Cargolifterhalle in Brand (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Cargolifter: Dschungel-Träume in Brand

Großprojekte in Brandenburg – meist Millionenverluste. Eigentlich sollte damit Schluss sein. Doch bei der CargoLifter-Halle klopft schon wieder ein Großinvestor an die Tür: Tropenblüten sollen die leerstehende Luftschiffhalle in ein Dschungelparadies verwandeln. Blütenträume oder blühende Landschaften?

Ein tropisches Gewitter mitten in Brandenburg – Touristen im Dschungelfieber:

O-Töne:
Was fasziniert Sie am Dschungel?

Besucher 1
Das schöne Klima. Es ist warm und im Moment habe ich gerade etwas gefroren.

Besucher 2:
Bei uns sehen ja die Bäume alle gleich aus, so groß und so. Eigentlich Blätter haben sie alle. Aber hier sind sie mal am Boden ganz riesig oder von der Decke hängen ganz klein.

Besucher 3
In dem heillosen Durcheinander steckt ja doch irgendwie System. Also es ist Leben. Das fasziniert mich.

Der überdachte Dschungel steht in Potsdam. Für dieses Vergnügen hat der Steuerzahler bereits 35 Millionen Euro hingelegt. Immerhin ein touristischer Erfolg: 270 000 Besucher kommen jährlich in die Biosphäre.

Auch die Halle des Luftschiffbauers Cargolifter soll jetzt ein Dschungel retten. Hier wurden bereits 50 Millionen Euro Steuermittel verbaut. Jetzt soll in die größte freitragende Investitionsruine, das weltgrößte künstliche Tropenparadies einziehen.

Vom Dschungel träumt auch der Hausherr vom Landratsamt Dahme-Spreewald. Er hofft vor allem auf die touristischen Nebeneffekte für die Region:

O-Ton Martin Wille, Landrat Dahme-Spreewald (SPD):
Das Reisebüro XY bietet an vier Tage Spreewald. Unter anderem: Besuch bei Tropical Island. Aber auch etwas anderes. Die traditionelle Kahnfahrt, das Wandern durch den Spreewald, was weiß ich, was man alles machen kann. Sie können sich ja auch auf einen Gurkenflieger legen, da mal einen Tag mit ackern und Gurken ernten.

Eine paradiesische Vorstellung: In einer Präsentationsmappe der Investorengruppe werden der Region „2500 Arbeitsplätze“ versprochen. Immerhin gleich „zwei 500-Zimmer-Resort-Hotels“ sollen einen Ansturm von „erwarteten drei Millionen Besuchern“ im Jahr nach Brand locken.

Die Cargolifterhalle in Brand ist jetzt das touristische Großprojekt Brandenburgs. Allein Tourismusexperten sehen die Sache skeptischer:

Christiane Klemm, Tourismusforscherin FU Berlin:
Also wenn Sie das aus regionaler Sicht sehen, dann hat das Projekt sicherlich keinen Erfolg. Weil drei Millionen Besucher würden Sie sicherlich nicht generieren aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das würde ganz sicherlich nicht ausreichen.

Für die Region hat das eigentlich nicht so sehr viel zu bedeuten, weil es für sich ein abgeschlossenes, ein autarkes Projekt ist. Es ist wie ein Industriebetrieb. Er lebt für sich, oder vor sich hin. Er versorgt seine Besucher und das tut er sicherlich auch ganz gut, aber die Besucher, die eine Karibiklandschaft aufsuchen oder sich dahin begeben, die werden sicherlich nicht anschließend noch im Spreewald Kahnfahren.


Der HauptInvestor: Colin Au aus dem fernen Singapur. Er scheint ein Meister der Suggestion. Dem Ministerpräsidenten führte er im Juni 2003 höchstpersönlich und per Laptop ein Referenzprojekt in England vor.

Politiker und Journalisten blieben bis heute in dem schönen Glauben, das Edenprojekt in Cornwall sei ebenfalls sein Projekt.

O-Ton Martin Wille, Landrat Dahme-Spree (SPD):
Herr Au hat insbesondere ein ähnliches Projekt in England gebaut, in Cornwall, relativ weit weg von London, etwa fünf Stunden Anmarschzeit mit Auto oder Bahn. Dieses Projekt funktioniert bereits ist seit über anderthalb Jahren in Betrieb und hat Besucherzahlen zwischen 1,2 und 1,4 Millionen.

Cornwall in England: das sogenannte Edenproject exisitiert tatsächlich. Doch von dem Investor Colin Au hat man hier nie etwas gehört, erklären die Betreiber gegenüber Klartext. Colin Au sei auch geschäftlich hier nie engagiert gewesen.

Wir suchen die Firma Tropical Island. Laut Handelsregister müssten wir sie in der Xantener Str. 5 in Berlin finden. Doch auf dem Klingelschild suchen wir vergeblich nach dem Büro. Fündig werden wir erst an diesem Briefkasten: JFVVG – der kleine Aufkleber steht für eine Fondsgesellschaft, die laut Handelsregister erst im Herbst in Tropical Island umgewandelt wurde.
Wir fragen die Besitzerin des Briefkastens und ehemaligen Geschäftsführerin:

O-Ton Marianne Ostermaier, ehem. Geschäftsführerin JFVVG:
Frage: Wir suchen die Firma Tropical Island. Sind wir da richtig hier?
Ostermaier: Nein da sind Sie nicht richtig.
Frage: Sie firmieren aber hier?
Ostermaier: Ja, das stimmt.
Frage: Waren Sie Geschäftsführerin?
Ostermaier: ja.
Frage: Können Sie uns was sagen zu dem Projekt.
Ostermaier:
Nein, möchte ich nicht.
Frage: Warum nicht.
Antwort: Also ich kann Ihnen den Namen eines Anwalts geben.


Die renommierte Anwaltskanzlei Clifford und Chance. Auch hier bitten wir vergeblich um ein Interview.
Und in Brand bei der Cargolifterhalle selbst arbeiten noch immer Mitarbeiter des Insolvenzverwalters - und angeblich auch des neuen Investors. Doch vor Ort keine Auskunft. Interview: Fehlanzeige.

Dafür beeindruckte Investor Colin Au die Politiker vor allem mit der Ankündigung Tropical Island ohne staatliche Fördermittel zu bauen:

O-Ton Martin Wille, Landrat Dahme-Spree (SPD):
Das ist eben natürlich das Risiko, das der Investor trägt. Es gehen ja mit Ausnahme der Dinge, die ich erwähnte bei der Unterstützung im Erschließungsbereich ja auch keine weiteren öffentlichen Mittel rein, so dass es ein privatwirtschaftliches Risiko ist.

Die Wirklichkeit ist weniger paradiesisch: Auf das leicht zu erlangende Brandenburger Steuergeld wollen auch die angeblich milliardenschweren asiatischen Investoren nicht verzichten. Nach KLARTEXT Recherchen haben sie für ihr Tropenparadies kürzlich 13 Millionen Euro Fördermittel beantragt – entgegen ihrer Ankündigung.

Wieder setzt die Landesregierung auf ein Großprojekt – diesmal ein touristisches. Die Worte des Ministerpräsidenten nach der Chipfabrik-Pleite scheinen schon wenige Wochen später vergessen:

O-Ton Matthias Platzeck, Ministerpräsident (SPD) am 11.12.2003
Wir müssen jetzt auch im Wesentlichen von der Erwartung Abstand nehmen, dass private Großinvestoren oder öffentlich initiierte Großprojekte uns die Tausenden von Arbeitsplätzen bringen, die im Land fehlen.