Zerstörtes Fenster, Bild: rbb

- Terror im Kiez: Linksextreme bedrohen Zugezogene

In Berlin steigt die Zahl linksextremer Gewalttaten seit Jahren kontinuierlich an. Das angebliche Ziel der Linksautonomen: Gentrifizierung verhindern, Flüchtlinge schützen. Um das zu erreichen, terrorisieren sie Normalbürger und Gewerbetreibende. Bei den exakt geplanten Angriffen hat die Polizei meist das Nachsehen.

Anmoderation
Der Wohnungsmarkt in Berlin und bezahlbare Mieten, ein riesiges Aufregerthema. Umso ärgerlicher, dass die Politik hier einfach nicht in die Gänge kommt. Aus der aufgeheizten Stimmung in der Stadt versucht die militante linke Szene Kapital zu schlagen. Und so missbrauchen Linksextreme den Kampf um bezahlbaren Wohnraum für ihre eigenen Ziele: Zu bestimmen, wer, wo und wie leben darf. Inzwischen hat die Gewalt durch Linksextreme ein besorgniserregendes Maß angenommen. Olaf Sundermeyer und Jo Goll.

Die Überwachungskamera eines Ladens in Berlin Prenzlauer-Berg, unweit der Schönhauser Allee. Die Täter kommen mitten in der Nacht. Blitzschnell und gezielt. Präzise vorbereitet.

Das Ergebnis: Zehntausende Euro Schaden an den Martha-Höfen, einer neuen Wohn- und Geschäftsanlage. Betroffen: einfache Gewerbetreibende, ein kleiner Blumenladen, eine Boutique für Tanzmode. Doch auch junge Familien fühlen sich von den Angreifern bedroht:

Anwohnerin
"Man fühlt sich unsicher. Also, dass Leute einfach denken, dass sie das Recht haben, Sachen kaputt zu machen. Das bringt Angst."

Die Täter: Linksextreme. Auch bei diesem Geschäft für Designer-Sofas am Engeldamm in Kreuzberg. Weil die Möbel teuer sind, werfen linksextreme Gewalttäter Steine. Vier Mal schon hagelten bis zu 80 Pflastersteine gegen die Fensterfront. Innerhalb eines Jahres. Die drei jungen Geschäftsinhaber wollen sich vor der Kamera nicht äußern. Aus Angst vor dem linken Terror im Kiez.

Auch in der Wohnung im ersten Stock gingen Scheiben zu Bruch. Dieser Familienvater, der nicht erkannt werden will, hat den jüngsten Angriff beobachtet.

Hausbewohner
Stimme nachgesprochen

"Erstmal war ich geschockt. Dann habe ich gesehen, wie vermummte Leute, die schwarz angezogen waren, Steine warfen. Unsere Kinder waren in Panik. Wenn Sie die Steine vor die Scheiben klatschen hören, ist das wie ein Einschlag."

Unter ihm im Sofaladen denken die drei jungen Betreiber bereits darüber nach, für ihren Laden einen anderen Standort in Berlin zu suchen.

Wegziehen. Aufgeben. Diese Entscheidung hat er bereits getroffen. Seine Familie wird Kreuzberg verlassen. Und genau das wollen die Gewalttäter erreichen.

Wir treffen Tom Schreiber, Innenpolitiker der Berliner SPD. Er beobachtet, dass Teile der linksextremen Szene bestimmen wollen, wer, wo leben darf:

Tom Schreiber (SPD)
Berliner Innenpolitiker

"Die linke Szene, bzw. die autonome Szene gerade hier in Berlin, verfolgt ganz klar das Ziel, Menschen zu verdrängen, und da ist es mittlerweile völlig unabhängig, ob es letzten Endes Familien sind, ob es Menschen sind, die Eigentum erworben haben, oder ob es Menschen sind, die Gewerbe treiben wollen."

Schließlich ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware in den innerstädtischen Bezirken. Nirgendwo gibt es mehr Mieter als hier. So wird kein Thema in der Hauptstadt so emotional diskutiert wie die rasant steigenden Mieten. Teile der linksextremen Szene haben  darauf eine schlichte Antwort. Und die sieht so aus: Die Links-Autonomen wollen der Staatsmacht zeigen, wer im Kiez das Sagen hat. Sie schrecken nicht einmal mehr davor zurück, Polizisten mit Brandsätzen anzugreifen.

Das Landeskriminalamt Berlin registriert im ersten Halbjahr 2014 einen Anstieg von linksextremen Attacken – um über ein Drittel. Hochgerechnet heißt das: Eine Gewalttat pro Tag in Berlin.

Dabei stellen die Beamten einen Strategiewechsel fest: Während die Gewalttaten früher überwiegend aus Demonstrationen heraus begangen wurden, agiert die Szene heute konspirativ, aus dem Verborgenen.

Wolfram Pemp
Landeskriminalamt Berlin

"Straftaten von Kleingruppen, die meist in der Dunkelheit und nachts begangen werden. Wie Brandanschläge, oder Steinwürfe auf Luxusimmobilien, Farbanschläge, all diese Dinge, wo wir feststellen ja, das scheint sozusagen so ein bisschen der Trend zu sein."

Für ihre Gewaltaktionen findet die Szene abenteuerliche Begründungen. Im Bekennerschreiben für den Anschlag auf das Wohnprojekt im Prenzlauer Berg etwa muss die missliche Lage zahlreicher Flüchtlinge in Berlin herhalten.

Wolfram Pemp
Landeskriminalamt Berlin

"Gentrifizierung, also Zwangsräumung, Mieten, Flüchtlingsproblematik, all das sind sozusagen Themen, die viele Menschen tatsächlich betreffen und auch nahe gehen, und wo man einen entsprechenden Anschluss und Brückenschlag hin bekommt. Und insofern kann man, glaube ich, schon sagen, dass diese Themen auch durch die linksextremistische Szene im Teil instrumentalisiert werden."

So rechtfertigte die Szene auch den S-Bahnanschlag am Ostkreuz vor zwei Wochen mit der Situation der Flüchtlinge. Doch die Flüchtlinge selbst wollen mit solchen Gewalttaten nichts zu tun haben. Sie distanzieren sich mit einer öffentlichen Erklärung.

Auch der Politologe Uwe Backes glaubt nicht, dass es den linken Extremisten um die Anliegen der Flüchtlinge geht. Vielmehr wollten sie die Vorherrschaft im Kiez. Eine Strategie, die er von Rechtsaußen kennt.

Prof. Uwe Backes
Hannah Ahrendt-Institut Dresden

"Die Verdrängungsprozesse ähneln ja strukturell dem, was wir sehen bei rechten gewaltaffinen Cliquen, die 'national befreite Zonen' ausrufen und die Gegend von linken 'Zecken' und 'Fremden' säubern wollen. Das ist der Jargon dieser Szene und da gibt es sicherlich strukturelle Gemeinsamkeiten."

Die Quittung für derartige Thesen: Der Extremismusforscher erhielt von Berliner Linksextremisten per Post eine eindeutige Drohung.

Abmoderation
Da fragt man sich schon, wie es sein kann, dass linksextreme Gruppen Normalbürger und Geschäftsleute derart terrorisieren können, ohne dass das größere Folgen hätte und die Berliner Politik und Öffentlichkeit sich so merkwürdig still dazu verhält.

Beitrag von Jo Goll und Olaf Sundermeyer