Ulrike Poppe (Quelle: rbb)
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- Ulrike Poppe – Brandenburgs erste Stasibeauftragte. Ein Portrait

20 Jahre lang wurde politische Aufarbeitung in Brandenburg vernachlässigt. Heute hat das Konsequenzen: Seit Ende vergangenen Jahres vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Enthüllungen an die Stasi-Vergangenheit einiger Brandenburger Politiker erinnern - zum Leidwesen der neuen rot-roten Regierung. Jetzt erst handelt Brandenburg: Mit der Einsetzung einer Stasi-Beauftragten, Ulrike Poppe.

Die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit ist in den vergangenen Jahren im Land Brandenburg sträflich vernachlässigt worden. Immer wieder haben wir in unseren Berichten darauf hingewiesen. Nun, endlich, 20 Jahre nach dem Mauerfall bekommt Brandenburg als letztes ostdeutsches Bundesland eine Stasi-Beauftragte. Ulrike Poppe. Sie war zu DDR-Zeiten eine der profiliertesten Bürgerrechtlerinnen. Von ihr wird vieles abhängen, denn über den richtigen Umgang mit ehemaligen Stasi-Spitzeln wird äußerst kontrovers diskutiert. Ute Barthel und Iris Marx haben die neue Stasi-Beauftragte vorab getroffen und nach ihrer Haltung gefragt.

Voller Elan geht Ulrike Poppe ihre neue Aufgabe als Stasi-Beauftragte an, trotz verletztem Fuß.

Die Erwartungen sind groß. Sie soll endlich aufräumen in Brandenburg, wo das Thema Stasi lange unter den Teppich gekehrt wurde. Demnächst wird sie in diesen Büros am Stadtrand von Potsdam ihre Arbeit beginnen. Wer aber erwartet , dass sie allein die Versäumnisse der letzten 20 Jahre aufholen kann, der irrt.

Ulrike Poppe, Stasi-Beauftragte Brandenburg
„Dass manche denken, ich kann das Land von ehemaligen Stasi-Leuten befreien, die noch in Funktionen sitzen, ist auch eines der Missverständnisse. Das kann ich nicht. Mein Part besteht nur darin, zu beraten, behilflich zu sein in der Beurteilung vielleicht. Aber ich werde nicht den Daumen rauf oder runter halten, sondern das entscheiden andere.“

Vor wenigen Wochen wurde der Brandenburger Landtag von seiner Vergangenheit eingeholt. Im Dezember erschütterten immer neue Stasifälle die rot-rote Landesregierung.

Ulrike Poppe erschien dann vielen wie eine Erlöserin. Einstimmig wurde sie ins Amt gewählt.

Bei ihr dreht es sich weniger um die Täter, sondern mehr um die Opfer.

Ulrike Poppe, Stasi-Beauftragte Brandenburg
„Da gibt es noch viel, was zu tun ist, damit die wenigstens ansatzweise spüren, dass die langen Haftzeiten, die sie durchlebt und all das, was an Folgeerscheinungen ihr Leben geprägt hat, dass diese heutige Gesellschaft das akzeptiert und auch ihnen mit entsprechenden Hilfen entgegenzukommen bereit ist.“

Ulrike Poppe gibt ihre Arbeit als Studienleiterin in der Evangelischen Akademie in Berlin für den neuen Posten auf. Sie gilt als integer. Und als Mitglied der DDR-Bürgerbewegung fern von jedem Verdacht, die DDR-Diktatur zu verharmlosen.

Bereits als 20-Jährige lehnte sie sich gegen das Regime auf. Und fand den Weg in die Opposition. Wegen dieser Aktivitäten kann sie in der DDR nie eine Ausbildung abschließen.

Trotz der Repressalien war sie in den 80er Jahren Mitbegründerin von Bürgerrechtsgruppen. Sechs Wochen saß sie im Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen.

In ihrer Wohnung im Hinterhof im Prenzlauer Berg wurden sie und ihr Mann, der Bürgerrechtler Gerd Poppe, überwacht und abgehört. In den Wendejahren 1989/90 saßen beide als Vertreter der Oppositionsbewegung mit am zentralen Runden Tisch und stellten dort Forderungen für die demokratische Umgestaltung der DDR.

1992 wurden die Archive der Staatssicherheit geöffnet. Die Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung waren die ersten, die ihre Stasiakten lesen durften. Für Ulrike Poppe war das schmerzlich, weil sie so erfuhr, dass sie auch von früheren Weggefährten bespitzelt wurde.

Mit Ibrahim Böhme, dem ersten Vorsitzenden der Ost-SPD war sie befreundet. Er wurde nach der Volkskammerwahl als IM enttarnt Doch seine Mitarbeit für die Staatssicherheit hat er bis zuletzt geleugnet. Kurz vor seinem Tod hat er Ulrike Poppe um ein Gespräch gebeten.

Ulrike Poppe, Stasi-Beauftragte Brandenburg
„So schwerkrank, wie er da hilflos im Bett lag und angesichts des doch zu ahnenden baldigen Todes hätte ich eigentlich gerne ihn in den Arm genommen und mich mit ihm versöhnt, aber ich konnte es nicht, weil er gesagt hat, das ist alles eine Intrige.“

So wie Böhme haben viele die eigene Schuld verdrängt und haben gehofft, auch nach der Wiedervereinigung politisch Karriere zu machen. Der Brandenburger Landtag hat es vielen ehemaligen IM's einfach gemacht, denn In der Regierungszeit von Manfred Stolpe wurde die Stasi-Überprüfung ganz abgeschafft. Ein Fehler meint Ulrike Poppe.

Ulrike Poppe, Stasi-Beauftragte Brandenburg
„Der Ministerpräsident war ja der Meinung, also wir blicken jetzt nach vorne und die Vergangenheit ist nicht mehr so wichtig. Das haben wir jetzt sozusagen abgelegt. Und das fand natürlich auch Widerhall in Teilen der Brandenburger Bevölkerung, in anderen Teilen nicht. Manche waren empört und wollten es immer anders haben und haben jetzt die große Hoffnung, dass einiges nachgeholt wird in der Aufarbeitung der Auseinandersetzung mit der Diktatur.“

Die 56jährige ist für einen differenzierten Umgang mit der Vergangenheit. Doch nur wer ehrlich zu seiner Biografie steht, hat ihrer Meinung nach eine zweite Chance verdient.

Ulrike Poppe, Stasi-Beauftragte Brandenburg
„Ich meine, dass jeder ein Recht hat auf Irrtum und jeder hat ein Recht, irgendwann zu sagen: „Ich habe einen schweren Fehler gemacht und möchte jetzt umkehren und noch einmal neu beginnen.“ Das muss man einem Menschen ermöglichen. Aber Voraussetzung ist, er sagt, er hat einen Fehler gemacht und das auch offen legt diesen Fehler und warum er ihn begangen hat.“

In ihrem Amt als Stasi-Beauftragte will Ulrike Poppe daher auch dazu beitragen, dass eine sachliche Aufarbeitung stattfindet. Doch bei der Aufklärung müssen alle mit anpacken. Sie allein wird die Versäumnisse von Stolpe und seinem Nachfolger nicht aufholen können.

Beitrag von Ute Barthel und Iris Marx