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EJF-Verband | Bild: rbb

- Profitable Gemeinnützigkeit – Wie sich beim EJF-Verbund prächtig Geld verdienen lässt

Beraterverträge, stattliche Gehälter für das Führungspersonal: In dem gemeinnützigen Sozialunternehmen Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk gemeinnützige Aktiengesellschaft profitieren viele von öffentlichen Geldern. Zu Recht?

Misshandlung eines jungen Heimbewohners. Wir hatten vor 14 Tagen darüber berichtet. In einer Jugendeinrichtung im thüringischen Röttersdorf hatten Jugendlichen Gewaltstraftäter - die dort auf ihren Prozess warten - einen Mitbewohner schwer misshandelt. Der private Träger des Hauses, die Evangelische Jugend Fürsorge kurz EJF, wird auch mit Steuergeldern aus Berlin unterstützt. Die Politik reagierte auf unsere Klartext Recherche: In Brandenburg prüft man jetzt einen Verstoß gegen die Betriebserlaubnis und auch in Thüringen und Berlin ist die EFJ ins Blickfeld gerückt.

Heike Taubert (SPD), Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit Thüringen
„Als ich den Bericht gehört habe im rbb, ist es mir schon kalt den Rücken runter gelaufen. Der Träger hat sich eindeutig fehl verhalten. Das kann man so nicht hinnehmen, denn wir brauchen gemeinsam eine Kommunikation, wenn es zu solchen Vorfällen kommt. Und deswegen müssen wir jetzt ganz genau prüfen, was hat der Träger gemacht, was hat er verschwiegen, wie sind überhaupt die Zustände in der Einrichtung.“

Gisela von der Aue (SPD), Senatorin für Justiz, Berlin
„Wir werden, wenn die Evaluation zu Ende ist, darüber verhandeln mit dem Träger, inwieweit wir unsere Plätze reduzieren werden. Der zweite Punkt ist, dass in Thüringen eine Untersuchung durchführt wird, die sich auf Röttersdorf bezieht, und wenn wir die Ergebnisse haben, dann können wir entscheiden, ob Konsequenzen zu ziehen sind oder nicht.“

Und es geht noch weiter. Nach unseren Recherchen vergibt die gemeinnützige Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk AG seit Jahren Beraterverträge unter anderem an Politiker. Wie sich Beraterverträge mit einem christlichen Auftrag prima verbinden lassen zeigt Gabi Probst.

Das ist Siegfried Dreusicke. Er ist der Chef eines großen Imperiums, bundesweit und international. Das Unternehmen betreibtJugendheime, Frauenheime, Altenheime, Hotels. Über allen steht der Name: Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk, kurz EJF, und da will man - nach eignem Verständnis - nur Gutes tun.

Siegfried Dreusicke, EJF (Werbevideo)
„Unser Anliegen ist es, den Menschen zu helfen, unabhängig von der Religion, wobei unser Motiv ein christliches ist.“

An der Spitze dieser Sozialunternehmen steht ein Verein – der EJF e.V., der steuerbegünstigt ist, also keine Steuern zahlen muss, weil er als gemeinnützig anerkannt ist. Der Geschäftsführer des Vereins ist Siegfried Dreusicke.

Ein Unternehmen des Vereins ist die gemeinnützige Aktiengesellschaft, kurz EJF gAG. Vorstand sind Siegfried Dreusicke und Andreas Eckhoff. Die Aktiengesellschaft allein macht einem Umsatz von rund 100 Millionen Euro. Auch sie ist steuerbegünstigt, muss also keine Steuern zahlen, weil sie mit ihren Heimen auch gemeinnützig tätig ist. Die meisten Einnahmen dafür kommen aus dem öffentlichen Haushalt, sind Steuergelder.

Alle Unternehmen sind steuerbegünstigt, auch die EJF Service- und Fürsorge gGmbH, die Hotels betreibt. Bis vor kurzem war der Geschäftsführer Siegfried Dreusicke, jetzt ist es Andreas Eckhoff – wir erinnern uns, der zweite Vorstand der Aktiengesellschaft.

Der Chef der „Europäischen Sozialen Organisation“ in Tschechin des EJF ist Siegfried Dreusicke. In Polen ist es Andreas Eckhoff. Alles verstanden? Also, ob im In – oder Ausland – die großen Chefs sind zwei Leute, alles überschaubar, in vier Händen.

Wir lesen in den Akten des Vereinregisters. Ein Protokoll legt nahe, dass die Mitglieder scheinbar gern unter sich sind und offenbar Kritiker in Kontrollgremien der Unternehmen, wie ein Aufsichtsrat, von vornherein möglichst verhindern wollen…

Zitat
„…Es ist im Sinne des Unternehmens, wenn der Aufsichtsrat nur noch aus Mitgliedern des Vereins gebildet wird, damit die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand gedeihlich ist...“

und:

Zitat
„…die Mitgliedschaft auf '30 Personen' begrenzt sein sollten.“

Wir wollen den Unternehmenschef und Geschäftsführer des Vereins dazu
befragen, doch er will nicht vor die Kamera.

KLARTEXT
„Herr Dreusicke dürfen Ihnen denn noch einmal ein Fax schicken?“

Wir dürfen – aber darauf soll uns der Vereinsvorstand antworten, allerdings erst Mitte des Monats.

Will man sich einfach nicht in die Karten gucken lassen? Kontrolliert man sich lieber selbst? Es scheint so. Und es scheint einen Grund zu haben.

Ein Beispiel: der Beratervertrag für das Vereinsmitglied Dieter Möhring. Möhring ist Vorstand und Schatzmeister im Verein! Seit 1999 soll der jetzt 74 jährige die heutige gemeinnützige Aktiengesellschaft EJF beraten, in der internen Revision tätig sein. Unterschrieben hat den 2004 erneuerten Vertrag Siegfried Dreusicke. 10 200 Euro bekam Möhring dafür – nach eigenen Angaben - 2009.

Der Schatzmeister und Vorstand des Vereins ist nun Kontrolleur der Unternehmen?
Das Berliner Abgeordnetenhaus. Wir zeigen Björn-Mattias Jotzo die Unterlagen. Er ist Mitglied des Hauptausschusses, des Ausschusses, der die öffentlichen Gelder an Einrichtungen, wie das EJF, bewilligt.

Er hält die Doppelfunktion für fragwürdig.

Björn Matthias Jotzo (FDP), Mitglied des Angeordnetenhauses
„Man hat sich hier eine Struktur geschaffen, die sich offenbar selbst kontrolliert. Das ist von daher schon bemerkenswert, weil es sich um öffentliche Gelder handelt, letztlich. Da würde ich mir eine höhere Transparenz wünschen. Da geht es ja auch darum, wie diese öffentlichen Gelder verwendet werden und da kann es gar nicht sein, dass man dort seine eigene Kontrolleure rekrutiert.“

Eigentlich sollte dies nicht möglich sein. In der Vereinssatzung heißt es jedenfalls:

Zitat
„Mitglied des Vereins kann nicht werden, wer haupt- oder nebenberuflich in einem Dienst- oder Gestellungsverhältnis zum Verein steht oder zu einer Gesellschaft, an welcher der Verein beteiligt ist...“

Und Dieter Möhring ist Mitglied und Vorstand des Vereins. Wir finden für 2006 mindestens acht solcher Beraterverträge. Beraterverträge für Vereinsmitglieder, die gleichzeitig Politiker oder auch Bauamtsleiter waren…

Sieben Verträge gibt EJF für 2010 zu. Einer ist besonders problematisch. Der des SPD-Abgeordneten Karlheinz Nolte, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Er ist auch Mitglied des Hauptausschusses. Als wir Karlheinz Nolte mit unseren Recherchen konfrontieren, räumt er schriftlich ein, dass seit 2002 einen Beratervertrag hat, unterschrieben von Siegfried Dreusicke. Jeden Monat bekommt er demnach ein Honorar. Für 2009 sollen es über 15 000 Euro gewesen sein. Björn Matthias Jotzo sieht die Gefahr von Befangenheit.

Björn Mattias Jotzo (FDP), Mitglied des Angeordnetenhauses
„Wenn ich einerseits im Hauptausschuss die Mittel festsetze, darüber unabhängig entscheiden soll auch über die Kontrolle der Mittelverwendung und andererseits Beraterverträge in nicht unmaßgeblicher Höhe akzeptiere, dann ist das schon außerordentlich problematisch.“

Der SPD - Abgeordnete Nolte ist auch Mitglied des Vereins und im Vorstand der EJF-Stiftung. Auch für ihn gilt die Vereinssatzung. Von seiner Tätigkeit als Berater des EJF, ist auf der Abgeordnetenhaus-Homepage nichts zu lesen, da steht lapidar, er sei

Zitat

„….freiberuflich im Bereich der Projektentwicklung Jugendhilfe…“

tätig.

Für Matthias Jotzo ist Noltes Beratertätigkeit ein offensichtlicher Interessenskonflikt.

Björn Mattias Jotzo (FDP), Mitglied des Angeordnetenhauses
„Wenn das so ist, ist das ein klarer Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Landesabgeordnetengesetzes und auch gegen die Transparenzregeln, die wir uns selbst als Abgeordnete gegeben haben. Das wäre aus meiner Sicht schwerer Verstoß, der auch nicht ohne Konsequenzen bleiben darf.“

Beraterverträge für Vereinsmitglieder und Politiker, spendiert von einem gemeinnützigen Unternehmen, dass fast ausschließlich von öffentlichen Geldern lebt und Einnahmen haben darf, die

Chef Siegfried Dreusicke hat viel zu tun. Wir staunen, wie er alle seine vielen Jobs schafft, im Verbund und übrigens auch außerhalb des EJF. Nun, er lässt sie sich gut bezahlen: 150 000 Euro im Jahr als Vorstandsvorsitzender der gAG, ein Gehalt als Geschäftsführer des Vereins und so weiter. Es lohnt sich also sozial zu sein.

Übrigens der Abgeordnete Nolte stand für ein KLARTEXT-Interview nicht zur Verfügung.



Autorin: Gabi Probst