Baustelle Spreedreieck (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Hochgespielt: Die Affäre um das Spreedreieck in Berlin

Das Spreedreieck gilt als eines der wichtigsten Bauplätze der City-Ost. Einst lukrativer Baugrund, heute Anlass für einen Untersuchungsausschuss. Beim Verkauf des attraktiven Grundstücks soll dem Land Berlin ein Millionenschaden entstanden sein. Die Opposition tobt. Dabei haben alle Parteien über die Jahre von den Schwierigkeiten des Projektes gewusst.

Wenn in Berlin in großem Stil gebaut wird, lassen Skandale nicht lange auf sich warten. Jetzt gibt es einen neuen, - meint jedenfalls die Opposition: Der Senat soll beim Verkauf eines der lukrativsten Baugrundstücke Millionen verschenkt haben! Die Rede ist vom Spreedreieck am Bahnhof Friedrichstrasse. Der Senat steht unter Beschuss, die Opposition fordert wieder mal einen Untersuchungsausschuss. Aber Moment mal: Haben nicht CDU und FDP auch dann und wann mitgemischt?

Es ist, wie es immer ist in Berlin: Irgendwie hat jeder seine Finger im Spiel und wenn’s dann schief läuft, schiebt man dem anderen die Schuld zu. Andrea Böll und Sascha Adamek.


In der Mitte der Berliner Metropole: das Spreedreick. Ein starkes Stück Berlin, an dem man schon immer hoch hinaus wollte. 1921 konzipierte Mies van der Rohe ein Hochhaus an dieser Stelle, 80 Jahre später waren es der Berliner Architekt Gerhard Spangenberg und Sir Norman Foster, die planten. Bis zu 200 Meter hoch sollten die Türme sein, doch letztlich scheiterte das ganze am kleinlichen Berliner Politstreit um Bauhöhen. Jetzt ist es soweit: es wird gebaut – immerhin ein kleines Hochhaus – doch schon wieder gibt es Streit – das Ding sei ein Millionengrab für den Steuerzahler, findet die Opposition und fordert einen Untersuchungsausschuss.

Florian Graf (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Wir werden versuchen, im Rahmen des Untersuchungsausschusses, die Hintergründe dieser Affäre aufzuklären. Möglicherweise wird das nicht abschließend gelingen, aber möglicherweise gelingt es, die Story hinter der Story herauszufinden.“

Klaus-Peter von Lüdeke (FDP), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Ich glaube, dass es gravierende handwerkliche Fehler gegeben hat im Vorfeld und dem sind wir auf der Spur.“

Jochen Esser (Bündnis 90 / Grüne), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Mit der Haltung des Senats: erst haben wir kein Glück gehabt, und dann kam auch noch Pech dazu, was man sonst nur von Fußballern kennt, kann man nicht sein Bewenden lassen.“

Aber wie kam es zu einem Skandal? Der Hamburger Investor Harm Müller-Spreer erwarb im Jahr 2000 das Spreedreieck vom Land Berlin. Auch er wollte hoch hinaus.

Harm Müller-Spreer, Investor (Interview 2001)
„Im Grunde genommen ist es ein sehr positives und sehr optimistisches Projekt und ich glaube, ein solches Projekt kann diese Stadt in diesen schwierigen Zeiten sehr, sehr gut gebrauchen.“

Das Grundstück hatte ihm Berlin im Jahr 2000 als lastenfrei verkauft. Bedeutet: der Eigentümer kann uneingeschränkt über das Grundstück verfügen und kein Dritter hat Ansprüche. Von wegen: Kurze Zeit später stellte sich heraus: ein Teil des Geländes gehörte gar nicht dem Land, sondern der Bahn. Und die pochte zu Recht auf Zugang zu S-Bahnanlagen. Diese Rechte hatte das Land offenbar übersehen.

Professor Ullrich Battis weiß, was öffentliche Verwaltungen können, müssen und dürfen. Über das Spreedreieck kann er nur die Stirn runzeln.

Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtsexperte Humboldt-Universität Berlin
„Es ist ganz erstaunlich, dass an einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkten der Stadt mit S-Bahn, U-Bahn, Fernbahn, Straßen, dass in einem solchen Fall gesagt wird: „es besteht Lastenfreiheit“, das kann es praktisch nicht geben.“

Weil das Land den Kaufvertrag nicht einhalten konnte, schuldete es dem Investor eine Entschädigung – völlig zurecht. Aber teuer. In dieser Situation kam als neuer Finanzsenator Thilo Sarrazin ins Spiel. Sein Auftrag: den bereits entstandenen Schaden am Spreedreieck im Sinne des Steuerzahlers mindern. Also verhandelte er mit dem Investor über Entschädigungssummen und Baurechte – ein höchst gewagtes Spiel.

Da der Investor die 15.000 Quadratmeter Bürofläche nicht mehr so bauen konnte, wie geplant, forderte er eine Entschädigung, laut Finanzsenator 12 Millionen Euro. Jetzt bot ihm der Senat statt Bargeld das Recht an, größer zu bauen. Ein Pokerspiel begann. Man einigte sich die Quadratmeter auf 17.500 zu erhöhen und zusätzlich erhielt Müller-Spreer eine Entschädigung von 8,7 Millionen. Damit nicht genug. Jetzt darf Müller-Spreer sogar unterirdisch die Baufläche ausweiten auf insgesamt 20.500 Quadratmeter - ein Geldwerter Vorteil in Millionenhöhe – trotzdem blieb es bei der Entschädigungssumme von 8,7 Millionen Euro, die das Land dem Investor zahlte.

Hätte das Land deshalb nicht seine Entschädigungssumme verringern müssen fragt nun die Opposition den Finanzsenator Sarrazin und wirft ihm vor, Geld verschenkt zu haben.

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator Berlin
„Ob das nun Geschenke waren, ist eine andere Frage. Wir haben ein gewisses Baurecht mitverkauft. Auf der Basis wurde der Kaufpreis ermittelt. So wurde gezahlt. Wie sich das weitere der Bebauungsplanverfahren weiter entwickelt hat, ist nicht meine Zuständigkeit. Dazu kann ich auch bitte nicht von Ihnen befragt werden.“

Zuständig sei seine Senatskollegin Ingeborg Junge-Reyer von der Stadtentwicklung. Die fragen wir auch, aber die lehnt ein Interview ab.

Das Spreedreieck – wir schauen uns eine weitere Episode genauer an. Im Jahr 2006 erteilte der Senat dem Investor auch noch eine Baugenehmigung, die sich als rechtswidrig herausstellte. Grund: man hatte versäumt das zu tun, was jeder private Häuslebauer eigentlich weiß – die Nachbarn zu fragen, bevor man baut. In diesem Fall ist der Nachbar ein ziemlich luxuriöses Hotel. Und das hatte keine Neigung, sich den Blick aus der Präsidentensuite durch ein Bürohochhaus verstellen zu lassen. Also zog man vor das Oberverwaltungsgericht. Und bekam Recht. Wieder sprang das Land Berlin ein und zahlte diesmal dem Hotelbetreiber eine Entschädigung von 4 Millionen Euro Steuergeld.

Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtsexperte Humboldt-Universität Berlin
„Nun, man hätte hier versuchen können, dass man mit den Nachbarn zu einer einvernehmlichen Lösung kommt und zwar im Verhandlungswege. Und es ist ja eine alte Sache, wenn man erstmal einen Fehler begangen hat und wenn es gerichtlich bestätigt worden ist, dass man rechtswidrig gehandelt hat, dann hat der Nachbar natürlich eine sehr starke Stellung und verlangt natürlich mehr Geld.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator Berlin
„Ja, ob es ein Fehler war ist ja völlig unklar, wichtig ist, dass das Gericht den Bebauungsplan für nichtig erklärt hat.“
KLARTEXT
„Ist das kein Fehler?“
Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator Berlin
„Das ist richtig, es mag auch ein Fehler sein beim Gericht, es sind garantiert, wenn Sie sich Urteile anschauen, ist ein Prozentsatz von zehn bis dreißig Prozent rechtsfehlerbehaftet.“

Sarrazin würde die Schuld am liebsten den obersten Richtern in die Schuhe schieben, na ja.

Dem Grünen Jochen Esser wurde das jetzt zu bunt. Er machte sich die Mühe und versuchte, zu errechnen, wie viel Geld dem Land Berlin seit dem Verkauf der Edelimmobilie im Jahr 2000 wirklich durch die Lappen ging. Er rechnet die vielen Entschädigungssummen, hinzu die Grundstücke, die der Investor zusätzlich erhielt und kommt auf eine Schadenssumme, die alles andere als lustig ist.

Jochen Esser (Bündnis 90 / Grüne), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Wenn man jetzt alles zusammenrechnet, was an Entschädigungen angefallen ist, an zusätzlichen Grundstücken, an zusätzlichen Baurechten kommt man auf einen Gesamtschaden von mindestens 24 Millionen Euro.“

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator Berlin
„Ja, von Schaden kann man nicht hier jetzt in dem Fall reden, weil am Ende ist ja also Geld übrig geblieben, vier Millionen Euro.“

Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtsexperte Humboldt-Universität Berlin
„Dass hier kein Schaden entstanden sei, ist schlicht Unsinn! Anders kann man das nicht bezeichnen. Wenn ich drei Millionen bekomme oder sagen wir mal 25 Millionen und das sind durchaus Zahlen über die man hier reden kann, dann kann ich nicht sagen, die 22 Millionen die ich hier nicht bekommen habe das ist kein Schaden.“
KLARTEXT
„Auch nicht als Finanzsenator?“
Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtsexperte Humboldt-Universität Berlin
„Als Finanzsenator kann man das noch weniger sagen, denn da muss man ja mit Zahlen umgehen können. Und er hat ja auch in der Vergangenheit bewiesen, dass er das kann, also das glaubt er selber nicht.“

Ein gefundenes Fressen für die Opposition. Doch auch die setzt auf Vergesslichkeit. Denn schon 2004 wussten auch CDU und FDP um die Mehrkosten am Spreedreieck – ein öffentlicher Aufschrei blieb jedoch aus. Auch stimmten beide Parteien 2006 der letztlich rechtswidrigen Baugenehmigung im Abgeordnetenhaus zu – allein die Grünen waren dagegen. Heute fordern CDU und FDP lautstark einen Untersuchungsausschuss.

Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtsexperte Humboldt-Universität Berlin
„Es gibt ja auch andere Fälle, denken Sie an das Tempodrom, wo es große Koalitionen gegeben hat, und dann hinterher plötzlich auch Untersuchungsausschüsse eingerichtet worden sind, bei denen die Leute, die da untersucht haben im Grunde in der Rolle des Dorfrichter Adam waren. Das heißt sie waren Täter, aber gleichzeitig führten sie die Untersuchung.“

So wird dieser Berliner Politskandal enden wie viele. Ein Untersuchungsausschuss, der auch nicht viel mehr herausbekommt. Und was man in der Vergangenheit hätte besser machen können, möchten Politiker auch nicht ernsthaft beantworten:

Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator Berlin
„Und wenn man seitdem irgendwie kontinuierlich anders gehandelt hätte, hätte man eine andere Entwicklung gehabt, ja das geht nach dem Motto: hätte meine Oma Räder, dann wäre sie ein Auto.“

Beitrag von Sascha Adamek und Andrea Böll