Thilo Sarrazin (Quelle: rbb)
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- Thilo Sarrazin - Abschied eines Unbequemen

Berlins scheidender Finanzsenator Thilo Sarrazin hat Freund und Feind verprellt, indem er Wahrheiten aussprach, die andere lieber unter den Teppich kehren. Jetzt verlässt er die Stadt - ein Schlusswort.

Man kann von der Politik des Berliner Sparsenators Thilo Sarrazin halten, was man will - ein Typ ist der knorrige Sozialdemokrat, der jetzt im Mai zur Bundesbank wechselt, allemal. Zu Recht beklagen wir, dass es in der Politik an echten Charakteren mangelt - Thilo Sarrazin aber ist so einer: unbequem, unorthodox und oft ziemlich ungehobelt. Das brachte ihm viele Feinde, aber auch viele Freunde. Sarrazin ist ein Meister im Klartext-Reden. Grund genug für meinen Kollegen Ulrich Kraetzer den scheidenden Senator nochmal deutlich zu Wort kommen zu lassen.

KLARTEXT
„Kennt Ihr Thilo Sarrazin?“
Kinder
„Nein.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Ich war als Kind langsam, bisschen rund und ziemlich verträumt.“

Passant
„Er hat oft gesagt, was einfach richtig war.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Sport war gar nicht mein Ding. Das habe ich vermieden, wo ich konnte.“

Passant
„Sarrazin ist ein Hardliner, so wie die deutsche Margaret Thatcher in männlich.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Zur Schule bekam ich immer an, was ich hasste wie die Pest, lange Strickstrümpfe.“

Passant
„Es war einfach manchmal zu krass, was er den Leuten rüber gebracht hat.“

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Das wird jetzt in Frankfurt und bei der Bundesbank etwas geräuschloser sein, man weiß es nicht, aber das ist das ist dann nicht mehr unser Problem.“


Der Sparminator

Der Amtsantritt von Thilo Sarrazin als Finanzsenator im rot-roten Senat begann mit einem Fehlstart. Wegen einer Panne bei der Stimmabgabe wurde Sarrazin erst im zweiten Anlauf gewählt.

Walter Momper (SPD), Parlamentspräsident
„Bitte schön Herr Dr. Sarrazin.“
Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Ich schwöre es“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Ich habe gewusst, dass die Aufgabe zu mir passt. Ich wusste schon, dass die Stadt in einer gewaltigen finanziellen Schieflage war und sich auch auf ihre eigene Lage noch gar nicht mental eingestellt hatte.“

(Ausschnitt Diskussionssendung „Berlin life“)
Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Wir in dieser Stadt sind der Kostempfänger dieser Nation. Wir nehmen 25 Prozent mehr ein als der Bundesdurchschnitt und geben 45 Prozent mehr aus und damit müssen wir uns auseinander setzen.“
Zuschauer
„Lügner, Lügner.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Dann ging ich relativ stark aufs Ganze nach dem Motto, also entweder bin ich hier wieder draußen nach drei Monaten oder eben nicht und dann wird’s auch klappen.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Berlin hat, wie Sie wissen, zwei Zoos. Es hat in beiden Zoos zahlreiche Giraffen. Niemand nimmt uns die Entscheidung ab, wie viele Giraffen in Berlin noch mit der extremen Haushaltsnotlage vereinbar sind oder wie viele geschlachtet oder verkauft werden müssen.“

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Ich habe mich ja absichtlich für ihn entschieden und habe damals auch viel Ärger bekommen (…) Viele waren am Anfang nicht richtig mit ihm einverstanden, aber ich habe nie daran gezweifelt. Es war eine richtige Entscheidung, ich stehe auch heute noch zu dieser Entscheidung.“


Der Kommunikator

(November 2003)
Etwa 20 Studenten haben das Büro des Finanzsenators Thilo Sarrazin besetzt. Sie protestierten damit gegen die Sparpolitik des rot-roten Senats. Sarrazin ließ sein Amtszimmer von der Polizei räumen.

Student
„Der einzige Kommentar, der von Finanzsenator Sarrazin zu uns kam, war ‚Ihr seid doch alles Arschlöcher’, und ist dann wieder gegangen ohne weiteren Kommentar.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Wenn hier also im Büro, 20 Studenten rumlungern und einen von der Arbeit abhalten, ist das also ungezogen, sinnlos und ich habe sie zu Recht Arschlöcher genannt."
KLARTEXT
„Aber die wollten ja protestieren.“
Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Ja, sie müssen ja nicht bei mir protestieren.“


Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Ich provoziere niemals bewusst, aber wenn es um einen Sachverhalt geht, dann muss man diesen auch auf den Punkt bringen. Und das ist keine Provokation, das ist ein Beitrag zur Klarheit und auch dazu, dass eine Kommunikation zügig voran geht.“


Der Gesellschaftskritiker

(Ausschnitte Diskussionssendung „Klipp und klar“)
Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Wenn man sich das anschaut, dann ist das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern das Untergewicht. Man muss ja davon ausgehen, was man hat – im Monat 128 Euro für einen Einzelstehenden und damit kann man in der Tat ausgewogen, auskömmlich essen. Ich hab es selber ausprobiert mit meiner Frau zusammen, habe es auch ausprobieren lassen durch meine Verwaltung“
Ulrich Schneider, Paritätischer Wohlfahrtsverband
„Ich finde, wenn jemand, der hier sitzt und so abzieht, da müssen sich die Menschen, für die das keine Sandkastespiele sind, sondern die mit diesem Geld tatsächlich Ihre Familie über die Runden bekommen müssen, die müssen sich bitter verhöhnt fühlen.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Was die nicht verstehen, die sich über mich empören, die dienen ja gerade meinen Zwecken, denn die Empörung trägt ja gerade die Äußerung nach oben. Die wahren Feinde sollten mich einfach beschweigen, aber sie machen immer den Fehler, das nicht zu tun und damit dienen sie meinen Zielen.“


Ärger vom Chef

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Der Finanzsenator, der ja nun bekannt ist für seine passenden oder meistens unpassenden Vergleiche. Man freut sich ja manchmal, wenn er nichts sagt.“

KLARTEXT
„Wie schwierig ist es, sich als Regierender Bürgermeister so einen Mann auch mal zur Brust zur nehmen und zu sagen: ‚So nicht.’?“
Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Das ist überhaupt nicht schwierig, das hat auch stattgefunden.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator
„Und da fängt Wowereit an: ‚Grüß Dich, mein Lieber’. Und dann weiß ich schon, es hat, es setzt wieder mal eine Abreibung.“

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Nur wie wir Thilo Sarrazin kennen, hat das dann immer nur für den Punkt gehalten, man war nie sicher, was kommt als nächstes.“

Vor Gericht

(Oktober 2006)
Die Verfassungsrichter aus Karlsruhe erteilten Finanzsenator Sarrazin eine Abfuhr. Seine Klage auf Milliardenhilfen vom Bund sei unbegründet, Berlin habe noch nicht alle Sparpotenziale ausgeschöpft. Die Opposition bezeichnete das Urteil als persönliche Niederlage für Sarrazin.

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator:
„Nein, Karlsruhe war ein Etappensieg. Es dauerte ja von der Klage-Einreichung bis zur letztendlichen Entscheidung vier Jahre. Und während dieser vier Jahre konnte ich immer sagen, wir müssen sparen, sonst machen wir in Karlsruhe vor den Verfassungsrichtern keinen guten Eindruck. Und danach konnte ich sagen, jetzt müssen wir erst recht sparen, denn sie haben uns bestätigt, es gibt nie mehr frisches Geld. So. Und insofern war das ein Erfolg.“

Wie sagte Wowereit neulich so schön: „Wir sind gespannt auf die Interviews, die Sarrazin als Banker geben wird.“ Das sind wir auch.


Ulrich Kraetzer