Gefrorene Eizellen, Bild: rbb

- Social freezing - Familienplanung auf Eis gelegt

Der Aufschrei in der deutschen Medienlandschaft war groß, als bekannt wurde dass Facebook und Apple ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Eizellen bezahlen, mit dem Ziel, später schwanger zu werden. Warum eigentlich? Bietet Social Freezing mehr Freiheit für die Frau, ganz ähnlich wie die Anti-Baby-Pille oder entsteht ein neuer Druck? 

Anmoderation
Nach I-Pod und I-Pad folgt jetzt I-Cell: Sie haben es bestimmt gehört: Die US-Unternehmen Apple und Facebook bieten ihren Mitarbeiterinnen an, die Kosten zu übernehmen, wenn diese ihre Eizellen einfrieren lassen und auf ihren Kinderwunsch verzichten bzw. auf später verschieben. Riesenempörung in Deutschland: Die meisten finden so ein Angebot schlicht unmoralisch. Viele junge Frauen allerdings sind etwas offener. Bietet das sogenannte Social Freezing also nun mehr Freiheiten oder mehr Risiken? Ursel Sieber und Helge Oelert sprachen mit Frauen, die das Experiment gewagt haben.

Die Eizelle: Nur 0,1 Millimeter groß, und doch sorgt Ihr Einfrieren für einen kulturellen Grabenkrieg.

Prof. Christiane Woopen
Deutscher Ethikrat

"Warum feiern wir einen medizinisch-technischen Eingriff in den weiblichen Körper für soziale Probleme als einen Zugewinn an Selbstbestimmung?"

Prof. Jutta Almendinger
Präsidentin Wissenschaftszentrum Berlin

"Ich weiß nur, dass es Frauen die gleichen Optionen gibt, die Männer schon sehr lange haben, ausgiebig nutzen."

Dr. Dieter-Bernd Mayer-Eichberger
Reproduktionsmediziner

"Es ist ein steigender Trend, ich denke, dass das in den nächsten Jahren doch stark ansteigen wird."

Stuttgarter Hauptbahnhof, 6 Uhr morgens. Bettina H. auf dem Weg zum Kinderwunschzentrum. Die 34-jährige hat die Frage für sich persönlich schon beantwortet. Sie lässt sich einige Eizellen einfrieren. Bettina H. will Kinder – und sie will selbst entscheiden können, wann es passt. Jetzt jedenfalls noch nicht. Vor drei Jahren hat sie eine gute Position als Ingenieurin angetreten. Sie will ihre Stellung erst einmal festigen, statt jetzt schon in die Mutterschaftspause zu gehen.

Bettina H.
Ingenieurin

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Um ihr Leben selbst gestalten zu können, nimmt sie einiges auf sich. Tagelang spritzte sie sich Hormone. Der eigentliche operative Eingriff geht dann schnell: unter Vollnarkose werden ihr zehn Eizellen abgesaugt. 30 sind eigentlich nötig – sie muss die Prozedur also in den nächsten Monaten wiederholen.

Inklusive Einfrieren und Wiedereinsetzen kostet das rund 15.000 Euro. Dafür verspricht der Arzt, dass Bettina auch jenseits der Vierzig noch gute Chancen hat, schwanger zu werden. Ohne Rücksicht auf die biologische Uhr.

Dieter-Bernd Mayer-Eichberger
Reproduktionsmediziner

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Ein großes Versprechen, und Bettina H. hat dafür tief in die eigene Tasche gegriffen. Natürlich hat sie davon gehört, dass in den USA einige Konzerne die Kosten für das Einfrieren übernehmen. Und das findet sie gut, solange es nicht diejenigen Frauen unter Druck setzt, die früh Kinder bekommen wollen.

Bettina H.
Ingenieurin

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Die Initiative von Apple und Facebook, Kosten für Social Freezing zu übernehmen – verändert sie die Arbeitswelt auch bei uns? Diese Frage haben wir deutschen IT-Unternehmen gestellt. Die Reaktion: einhellige Ablehnung.

Doch dabei wird es nicht bleiben, meint dieser Trendforscher. Er arbeitet schon seit Jahren mit Firmen der New Economy zusammen.

Sven Gabor Janszky
Trendforscher

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Trotzdem sieht die Vorsitzende des deutschen Ethikrats darin höchstens eine Lösung für einzelne Frauen. Gesamtgesellschaftlich bedeute Social Freezing keinen Freiheitsgewinn, sondern eher einen Rückschritt.

Prof. Christiane Woopen
Deutscher Ethikrat

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Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin widerspricht vehement – für Jutta Allmendinger ist Social Freezing ein großer Schritt zu mehr Selbstbestimmung. Und zwar nicht nur für Frauen in Führungspositionen, sondern für alle. Denn eine medizinische Hilfestellung beim Versuch, die Vereinbarkeit von Kind und Karriere zu ermöglichen, sei durchaus erwünscht.

Jutta Allmendinger
Präsidentin Wissenschaftszentrum Berlin

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Frauen, die das genauso sehen, bieten Reproduktionsmediziner wie der Münchner Jörg Puchta eine Möglichkeit. Er schaltet sogar Werbespots für Social Freezing. Mit Erfolg.

Auszug Werbespot
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Bei ihm hat sich auch Silke P. vor fünf Jahren Eizellen entnehmen lassen. So kaufte sie sich Zeit für die eigene Karriere. Heute ist sie Managerin. Und mit 41 in der 14. Woche schwanger – eine der wenigen Frauen in Deutschland, die zur Zeit mit eigenen aufgetauten Eizellen ein Kind erwarten.

Silke P.
Managerin

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Das Angebot von Arbeitgebern, die Kosten für das Einfrieren zu übernehmen, empfände sie nicht als Druck.

Silke P.
Managerin

"Die Gefahr besteht, denke ich auch. Aber da muss man als Frau dann stark genug sein zu entscheiden, das Angebot nehme ich mit. Trotzdem entscheide ich selber, was ich tue und wann."

Trotzdem sei Social Freezing kein Freifahrtschein, meint Reproduktionsmediziner Heribert Kentenich. Denn die Risiken steigen wie bei allen Spätgebärenden ab 40. Hier ewige Fruchtbarkeit zu versprechen, sei fahrlässig.

Prof. Heribert Kentenich
Reproduktionsmediziner

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Eine Güterabwägung. Was zählt mehr: Die Risiken einer späten Geburt oder die Möglichkeit, trotz der Karriere doch noch Kinder zu bekommen?

Abmoderation
Eine Frage, die uns bestimmt noch lange beschäftigen wird…

Beitrag von Helge Oelert und Ursel Sieber