- Nichts dazugelernt? Wieder rechtsradikaler Brandschlag in Zossen

Als am 23. Januar auf das „Haus der Demokratie“ in Zossen ein Brandanschlag verübt wurde, gab man sich empört über das Treiben rechtsradikaler Jugendlicher. Vor wenigen Tagen kam es erneut zu einem versuchten Brandanschlag. Im Visier – das Auto eines Mitglieds der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“. Doch damals wie heute fehlt es in der Stadtverwaltung und bei der Bürgermeisterin an einem klaren Signal gegen rechts. Eine Momentaufnahme aus der Provinz.

Wieder ein Brandanschlag in Zossen. Schon lange kämpfen engagierte Bürger gegen zunehmenden Rechtsextremismus in der Kleinstadt. Mit hohem Risiko: Ein Haus der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“ wurde angezündet, der Sprecher bekam Morddrohungen. Zivilcourage gegen Rechts – immer wieder wird das eingefordert. Doch wenn sich die Bürger tatsächlich mutig gegen die Neonazis stellen, können sie keineswegs mit Unterstützung rechnen. Robin Avram und Ulrich Kraetzer mit einer Reportage über das Klima, in dem Rechtsextremismus gedeiht.

Zossen, der 23. Januar dieses Jahres. Das „Haus der Demokratie“ steht in Flammen. All die Arbeit der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ – auf einen Schlag vernichtet.

Jörg Wanke, Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“
„War erstmal ein Schockzustand. Und wir haben gerade auch in den ersten Tagen immer gehofft, weil es eben ja so eine Eskalations-Situation war, dass es eben keine Brandstiftung ist, sondern dass es vielleicht doch ein technischer Defekt ist.“

Doch schon wenige Tage nach dem Brand gesteht ein 16-Jähriger: Er habe das Haus angezündet. Dem mutmaßlichen Neonazi passte offenbar nicht, dass die Bürgerinitiative sich einsetzt gegen Fremdenfeindlichkeit.

Doch Jörg Wanke und seine Mitstreiter lassen sich auch von offenen Morddrohungen nicht einschüchtern. Sie bekennen Farbe gegen Rechtsextremismus - und wurden dafür mehrfach ausgezeichnet. Fast alle unterstützen „Zossen zeigt Gesicht“ – nur die eigene Bürgermeisterin nicht.

KLARTEXT
„Hat sich die Bürgermeisterin bei Ihnen oder einem ihrer Mitstreiter jetzt gemeldet nach dem jüngsten versuchten Anschlag?“
Jörg Wanke, Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“
„Ne, sie hat also bei mir persönlich noch nie gemeldet und hat sich also noch nie persönlich nach einem der Anschläge bei einem anderen Mitstreiter der Bürgerinitiative gemeldet.“
KLARTEXT
„Wie finden Sie das?“
Jörg Wanke, Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“
„Schade.“

Die Zossener Bürgermeisterin Michaela Schreiber: Sie bestreitet, sich nicht bei der Bürgerinitiative gemeldet zu haben – gibt aber zu, dass sie ihr äußerst skeptisch gegenüber steht. Der Initiative ginge es nur darum, sie aus dem Amt zu jagen.

Und überhaupt: Das Problem Rechtsradikalismus werde viel zu stark aufgebauscht.

Michaela Schreiber (Wählergruppe Plan B), Bürgermeisterin Zossen
„Es ist jetzt nicht so, wie es in einigen Zeitungen auch mal gesagt wurde, oder wie Herr Wanke es gesagt hat, das grölende und Lieder singende Nazi-Horden durch Zossen ziehen, das ist einfach nicht der Fall. Das sieht man auf den Straßen, dass sie nicht da sind.“

Alles nicht so schlimm? Rechtsextreme – in Zossen eine Randerscheinung?

An der Geschwister-Scholl-Schule hat der Leiter Burghardt Sattler erfahren, wie aktiv die Rechtsextremen in Zossen sind. Der Kopf der Zossener Neonazi-Szene Daniel T. hat hier vor einem Monat Aufkleber und CD‘s mit rechtsextremen Rocksongs verteilt.

Burghard Sattler, Direktor Geschwister-Scholl-Oberschule
„Wenn der oberste Chef, T. oder wie der heißt, hier schon persönlich kommt und seine CD‘s verteilt, dann halte ich das für ein Alarmsignal.“

Die Schüler antworteten auf die Propaganda auf ihre Weise: Sie haben die CDs einfach zertreten. Doch Daniel T. und seine „Nationalen Sozialisten Zossen“ lassen sich davon nicht irritieren. Auch im Internet versuchen sie, Jugendliche für ihre Hasspropaganda zu begeistern.

Propagandavideo
„Zeige ihnen, zeige ihnen, was du willst und wen du hasst. Steckt man dich, steckt man dich für deine Worte in den Knast…“

Die Neonazis werben offen für nationalsozialistische Ideologie. Die Bürgermeisterin lässt sie gewähren.

Michaela Schreiber (Wählergruppe Plan B), Bürgermeisterin Zossen
„Ich glaube ganz fest, dass der Staat sich nicht anmaßen darf, so wie das früher in der DDR, vorzugeben, was die politische Meinung ist.“

Keine Vorgaben, jeder soll sagen dürfen, was er denkt. Meinungsfreiheit – auch für Neonazis?

Wir erfahren, wo Daniel T. wohnt und fahren zu ihm. Die Staatsanwaltschaft sieht in ihm die Schlüsselfigur der Zossener Neonazi-Szene. An seinem Briefkasten: Ein Aufkleber, der den Nazi-Kriegsverbrecher Rudolf Hess verherrlicht Wenig später taucht Daniel T. auf. Im Schlepptau: Jugendliche, die er für seine Propaganda eingespannt.

KLARTEXT
„War Adolf Hitler eigentlich ein guter Mann, ein guter Führer für Deutschland?“
Daniel T.
„Für mich, also, es war ein großer Staatsmann, auf jeden Fall. Es war ein großer Staatsmann, der seine Interessen auch durchgesetzt hat, und er hat dem Volk auch viel Gutes getan. Man kann ihn nicht als Verbrecher bezeichnen und sagen, dies und das und jenes. Das funktioniert einfach nicht.“

Freispruch für Hitler. T. beruft sich auf Meinungsfreiheit. Die Ansicht der Bürgermeisterin, dass der Staat keine Meinung vorgeben dürfe, kommt ihm gelegen. Und dass sie die Neonazi-Gegner nicht unterstützt, erst recht.

Daniel T.
„Frau Schreiber hat die ganze Sache auch richtig erkannt. Wenn es keine Bürgerinitiative geben würde, so wie diese Zossen-zeigt-Gesicht-Bürgerinitiative, hätte sich die ganze Sache nicht so hochgeschaukelt.“

Sagt der Mann, der – so der der Verdacht der Staatsanwaltschaft - hinter dem Brandanschlag auf das Haus der Demokratie stecken könnte. T. bestreitet das. Er ist gut geschult, weiß, was er vor der Kamera sagen darf und was nicht. Seine Anhänger sind weniger vorsichtig.

Mitläufer
„Ist einfach in meinen Augen so, dass keine Juden vergast wurden.“

T. verbietet dem Mitläufer den Mund. Er selbst hat seinen Anhängern die Nazi-Ideologie zwar eingetrichtert. Doch er weiß: Den Holocaust leugnen, das ist eine Straftat. T. will die Demokratie abschaffen. Für dieses Ziel habe er in letzter Zeit viele neue Anhänger gewonnen. Und die muss man in Zossen nicht lange suchen.

KLARTEXT
„Aber die Nazis finden Sie okay?“
Jugendlicher
„Ja, die sind okay.“
KLARTEXT
„Na, die sagen ja auch: Ausländer raus.“
Jugendlicher
„Ja, das ist meine Meinung auch. Ich bin auch Ausländer raus. Sag ick.“
KLARTEXT
„Was tun die Ihnen, was haben die Ihnen getan, die Ausländer?“
Jugendlicher
„Einfach so.“

Sprüche von Mitläufern. Doch auch sie können gefährlich werden. Auch der 16-Jährige, der mutmaßlich das Haus der Demokratie anzündete, galt als Mitläufer.

Wir fahren zu einem anderen stadtbekannten Neonazi. Hier wohnt Christoph Schack. Er ist ein Kumpel von Daniel T., lange Jahre NPD-Aktivist, vorbestraft wegen gefährlicher Körperverletzung. Im Interview gibt er sich äußerst wortkarg.

KLARTEXT
„Wenn Sie Ihre Meinung zum Thema Juden sagen würden, dann wäre das strafbar jetzt?“
Christoph Schack
„Ja, das was ich dann, was ich dann eventuell für Ziele habe, was dann ist mit denen. Die geschichtliche Wahrheit sag ich mal.“

Christoph Schack arbeitet direkt am Zossener Bahnhof, in Anitas Imbiss. Hier kann er seine Geschichtslügen offen vertreten – jeden Tag. Braune Ideologie zum Morgenkaffee oder zur Currywurst – und hinterm Tresen hängen Fotos vom brennenden Haus der Demokratie.

Anitas Imbiss ist verpachtet. Wir fahren zum Eigentümer des Grundstücks: Ralf Markwardt. Er sitzt in der Stadtverordnetenversammlung – ausgerechnet in der Fraktion, der auch die Bürgermeisterin angehört.

Warum hat er zugelassen, dass der Neonazi Christoph Schack in einem Imbiss auf seinem Grundstück arbeiten und braune Ideologie verbreiten kann? Ein Interview dazu gibt Ralf Markwardt nur zusammen mit seinem Bruder. Dass Anitas Imbiss ein Neonazi-Treff sei, habe er erst vor einer Woche erfahren.

Ralf Markwardt (Wählergruppe Plan B), Stadtverordneter Zossen
„Ich hab sie noch nie gesehen, immer wenn ich dort war, kann ich das im Grunde nicht bestätigen, ich kann‘s wirklich nicht bestätigen. Aber ich hab’s gehört. Und dachte, ich mach jetzt folgendes: Wenn es denn so ist, ein Schreiben aufsetzen, dass ich im Grunde Versammlungen und Treffen dieser Art nicht dulde und das habe ich dem Imbissbetreiber hingelegt und der hat’s unterschrieben.“

Das Schreiben haben sie - so sagen sie selbst - auf Druck der Bürgermeisterin verfasst. Sie fürchten um ihren Ruf und versichern: Mit Neonazis hätten sie nichts zu tun. Dem Pächter kündigen wollten die Markwardts zunächst aber nicht. Nach unserem Interview - wohl auch, weil die Bürgermeisterin durch unsere Recherchen öffentlichen Druck fürchtet - tun sie es dann doch.

Im Kampf gegen Rechtsextremismus muss man die Bürgermeisterin und ihre politischen Freunde im Rathaus zum Jagen tragen. Frau Schreiber hat zwar bei einer Demo der Rechtsextremen die Straßenbeleuchtung ausgestellt. Aber die Bürgerinitiative unterstützt sie weiter kaum. Dabei könnte die das gerade jetzt gut gebrauchen: Sie baut ein neues Haus der Demokratie. Doch bisher gab die Stadt keinen Cent dazu.

Denn die Bürgermeisterin bleibt dabei:

Michaela Schreiber (Wählergruppe Plan B), Bürgermeisterin Zossen
„Dass der Staat, die Verwaltung, das eine ist und das bürgerschaftliche Engagement etwas anderes, und ein sehr hohes und geschütztes Gut, in das sich der Staat nicht als Doktrin einzumischen hat.“

Wenn alle so denken, wird es bald keinen demokratischen Staat mehr geben, findet Georg-Heinrich von Eichborn. Auch auf sein Wohnhaus wollten mutmaßliche Neonazis einen Anschlag verüben. So dürfe es in Zossen nicht weiter gehen.

Georg-Heinrich von Eichborn, Trägerverein „Haus der Demokratie“
„1933 bis 45, zwölf Jahre, das war genug für Nazis, das darf es nie wieder geben. Und in Folge dessen müssen wir den Anfängen wehren und den Anfängen wehren, das kann nicht Halt machen bei den gewählten Gestalten hier in der Stadt. Im Gegenteil – die müssen sich an die Spitze der Bewegung stellen.“

Solche Initiativen gegen Rechts brauchen breite Unterstützung. Und da sind wir alle gefragt. Wege, dies zu tun, gibt’s genug.


Autoren: Robin Avram und Ulrich Kraetzer