Piraten
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- Das Piratenschiff geht unter – Eine Partei in der Krise

Sie hatten frischen Wind in die Politik gebracht. Sie waren Hoffnungsträger für Politikverdrossene. Transparent und basisdemokratisch - kurz: eine Mitmachpartei. Doch was ist davon übrig geblieben?

Klarmachen zum Ändern! So der Slogan, mit dem die Piratenpartei angetreten war, um die politische Landschaft umzukrempeln. Die überraschenden Wahlerfolge der Anfangszeit waren eine ganz schöne Ohrfeige für die etablierten Parteien. Doch von Euphorie ist bei den Piraten heute nicht mehr viel zu spüren: In Berlin rangieren sie in puntco Beliebtheit, so Umfragen inzwischen, ganz hinten. Ist das Piraten-Experiment gescheitert? Iris Marx.

Schlagzeile
„Mitmachpartei"

Reinold Beckmann
ARD-Moderator
„Die Piraten sind im Aufwind."

Schlagzeile
„Sozis kopieren Piraten"

Sonia Mikich,
WDR-Moderatorin
„Die Neulinge bieten eine längst überfällige Sauerstoffkur für die müde gewordene Demokratie."

Frank Schirrmacher
FAZ-Herausgeber
„Keine Wiedervereinigung, keine Schulden- und Finanzkrise haben die Parteien nachhaltig verändern können. Es bedurfte diesen kleinen Piraten."

Sie haben so viele bewegt. Der Schwarm, der Politik macht. Themen statt Köpfe. Kein Hinterzimmer.

Doch während die klassischen Parteien langsam aus ihrer Schockstarre kommen und von CDU bis zu den Grünen zumindest versuchen, mehr Demokratie 2.0 zu leisten, fallen die Piraten hinter die Politik 1.0 zurück:

Viele Mitglieder sind inzwischen frustriert.

Dennis Plagge
Piratenpartei
„Mein Name ist Dennis Plagge, ich bin seit 2009 bei der Piratenpartei. Eine bestimmte Gruppe, insbesondere im Landesverband Berlin, arbeitet mit Methoden, die unseren Grundsätzen massiv widerspricht.“
KLARTEXT
„Ist das eine Art Klüngel?“
Dennis Plagge
Piratenpartei
“Das ist definitiv ne Art Klüngel.“
KLARTEXT
„Hinterzimmerpolitik?“
Dennis Plagge
Piratenpartei
“Auch das gibt es, ja.“

Die Piraten wollten offiziell keine Hierarchien. Aber dafür haben sich quasi informelle Strukturen herausgebildet. So existiert etwa in der Berliner Fraktion ein Club der sogenannten „7 Piraten", der sehr gerne die Richtlinien der gesamten Partei vorgeben will – und einige von ihnen machen das anscheinend nicht besonders demokratisch.

Beispielhaft zeigt sich das an einer angeblichen SMS des Berliner Fraktionsvorsitzenden Christopher Lauer. Der Berliner weist quasi den politischen Bundesgeschäftsführer Johannes Ponader an, zurückzutreten. Wörtlich schreibt er, Zitat:

„sonst knallt es ganz gewaltig."

Simon Lange
Piratenpartei
„Ich bin Simon Lange. Ich bin seit bei der Partei seit 2008.“
KLARTEXT
„Ist das typisch für Christopher Lauer?“
Simon Lange
Piratenpartei
„Ja, natürlich."

Ein rüder Ton ist nichts Neues bei den Piraten. Selbst körperliche Gewalt soll es gegeben haben.

Simon Lange
Piratenpartei
„Da gab es halt eine Situation, ich musste an ein Telefongespräch rangehen, ein wichtiges Telefongespräch für die Pressestelle, hab mich extra rumgedreht, weil wir gerade in einer Besprechung waren, und wurde dann halt von Morlang in den Rücken getreten."

Man könnte es als persönlichen Konflikt abtun, nicht so ernst nehmen. Aber leider ist es ein Verhalten, das auch auf die Art und Weise, wie einige Berliner Piraten Politik machen, ausstrahlt.

Dennis Plagge
Piratenpartei
„Es wird totalitär Meinung gemacht."

Sebastian Jabbusch
Piratenpartei
„Es ist wirklich dramatisch. … Und ich finde es auch faszinierend, dass Menschen glauben, so Politik machen zu können.“

In der Tat gibt es politische Abstimmungen, die muten wie eine schlechte Demokratie-Show an. So wie zum Beispiel bei der Abstimmung über die Herabsetzung des Wahlalters.

Laut Protokoll wurde gleich dreimal abgestimmt – hintereinander. Solange bis das Ergebnis offenbar passte.

Leider enttäuscht auch die hochgehypte Mitmach-Software Liquid Feedback. Das Herzstück für die Basisdemokratie. Hiermit kann jeder einzelne Pirat über Anträge online abstimmen.

Aber trotz des großen Verlangens nach mehr direkter Demokratie, machen hier bundesweit dann doch nicht so viele Piraten mit.

Und auch hier dominieren einige der „7 Piraten“ aus Berlin. Es kommt vor, dass sie quasi allein über ihre eigenen Anträge abstimmen.

Was sagt die Bundesebene zu den ganzen Vorwürfen?

KLARTEXT
„Man hört häufig auch von Vorwürfen, dass gemobbt wird, dass jemand unter Druck gesetzt wird. Ist das ein großes Problem innerhalb der Partei?“
Bernd Schlömer
Bundesvorsitzender Piratenpartei
„Noch mal die Frage beantworten….Äh noch mal ich muss das noch mal….ähm…Schnitt! … Es ist natürlich Aufgabe auch von mir, als Vorsitzender, darauf zu achten, dass alle Stimmen berücksichtigt werden. Und ich finde es selber nicht gut, wenn, die Lauten, die Zeitreichen, die Hochmobilen, die Meinungsführerschaft in der Partei übernehmen. Ich selbst bin berufstätig, übe das Amt in ehrenamtlicher Funktion aus, nebenamtlich, kann nicht immer präsent sein, und möchte eigentlich, dass es dort keine ungerechten Dominanzen gibt.“

Nichts Konkretes vom Bundesvorstand, nur politische Sprechblasen.

Dabei hoffen einige Mitglieder, dass sich die Missstände auflösen, das was getan wird, bevor es ganz zu spät ist:

Sebastian Jabbusch
Piratenpartei
„Ich hab unglaublich viele Menschen, die ich unglaublich gerne mochte in dieser Partei, und die sich halt zurückgezogen haben. Das heißt noch nicht jedes Mal sofort einen Parteiaustritt, aber zumindest in die Inaktivität zurückziehen. Und zurück bleiben dann diejenigen, die mit ihren Methoden obsiegen, und dadurch natürlich immer mehr auch noch diese Methoden sich verstärken, diese Methodeneinsetzung, weil sozusagen die Vernünftigen fehlen zunehmend. Zum Glück ist der Wähler dann auch klug genug, um das zu erkennen, solche Methoden, und seine Konsequenzen daraus zu ziehen.“

Es ist zum einen die Passivität vieler Piraten, die die Dominanz einer bestimmten Gruppe erst möglich macht. Das wird der Partei zum Verhängnis.

Sebastian Jabbusch
Piratenpartei
„Wenn man den Zustand der Piratenpartei aktuell anschaut, hoffe ich nicht, dass die Piratenpartei in den Bundestag einzieht. Solange die Piratenpartei es nicht hinbekommt, demokratische Strukturen zu etablieren, und auch Machtkorruption ganz klar anzugehen, hoffe ich, dass diese Partei nicht in weitere Ämter oder Parlamente kommt. Unter dem Vorbehalt, dass ich jetzt aber hoffe, dass das gelingt.“

Sie konnten kein Thema setzen.
Sie stehen nicht glaubwürdig zu ihren Grundsätzen.
Aber vielleicht war die Erwartungshaltung der Wähler und auch die der Medien am Ende schlicht zu groß.


Ganz schön starker Tobak... Und was sagen die betroffenen Piraten zu den erhobenen Vorwürfen? Wenig überraschend haben sie uns mitgeteilt: Das stimme alles gar nicht!

 

Beitrag von Iris Marx