- Kürzung der Städtebauförderung - Desaster für Brandenburger Stadtentwicklung

Städtebauförderung hilft, den Verfall der Städte zu stoppen und positive Anreize für die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung zu setzen. Doch der Bund will die Mittel drastisch kürzen. Welche Konsequenzen dies hat, zeigt KLARTEXT an den Beispielen Cottbus und Jüterbog.

Städtebauförderung, das ist weit mehr als ein paar Blumenkübel in eine Fußgängerzone zu stellen oder die Fassaden von alten Häusern zu streichen. Auch Stadtteile mit schwierigen Milieus profitieren von diesen Geldern: Jugendclubs oder soziale Einrichtungen etwa können sich so über Wasser halten. Doch ausgerechnet hier will man sparen. Die Städtebauförderung soll voraussichtlich um rund 50 Prozent gekürzt werden. Das sorgt für lautstarke Proteste. In Berlin gingen viele gegen die Sparmaßnahmen auf die Straße. Sie fürchten nicht nur Einschnitte bei der Gebäudesanierung, sondern vor allem auch bei sozialen Maßnahmen. Welche Folgen die geplanten Kürzungen für die Städte haben können, das haben wir mal angeschaut. Ute Barthel war unterwegs.

Die Abrissbagger in Cottbus- Sachsendorf sind Zeichen eines Neuanfangs. Denn diese Wohnungen standen schon zehn Jahre leer. Der Stadtteil drohte, eine Geisterstadt zu werden. In der einst größten Plattenbausiedlung der DDR wohnten früher 32.000 Menschen, nun sind es nur noch 13.000. In den 90ern war der Stadtteil verrufen als braune Hochburg. Skinheads überfielen Ausländer und Jugendliche. Damals war Marcus Beley Hip-Hoper und hatte oft Angst, auf die Straße zu gehen.

KLARTEXT
„Was ist da passiert?“
Marcus Beley, Sprungbrett e.V.
„Man wurde verfolgt teilweise und hat ‘n paar auf den Deckel gekriegt und es war eine echt aggressive Stimmung hier.“

Das ist nun vorbei. Marcus Beley hat mit einigen Freunden aus dem Viertel den Verein Sprungbrett gegründet. Damit haben sie der rechten Monokultur etwas entgegengesetzt. In dem Jugendzentrum können Bands proben, es finden Tischtennisturniere oder Trommelworkshops statt.

Marcus Beley, Sprungbrett e.V.
„Was wir hier anbieten, soziale Betreuung, Getränke sind auch hier, wenn sie mal eine Bewerbungshilfe brauchen, kriegen sie das auch, oder beim Hartz-IV-Antrag, um ehrlich zu sein, helfen wir auch, also eigentlich alles, das Rund-um-Paket. Was man braucht, besorgen wir.“

Doch auch damit könnte es bald vorbei sein. Denn das Bundesbauministerium will soziale Projekte wie dieses in Zukunft gar nicht mehr fördern. Das wäre das Ende für das Jugendzentrum. Dabei wurde es mit Bundesmitteln aus der Städtebauförderung renoviert. Das Programm soziale Stadt hat mit dazu beigetragen, dass es in dem Viertel wieder aufwärts ging.

Gut 5000 Wohnungen wurden hier abgerissen, doch der Rest wurde saniert. Bei der Neugestaltung ihres Viertel haben die Einwohner selbst mit entschieden. Diese Entwicklung hat der Stadtteilmanager Ralf Fischer vor gut zehn Jahren mit auf den Weg gebracht.

Ralf Fischer, Stadtteilmanager
„Es hat auch viel mit Selbstheilung und Eigenaktivität der Bewohner zu tun, denen wir auch über die Soziale Stadt die Möglichkeit gegeben haben, sich selbst Strukturen aufzubauen, beispielsweise ein Jugendkulturzentrum oder ein Nachbarschaftszentrum, wo sie zusammenkommen können, um sozusagen die Wunden der zerstörten Nachbarschaften wieder zu heilen.“

Die Menschen leben wieder gern in Sachsendorf. Doch nun hat der Bundesbauminister eine radikale Kürzung der Städtebauförderung angekündigt.

Dabei sind deutschlandweit 700 Millionen Euro Bundesmittel pro Jahr für die
Städtebauförderung nötig. Doch bereits in diesem Jahr liegt der Anteil nur bei 610 Millionen. Ab kommendem Jahr sollen es nur noch 305 Millionen sein.

Der Staatssekretär des Bundesbauministers begründet diese Kürzung mit den Sparzwängen der Regierung.

Rainer Bomba (CDU), Staatssekretär Bundesbauministerium
„Sicherlich wäre es schön, wenn wir mehr Geld zur Verfügung hätten, wir könnten mehr Projekte machen. Das kann man auch steigern über die Maßen hinaus, aber letztendlich muss man sagen: Wir haben einen Haushalt, wir müssen sehen, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und dann muss man auch den Mut haben zu sagen: Wir sparen jetzt mal."

Die Sparpläne haben nicht nur in Cottbus für Entsetzen gesorgt. In Jüterbog würde es hauptsächlich den Mittelstand treffen. In der mittelalterlichen Stadt wurden in den vergangenen zwanzig Jahren viele denkmalgeschützte Gebäude mit Geld aus der Städtebauförderung restauriert.

Besonders mittelständische Firmen, vom Architekten bis zum Dachdecker, haben davon profitiert, denn sie bekamen so viele Aufträge.

Zum Beispiel die Architektin Sybille Handke. Sie war von den angekündigten Kürzungen schockiert.

Sybille Handke, Architektin
„Das ist für uns dann wirklich schon eine Existenzbedrohung, weil wir zu 80 Prozent auf dem Gebiet der Städtebausanierung arbeiten. Und wenn das alles weg bricht, dann bleibt nicht mehr viel an Arbeit übrig.“

Dabei gibt es auch in Jüterbog noch viel zu tun. So manches Haus, das unter Denkmalschutz steht, droht einzustürzen. Auch die Gehwege an der Hauptstraße müssen dringend saniert werden. Die Einzelhändler leiden jetzt schon darunter, denn es kommen immer weniger Kunden.

Ingrid Kuhlmey, Geschäftsinhaberin
„Dann kommen sie mal raus, wenn es regnet. Dann ist hier eine Seenlandschaft. Und Sie können nicht auf unserer Seite lang gehen, dann sind Sie einmal komplett geduscht.“

Doch ohne die Mittel vom Bund werden können die Jüterboger die Sanierung nicht in Angriff nehmen. Deshalb haben sie einen Protestbrief an das Bauministerium geschrieben, doch dort vertröstet man nur auf bessere Zeiten.

Rainer Bomba (CDU), Staatssekretär Bauministerium
„Wir werden Projekte, die nicht so dringend sind, auf die Wartebank schieben. Wir werden sie nicht gleich 2011 oder 2012 anstoßen können, wir werden dann darüber reden und wieder zuschlagen können, wenn die Haushaltssituation besser ist.“

Das ist für die Jüterboger kein Trost. Sie brauchen verbindliche Zusagen für die Sanierungsziele, die sie sich langfristig gesetzt haben und nicht eine Förderung je nach Kassenlage.

Kathrin Bruckbauer, Stadtplanerin Jüterbog
„Man weiß nicht, was zwischendurch passiert, ob nicht der eine oder andere aufgibt, nicht mehr weiter macht und die Struktur insgesamt doch deutlich verschlechtert wird hier bei uns in der Stadt.“

Und der Spareffekt bringt gar nichts, wenn nachhaltige Stadtentwicklung im Keim erstickt wird, meint Professor Klaus Beckmann vom Deutschen Institut für Urbanistik.

Prof. Klaus J. Beckmann, Deutsches Institut für Urbanistik
„Wenn der Bund diese Mittel nicht bereit stellt, dann spart er natürlich in dem jeweiligen Haushaltsjahr -  erstmal. Es bedeutet aber für Bund; Länder und Gemeinden erhebliche Folgekosten, wenn die Mittel entfallen, weil die jungen Leute nicht in die Ausbildung hineinkommen, weil eben möglicherweise Werte in den Gebäuden vor Ort verfallen, noch stärker als bisher erfolgt, und weil soziale Probleme auftauchen, die wir vielleicht nicht im nächsten oder übernächsten Jahr, aber vielleicht in fünf oder zehn Jahren dann ganz teuer bewältigen müssen.“

Auch für Cottbus wäre das eine Katastrophe. Viele Plattenbauten, die noch abgerissen werden sollen, müssten dann einfach zugemauert werden.

Ralf Fischer, Stadtteilmanager
„Das heißt das dann im Klartext, dass sich gerade in Ostdeutschland Kommunen an Geisterstädte gewöhnen müssen. Das sind dann Angsträume für die Bewohner und das bedeutet den Anfang einer Spirale nach unten.“



Autorin: Ute Barthel