Bild mit Klaus Wowereit (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Die merkwürdigen Auftritte des Klaus Wowereit

König der Unterschicht, so nannte ihn die Tagespresse kurz vor dem Urteil aus Karlsruhe. Offenbar nahm Berlins Regierender Bürgermeister diesen Titel an, denn seitdem regiert er nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert. Soll doch der Bund mehr zahlen für Opern, Polizei und so weiter. Stattdessen will er lieber noch mehr Geld ausgeben: zum Beispiel für eine kostenlose Kita und die Einheitsschule. Ein Politikstil, der bei den Berlinern anscheinend ankommt: Wowereits Beliebtheit nahm seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch zu. Doch hilft es auch der Stadt?

Morgen Mittag, um 13 Uhr, da hat Klaus Wowereit einen ganz wichtigen Termin im Abgeordnetenhaus: Seine Wiederwahl zum Regierenden Bürgermeister steht an. Aller Voraussicht nach gibt es dann noch mal fünf Jahre „Wowi“ im Roten Rathaus. Dabei waren seine Auftritte und Entscheidungen in den vergangenen Wochen ziemlich irritierend. Hemdsärmelig sagen manche. „Bockig“ passt auch. So schrieb die taz: „Vom Wowi zum Rowdy“… Was ist bloß mit Klaus Wowereit los? Das hat sich auch mein Kollege Ulrich Krätzer gefragt.

Sehr geehrter Klaus Wowereit,

dies ist der Brief eines Wählers, der Sie, als Regierenden Bürgermeister, eigentlich mal ganz gut fand, jetzt aber enttäuscht ist.

Sie haben wieder eine Koalition mit der PDS gebildet und morgen werden Sie wohl wieder zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Sie finden das bestimmt gut, ich eher nicht. Dabei war ich mal ein großer Fan von Ihnen.

Damals, als Sie im Jahr 2001 Eberhard Diepgen abgelöst haben. Der hatte der Stadt einen riesigen Schuldenberg hinterlassen.

Die finanzielle Lage Berlins war katastrophal. Da war es mal was Neues, dass Sie das, damals im Wahlkampf, auch genau so gesagt haben - ohne falsche Versprechungen.

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Und dann werden wir nicht mehr garantieren können in den vielen Wahlveranstaltungen, die folgen werden, dass bei berechtigten Forderungen auch von Bürgerinnen und Bürgern, sofort immer gesagt wird, ja das machen wir. Das werden wir nicht alles erfüllen können!“

Sie wollten sparen und sie haben gespart. Das gab Ärger. Kein Wunder: Sie haben sich mit dem gesamten öffentlichen Dienst angelegt und den Gewerkschaften Gehaltskürzungen von bis zu zwölf Prozent abgerungen.

Dann haben Sie auch noch die Förderung für den sozialen Wohnungsbau beendet und vieles mehr. Sie und Ihr Finanzsenator Thilo Sarrazin mussten sich wegen ihrer Sparpolitik immer wieder rechtfertigen.

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator Berlin (18.11.2003)
„Die Frage ist nur, ob wir heute sparen oder morgen – und dann noch ärmer sind als wir es heute sind.“

Es war nicht immer leicht. Aber Herr Sarrazin und Sie hatten Recht – trotz aller Proteste. Die Berliner Schulden waren so hoch, dass die Stadt mehr als zehn Prozent nur für die Zinsen ausgab. So konnte es nicht weiter gehen. Und Sie, Herr Wowereit haben das immer wieder erklärt, so dass sogar ich es irgendwann verstanden habe. In der letzten Zeit verstehe ich Sie aber nicht mehr.

Es begann in Karlsruhe. Sie wollten, dass der Bund einen Teil der Berliner Schulden übernimmt. Doch die Verfassungsrichter haben Ihren Antrag abgelehnt.

Winfried Hassemer, Vizepräsident Bundesverfassungsgericht
„Wenn Sie genau zuhören oder lesen, was wir an Gründen haben, so könnte man gut auf die Idee kommen, dass Berlin vielleicht deshalb so sexy ist, weil es so arm gar nicht ist.“

Die Richter zählten auf, wo Berlin selbst sparen könnte. Doch Sie wollten darüber nicht mal nachdenken. Stattdessen begann Ihre Trotzphase.

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Diese Klarheit dieses Urteils lässt Berlin allein. Aber wir in Berlin kennen dieses Gefühls des Allein-Gelassen-Seins. Die Älteren haben einschneidende Ereignisse wie die Blockade Berlins oder den Mauerbau noch persönlich erlebt.“

Moment mal. Die Berlin-Blockade? Der Mauerbau? Mit dem Urteil der Verfassungsrichter hatte das nichts zu tun. Der Vergleich war absurd. Aber es kam noch schlimmer. Statt Vorschläge zu machen, wie man Berlin sanieren könnte, stellten Sie übermütig Forderungen an den Bund. Den Bau der U-Bahn-Linie 55 zum Beispiel sollte der Bund plötzlich alleine bezahlen. Dass etwas anderes verabredet war – egal.

Genauso bei der Berliner Staatsoper. Die nötige Sanierung sollte der Bund übernehmen. Dabei hatten Sie doch selbst einen Vertrag abgesegnet, in dem steht, dass Bund und Berlin sich die Finanzierung teilen.

Ach ja, und dass der Bund schon jetzt zum Beispiel die Sanierung der Museumsinsel finanziert, habe ich von Ihnen nicht gehört. Auch nicht, dass Berlin jedes Jahr 5,3 Milliarden Euro von Bund und Ländern erhält.

All das, lieber Herr Wowereit hätten Sie deutlich sagen müssen. Stattdessen wollten Sie Ihre Forderungen der Bundeskanzlerin präsentieren. Doch die fand das wohl etwas dreist und änderte kurz vor dem Treffen die Tagesordnung.

Thomas Steg, Stellvertretender Regierungssprecher
„Vereinbart zwischen den beiden ist ein einziges Thema. Und das ist die Zukunft von Tempelhof.“

Nette Gespräche über den Flughafen Tempelhof. Dabei hätte die Kanzlerin der Stadt helfen können.

Aber, Sie Herr Wowereit, haben es mit Ihren vor dem Treffen öffentlich geäußerten Forderungen vermasselt.

Sie reagieren wie ein trotziger kleiner Junge. Sie schimpfen auf den Bund und machen – anders als früher – keine Sparvorschläge mehr. Warum eigentlich nicht?

Ich habe einen Kommunikationswissenschaftler gefragt. Klaus Kocks. Er meint: Sie sagen immer das, was die Wähler von Ihnen erwarten.

Klaus Kocks, Kommunikationswissenschaftler
„In der ersten Zeit haben die Wähler von Wowereit erwartet, dass er verändert. Aber die Leute sind sehr schnell leid, nur solche Aufforderungen zu hören, dass es sozusagen jeden Tag Hässlichkeiten gibt, dann entsteht die Erwartung an den gütigen Vater. Diesen Rollenwechsel macht er, er macht er ihn als Machtpolitiker, er macht ihn mit Blick auf seine Umfragewerte. Und das was die nachdenklicheren Menschen der Stadt enttäuscht, kann ihm relativ egal sein.“

Sehr geehrter Herr Wowereit,

Sagen Sie wirklich nur, was die Leute gerade hören wollen? Das wäre schade. Denn Sie waren mal ein mutiger Bürgermeister.

Mit freundlichen Grüßen,

Ein früherer Fan von Ihnen.

Tja, vielleicht gibt’s ja einen Antwortbrief.