Protestplakat gegen die Mediaspree (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Spätes Erwachen – Aufstand gegen die MediaSpree

Als die Pläne vor Jahren für die MediaSpree auslagen, fand kaum ein Bürger den Weg zum Amt, um seine Kritik vorzubringen. Seit Bars und Strände das Ufer zwischen Jannowitz- und Oberbaumbrücke dominieren, stemmen sich Bürgerinitiativen mittels Volksbegehren gegen die Bebauungspläne. Wie lange darf man diskutieren? Wie viel direkte Demokratie verträgt die Hauptstadt?

Spreeufer für alle – damit macht eine Bürgerinitiative seit Monaten Furore.

Ihre Befürchtung:

Carsten Joost, Bürgerinitiative „Mediaspree versenken“
„Wir wollen verhindern, dass hier Friedrichshain/Kreuzberg dieses neue Image ‚Mediaspree’ bekommt, dass die Spree umbenannt wird, hier Hochhäuser entstehen, und die Büroblocks und die teuren Wohnungen. Man denkt ja hier gar nicht an soziale Fragen, sondern nur Hochpreissegment.“

Die Forderung der Bürgerinitiative:

Mehr Platz am Ufer für die Öffentlichkeit, das heißt: 50 Meter Mindestabstand zum Ufer – statt wie bisher vorgesehen nur 10 Meter.

Mehr Platz für alle an der Spree, das kommt an im Kiez – rund 30 000 Kreuzberger und Friedrichshainer votierten beim Bürgerentscheid im Juli gegen die Pläne, das Spreeufer zwischen Elsen- und Jannowitzbrücke mit Neubauten zuzubauen.

Kommt etwas spät, denn als das Vorhaben Mediaspree vor Jahren geplant wurde, hatten die Bürger auch ein Mitspracherecht. Nur – damals hat sich kaum einer für das Projekt interessiert.

Beispiel: die Groß-Arena O2-World samt eigenem Ufersteg an der Spree. Dafür musste sogar ein Stück der East-Side-Gallery weichen.

Die Eröffnung im September war dann von starkem Protest begleitet.

Unverständlich, denn als der Bezirk den Bebauungsplan vor 7 Jahren auslegte…

…und die Bürger in der Tagespresse dazu aufrief, ihre Einwände geltend zu machen, war die Beteiligung – mehr als mau.

Ganze fünf Anwohner folgten dem Aufruf des Bezirksamts!

Dabei wäre damals die Chance groß gewesen, auf die Planung Einfluss zu nehmen, erklärt der Verfassungsrechtler Prof. Christian Pestalozza.

Prof. Christian Pestalozza, FU Berlin
„Man kann dem Bürger nur raten: Macht von diesen Beteiligungsmöglichkeiten so früh wie möglich in diesen Verwaltungsverfahren bereits gebrauch, weil die Chance, dass es dann dort berücksichtigt wird, ist ja groß, auch wenn es keine Rechtsargumente sind.“

Doch die betroffenen Anwohner ließen die Chance ungenutzt verstreichen:

Das zurzeit größte Bauprojekt in Berlin stieß eher auf Zustimmung statt Widerstand, erinnert sich Bezirksbürgermeister Franz Schulz.

Dr. Franz Schulz (Bündnis 90/Die Grünen), Bezirksbürgermeister Friedrichshain-Kreuzberg
„Das war eigentlich gerade auf der Friedrichshainer Seite eine Situation, wo die Leute sagten, sie sind froh, dass diese zum Teil jahrhundertelang nicht betretbaren großen Brachen, weil sie Ostgüterbahnhof waren oder weil sie Hafengelände waren, nun öffentlich betretbar werden.“

Jetzt, wo die Bagger angerückt sind - auf einmal der Protest.

Warum so spät Herr Joost?

Carsten Joost, Bürgerinitiative „Mediaspree versenken“
„Ja, das ist einfach ein Zeichen der Zeit. Das ist nicht nur Bürgerentscheid, nicht nur unsere Arbeit, sondern das ist einfach mal neues Interesse.“

Das neue Interesse kommt zwar spät – dennoch zeigt der Bezirk Verständnis und nimmt den Bürgerentscheid ernst.

In der vergangenen Woche hat er deshalb einen Sonderausschuss „Mediaspree“ gegründet. Vertreter der Bürgerinitiative dürfen nun mit Vertretern des Bezirksamts über die Zukunft des Spreeufers diskutieren.

Ob das Konsequenzen hat, ist fraglich. Denn das Bezirksamt muss sich weder nach dem Sonderausschuss noch nach dem Bürgerentscheid richten.

Prof. Christian Pestalozza, FU Berlin
„Nur in diesem speziellen Fall der Bebauung ist es so, dass so ein Entscheid, egal welche Mehrheit er gefunden hat, nicht in der Lage ist, die vorhandenen Entscheidungen über die Bebauung rückgängig zu machen.“

Man fragt sich daher zu recht: „wozu das ganze Theater?“

Der Strandbars wegen? Wie etwa der Maria, dem Yaam? Oder der Bar25? Sind solche Oasen mit ihrem abgeranzten Charme für eine kleine Gruppe Szene-Berliner wirklich so erhaltenswert?

Vor allem: frei zugänglich ist das Spree-Ufer schon heute nicht immer. Eintritt, abends oft nur nach Gesichtskontrolle.

Trotzdem: der Bürgerentscheid war rechtmäßig. Denn:

Dr. Franz Schulz (Bündnis 90/Die Grünen), Bezirksbürgermeister Friedrichshain-Kreuzberg
„2005 hat der Gesetzgeber das Instrument des Bürgerbegehrens, Bürgerentscheids eingeführt, auch bewusst, dass darüber über BBP abgestimmt werden kann …“

Gegenfrage…das heißt auch BBP, die schon festgesetzt sind?

„Selbstverständlich. Und mit dem Hinweis darauf, dass auch finanzielle Auswirkungen kein Hemmnis sein dürfen, über die Rechtmäßigkeit solcher Bürgerentscheide, Bürgerbegehren zu entscheiden. Dann ist natürlich in besonderem Maße das Land Berlin in der Pflicht, für seine Grundstücke die Ansprüche, die es sich selbst in das Gesetz formuliert haben, dann auch auszutragen.“

Doch der Senat will nichts austragen und beharrt auf den Plänen.

Trübe Aussichten jedenfalls für die verplanten Gebiete. Aber es gibt auch noch unverplante Fläche. Der grün gekennzeichnete Bereich ist noch nicht festgesetzt. Hier kann die Bürgerinitiative tatsächlich noch was erreichen, ohne hohen Schadensersatz zu provozieren.

Und Erreicht hat Bürgerinitiative auch jetzt schon was: die Diskussion über die Ufer-Fläche ist in Gang gekommen. Das gibt selbst der Sprecher der Mediaspree-Investoren zu.

Christian Meyer, Sprecher Mediaspree e.V.
„Also ich glaube schon, dass er dazu geführt hat, dass sich einige Investoren mehr über die Qualität des Ufers Gedanken machen. Das ist auch wichtig. Das es einen Uferbereich gibt, der eine hohe Aufenthaltsqualität hat.“

Und wer gern in Strandbars geht, sollte hin und wieder auch mal ins Bezirksamt gehen. Vielleicht hängt da mal wieder einen neuen Bebauungsplan.

Ein bisschen schade wäre es schon, wenn die Strandbars ganz vom Spree-Ufer verschwänden. Ziehen sie immerhin sogar Hollywood-Prominenz an. Irgendwo stehen sie doch auch für ein Berlin, das so anders, sexy und einzigartig sein will.