlag aus dem Tiergarten hören und die Papageien aus dem Zoologischen."

Theodor Fontane "Effi Briest":

Alles war am Bahnhof: Effi, die Mama, der Vetter; der Empfang war herzlich, am herzlichsten von seiten Effis, und man hatte bereits eine Welt von Dingen durchgesprochen, als der Wagen, den man genommen, vor der neuen Wohnung in der Keithstraße hielt. »Ach, da hast du gut gewählt, Effi«, sagte Innstetten, als er in das Vestibül eintrat, »kein Haifisch, kein Krokodil und hoffentlich auch kein Spuk.«

»Nein, Geert, damit ist es nun vorbei. Nun bricht eine andere Zeit an, und ich fürchte mich nicht mehr und will auch besser sein als früher und dir mehr zu Willen leben.« Alles das flüsterte sie ihm zu, während sie die teppichbedeckte Treppe bis in den zweiten Stock hinanstiegen. Der Vetter führte die Mama.

Oben fehlte noch manches, aber für einen wohnlichen Eindruck war doch gesorgt, und Innstetten sprach seine Freude darüber aus. »Effi, du bist doch ein kleines Genie«; aber diese lehnte das Lob ab und zeigte auf die Mama, die habe das eigentliche Verdienst. »Hier muß es stehen«, so habe es unerbittlich geheißen, und immer habe sie's getroffen, wodurch natürlich viel Zeit gespart und die gute Laune nie gestört worden sei. Zuletzt kam auch Roswitha, um den Herrn zu begrüßen, bei welcher Gelegenheit sie sagte, Fräulein Annie ließe sich für heute entschuldigen – ein kleiner Witz, auf den sie stolz war und mit dem sie auch ihren Zweck vollkommen erreichte.

Und nun nahmen sie Platz um den schon gedeckten Tisch, und als Innstetten sich ein Glas Wein eingeschenkt und »auf glückliche Tage« mit allen angestoßen hatte, nahm er Effis Hand und sagte: »Aber Effi, nun erzähle mir, was war das mit deiner Krankheit?«

»Ach, lassen wir doch das, nicht der Rede wert; ein bißchen schmerzhaft und eine rechte Störung, weil es einen Strich durch unsere Pläne machte. Aber mehr war es nicht, und nun ist es vorbei. Rummschüttel hat sich bewährt, ein feiner, liebenswürdiger alter Herr, wie ich dir, glaub ich, schon schrieb. In seiner Wissenschaft soll er nicht gerade glänzen, aber Mama sagt, das sei ein Vorzug. Und sie wird wohl recht haben, wie in allen Stücken. Unser guter Doktor Hannemann war auch kein Licht und traf es doch immer. Und nun sag, was macht Gieshübler und die anderen alle?«

»Ja, wer sind die anderen alle? Crampas läßt sich der gnäd'gen Frau empfehlen ...«

»Ah, sehr artig.«

 

Audio: Ausschnitt aus "“Effi Briest“  gelesen von Gert Westphal (Produktion des SWR 1972)

Nun, mit Gott, ein neues Leben! Es soll anders werden.

Theodor Fontane