Parteitag der WASG (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Polit-Träume in neuer Partei

Wer ist die WASG? Am Wochenende wird in Brandenburg die Satzung der neuen Partei verabschiedet, in Berlin tagt ebenfalls die WASG, um sich für die Aufstellung zur Bundestagswahl zu rüsten. Klartext portraitiert die Frustrierten anderer Parteien, die sich hier zu einem neuen Bündnis zusammenfinden: Ex-Funktionäre der DDR, frustrierte PDS- und SPDler, Gewerkschafter, Arbeitslose. Was eint sie, gibt es überhaupt Ansätze einer konkreten neuen Politik – oder erschöpft sich die WASG in der allen gemeinsamen Unzufriedenheit?

Wenn am Sonntag gewählt würde, käme das neue Linksbündnis aus PDS und WASG – laut jüngster Umfrage - auf rund neun Prozent und wäre damit drittstärkste Kraft. Die WASG, bis vor kurzem ein kleiner Haufen Versprengter, hätte das wohl kaum zu träumen gewagt. Allerdings zahlt sie einen hohen Preis: 65.000 PDSler treffen auf bundesweit 6.500 WASGler – logisch, wer da den Ton angibt. Die PDS ist einstige Kaderpartei, bis heute straff organisiert und sehr machtbewusst. Und die WASG? Kristina Tschenett und Michael Beyer haben sich auf deren Parteitagen umgehört.

KLARTEXT
"Was steckt hinter der WASG?"

Frau
„Die WASG ist die Partei für die kleinen Leute, und meiner Ansicht nach ist es wichtig für den kleinen Mann, etwas zu tun.“

Mann
„Die Wahlalternative ist die Einzige, die das ganze Hartz-IV Konzept ablehnt.“

Mann
„Ich finde die etablierten Parteien betrügen das Volk.“

Mit Protestparolen in den Bundestagswahlkampf. Wir sind auf dem Parteitag der Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit in Potsdam. Nur gut 100 Mitglieder hat die Partei in Brandenburg. Dennoch sieht man sich schon auf der Oppositionsbank im Bundestag.

Herbert Driebe, Landesvorstand WASG Brandenburg
„Dieser Bundestag war die letzten sieben Jahre ohne jeglichen Widerspruch und das werden wir hundertprozentig verändern in diesem Jahr.“

Die WASG – ein Sammelbecken für Protestierer. Das sind Gewerkschafter, gefrustete PDS-Mitglieder, Arbeitslose und enttäuschte SPD-Anhänger.

Mann
„Die Enttäuschung begann recht früh. Das fing beim Blauhelmeinsatz an, ging bis zum unsäglichen Jugoslawienkrieg. Und die Agenda 2010 war dann der ausschlaggebende Punkt.“

Frau
„Zu DDR-Zeiten war ich schon lange in der Politik beschäftigt, damals in der Deutschen Bauernpartei. Und habe nach der Wende im Prinzip keine Heimat mehr gefunden.“

Herbert Driebe – Landesvorsitzender der WASG in Brandenburg. Nach der Wende Verkäufer im Baumarkt. Jetzt arbeitslos. Zu DDR-Zeiten war er FDJ-Funktionär in Potsdam, dann sogar Dozent an der SED-Parteischule. Zu Wendezeiten war er für den Erhalt der DDR. Herbert Driebe war damals linientreuer Funktionär. Heute träumt er von einer staatlich gelenkten Wirtschaft. Für Betriebe, die Arbeit ins Ausland verlagern, sieht er den Staat in der Pflicht.

Herbert Driebe, WASG Brandenburg
„Wir sind schon der Meinung, dass solche Unternehmen dann in welcher Form auch immer, zu übernehmen sind und weiterzuführen sind, im Interesse der Arbeitnehmer in aller erster Linie.“
KLARTEXT
„Das heißt um Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, wollen Sie sozusagen die Wirtschaft lieber wieder staatlich lenken?“
Herbert Driebe, WASG Brandenburg
„Genau!“

Ein Landesvorsitzender, der vorwärts in die Vergangenheit will. Seit drei Monaten ist er in der WASG. Hans-Jörg Rudolph, 53, seit fünf Jahren arbeitslos Bisher hat er sich aus der Politik raus gehalten, jetzt hofft er auf eine radikale Wende nach links.

Hans-Jörg Rudolph
„Ich bin der Meinung und das will ich nachher auch noch sagen, dass eine starke Linke in diesen Bundestag gehört, die widersprechen kann und dem Volk wieder Hoffnung und Stimme geben kann. Das ist für mich wichtig. Ich kann nicht zu Hause sitzen und warten, bis ich Rentner werde. Das geht nicht.“

Der ehemalige FDGB-Vertrauensmann versteht sich heute als Anwalt der kleinen Leute. Hans-Jörg Rudolph will einen Staat, der die Wirtschaft kontrolliert.

Hans-Jörg Rudolph
„Irgendwo ist der Staat ja doch für alles verantwortlich, die Wirtschaft bricht da nur aus. Der Staat ist dazu da, das Gefüge zusammenhalten und das tut er im Moment nicht. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die rot-grüne Bundesregierung das ganze Volk ans Großkapital verscherbeln will.“

Ortswechsel. Der Parteitag der WASG in Berlin. Viele Gründungsmitglieder sind aus der PDS ausgetreten. Sie werfen der Partei, die in Berlin mitregiert eine unsoziale Sparpolitik vor. Dass jetzt WASG und PDS gemeinsam in den Bundestag ziehen wollen, empört viele.

WASG-Mitglied
„Die PDS ist ein sinkendes Schiff, das sieht man in ihren Mitgliederzahlen und ich habe keine Lust, die Frischzellenkur für die PDS darzustellen.“

Rouzbeh Taheri hat die PDS aus Protest verlassen. Er saß sogar im Bundesvorstand der Partei. Noch vor kurzem wollte er die rot-rote Regierung in Berlin per Volksbegehren stürzen – wegen ihrer Sparpolitik.

Rouzbeh Taheri, Landesvorstand WASG Berlin
„Ich habe den Austritt aus der PDS und den Eintritt in die WASG vor allem aufgrund der Politik der PDS in der Berliner Landesregierung gemacht.“
KLARTEXT
„Was werfen Sie denen vor?“
Rouzbeh Taheri, Landesvorstand WASG Berlin
„Dass sie sich von den anderen Landesregierungen nicht unterscheiden, das heißt, dass sie eine Politik der Privatisierung, des Sozialabbaus und des Bildungsabbaus betreiben.“

Auch andere WASG-Mitglieder denken so, doch die Mehrheit stimmt am Ende für den Pakt mit der PDS. Schließlich lockt der Einzug in den Bundestag.

Rouzbeh Taheri, Landesvorstand WASG Berlin
„Wir haben Differenzen mit der Berliner PDS, aber Bundestagswahlen sind eine andere Sache.“

So stimmt auch Taheri, wie die Mehrheit, für das Bündnis mit der PDS. Opportunismus für die Macht, auch wenn es an politischen Gemeinsamkeiten fehlt. Er soll der WASG zur Macht verhelfen: Oskar Lafontaine. Und für den Wahlkampf ist ihm jedes Mittel Recht. Auch dumpfe Parolen gegen so genannte Fremdarbeiter.

Oskar Lafontaine, WASG Spitzenkandidat
„Der Staat ist verpflichtet, seine Bürger und Bürgerinnen zu schützen, er ist verpflichtet, zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Das kann nicht in einer sozialen Demokratie zum Alltag werden.“

Auf dem Berliner Parteitag der WASG sind deshalb viele über Lafontaine empört.

WASG-Mitglied
„Wenn Oskar Lafontaine mit dem Begriff von Fremdarbeitern durch die Lande zieht, dann denke ich, sollten wir auch Widerspruch erheben.“

Ein Widerspruch, den hier die Mehrheit teilt. Leitfigur bleibt Oskar trotzdem. Schließlich hat der Wahlkampf längst begonnen.

Macht macht gierig. Die WASG-Mitglieder werden auf ihrem Weg in den Bundestag noch so manche Kröte schlucken.